Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

die Ruchlosigkeit und Bosheit der Menschenkin¬
der, und insbesondre seiner Nachbaren, oder
seiner eignen Leute, zusammenzogen.

Anton erblickte ihn zuerst in einer grünen
Pelzmütze, blauem Brusttuch und braunen Ka¬
misol drüber, nebst einer schwarzen Schürze,
seiner gewöhnlichen Hauskleidung, und es war
ihm beim ersten Blick, als ob er in ihm einen
strengen Herrn und Meister, statt eines künf¬
tigen Freundes und Wohlthäters gefunden hätte.

Seine vorgefaßte innige Liebe verlosch, als
wenn Wasser auf einen Funken geschüttet wäre,
da ihn die erste kalte, trockne, gebieterische Miene
seines vermeinten Wohlthäters ahnden ließ, daß
er nichts weiter, wie sein Lehrjunge seyn werde.

Die wenigen Tage über, daß sein Vater da
blieb, wurde noch einige Schonung gegen ihn
beobachtet; allein sobald dieser abgereist war,
mußte er eben so, wie der andre Lehrbursch, in
der Werkstatt arbeiten.

Er wurde zu den niedrigsten Beschäftigun¬
gen gebraucht; er mußte Holz spalten, Wasser
tragen, und die Werkstatt auskehren.

F 2

die Ruchloſigkeit und Bosheit der Menſchenkin¬
der, und insbeſondre ſeiner Nachbaren, oder
ſeiner eignen Leute, zuſammenzogen.

Anton erblickte ihn zuerſt in einer gruͤnen
Pelzmuͤtze, blauem Bruſttuch und braunen Ka¬
miſol druͤber, nebſt einer ſchwarzen Schuͤrze,
ſeiner gewoͤhnlichen Hauskleidung, und es war
ihm beim erſten Blick, als ob er in ihm einen
ſtrengen Herrn und Meiſter, ſtatt eines kuͤnf¬
tigen Freundes und Wohlthaͤters gefunden haͤtte.

Seine vorgefaßte innige Liebe verloſch, als
wenn Waſſer auf einen Funken geſchuͤttet waͤre,
da ihn die erſte kalte, trockne, gebieteriſche Miene
ſeines vermeinten Wohlthaͤters ahnden ließ, daß
er nichts weiter, wie ſein Lehrjunge ſeyn werde.

Die wenigen Tage uͤber, daß ſein Vater da
blieb, wurde noch einige Schonung gegen ihn
beobachtet; allein ſobald dieſer abgereiſt war,
mußte er eben ſo, wie der andre Lehrburſch, in
der Werkſtatt arbeiten.

Er wurde zu den niedrigſten Beſchaͤftigun¬
gen gebraucht; er mußte Holz ſpalten, Waſſer
tragen, und die Werkſtatt auskehren.

F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0093" n="83"/>
die Ruchlo&#x017F;igkeit und Bosheit der Men&#x017F;chenkin¬<lb/>
der, und insbe&#x017F;ondre &#x017F;einer Nachbaren, oder<lb/>
&#x017F;einer eignen Leute, zu&#x017F;ammenzogen.</p><lb/>
      <p>Anton erblickte ihn zuer&#x017F;t in einer gru&#x0364;nen<lb/>
Pelzmu&#x0364;tze, blauem Bru&#x017F;ttuch und braunen Ka¬<lb/>
mi&#x017F;ol dru&#x0364;ber, neb&#x017F;t einer &#x017F;chwarzen Schu&#x0364;rze,<lb/>
&#x017F;einer gewo&#x0364;hnlichen Hauskleidung, und es war<lb/>
ihm beim er&#x017F;ten Blick, als ob er in ihm einen<lb/>
&#x017F;trengen Herrn und Mei&#x017F;ter, &#x017F;tatt eines ku&#x0364;nf¬<lb/>
tigen Freundes und Wohltha&#x0364;ters gefunden ha&#x0364;tte.</p><lb/>
      <p>Seine vorgefaßte innige Liebe verlo&#x017F;ch, als<lb/>
wenn Wa&#x017F;&#x017F;er auf einen Funken ge&#x017F;chu&#x0364;ttet wa&#x0364;re,<lb/>
da ihn die er&#x017F;te kalte, trockne, gebieteri&#x017F;che Miene<lb/>
&#x017F;eines vermeinten Wohltha&#x0364;ters ahnden ließ, daß<lb/>
er nichts weiter, wie &#x017F;ein Lehrjunge &#x017F;eyn werde.</p><lb/>
      <p>Die wenigen Tage u&#x0364;ber, daß &#x017F;ein Vater da<lb/>
blieb, wurde noch einige Schonung gegen ihn<lb/>
beobachtet; allein &#x017F;obald die&#x017F;er abgerei&#x017F;t war,<lb/>
mußte er eben &#x017F;o, wie der andre Lehrbur&#x017F;ch, in<lb/>
der Werk&#x017F;tatt arbeiten.</p><lb/>
      <p>Er wurde zu den niedrig&#x017F;ten Be&#x017F;cha&#x0364;ftigun¬<lb/>
gen gebraucht; er mußte Holz &#x017F;palten, Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
tragen, und die Werk&#x017F;tatt auskehren.</p><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">F 2<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0093] die Ruchloſigkeit und Bosheit der Menſchenkin¬ der, und insbeſondre ſeiner Nachbaren, oder ſeiner eignen Leute, zuſammenzogen. Anton erblickte ihn zuerſt in einer gruͤnen Pelzmuͤtze, blauem Bruſttuch und braunen Ka¬ miſol druͤber, nebſt einer ſchwarzen Schuͤrze, ſeiner gewoͤhnlichen Hauskleidung, und es war ihm beim erſten Blick, als ob er in ihm einen ſtrengen Herrn und Meiſter, ſtatt eines kuͤnf¬ tigen Freundes und Wohlthaͤters gefunden haͤtte. Seine vorgefaßte innige Liebe verloſch, als wenn Waſſer auf einen Funken geſchuͤttet waͤre, da ihn die erſte kalte, trockne, gebieteriſche Miene ſeines vermeinten Wohlthaͤters ahnden ließ, daß er nichts weiter, wie ſein Lehrjunge ſeyn werde. Die wenigen Tage uͤber, daß ſein Vater da blieb, wurde noch einige Schonung gegen ihn beobachtet; allein ſobald dieſer abgereiſt war, mußte er eben ſo, wie der andre Lehrburſch, in der Werkſtatt arbeiten. Er wurde zu den niedrigſten Beſchaͤftigun¬ gen gebraucht; er mußte Holz ſpalten, Waſſer tragen, und die Werkſtatt auskehren. F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/93
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/93>, abgerufen am 06.10.2024.