Empfindungen, die er hier vor einem Jahre ge¬ habt hatte; sein Gefühl für Lob und Beifall ward dadurch so sehr unterdrückt, daß er zuletzt, bei¬ nahe seiner Natur zuwider eine Art von Ver¬ gnügen darin fand, sich mit den schmuzigsten Gassenbuben abzugeben, und mit ihnen gemeine Sache zu machen, bloß weil er verzweifelte, sich je die Liebe und Achtung in P. wieder zu erwer¬ ben, die er durch seine Mutter einmal verlohren hatte, welche nicht nur gegen seinen Vater, so oft er zu Hause kam, sondern auch gegen ganz fremde Leute, beständig von nichts, als von sei¬ ner schlechten Aufführung sprach, wodurch die¬ selbe denn wirklick anfing, schlecht zu werden und sein Herz sich zu verschlimmern schien.
Er kam auch nun seltner in das v. F..sche Haus, und die Zeit seines diesmaligen Aufent¬ halts in P. strich für ihn höchst unangenehm und traurig vorüber, so daß er sich oft noch mit Wehmuth an die Freuden des vorigen Jahres zurückerinnerte, ob er gleich diesmal nicht so viel Schmerzen an seinem Fuß auszustehn hatte, der nun, nachdem der schadhafte Knochen herausge¬ nommen war, wieder an zu heilen fing.
Empfindungen, die er hier vor einem Jahre ge¬ habt hatte; ſein Gefuͤhl fuͤr Lob und Beifall ward dadurch ſo ſehr unterdruͤckt, daß er zuletzt, bei¬ nahe ſeiner Natur zuwider eine Art von Ver¬ gnuͤgen darin fand, ſich mit den ſchmuzigſten Gaſſenbuben abzugeben, und mit ihnen gemeine Sache zu machen, bloß weil er verzweifelte, ſich je die Liebe und Achtung in P. wieder zu erwer¬ ben, die er durch ſeine Mutter einmal verlohren hatte, welche nicht nur gegen ſeinen Vater, ſo oft er zu Hauſe kam, ſondern auch gegen ganz fremde Leute, beſtaͤndig von nichts, als von ſei¬ ner ſchlechten Auffuͤhrung ſprach, wodurch die¬ ſelbe denn wirklick anfing, ſchlecht zu werden und ſein Herz ſich zu verſchlimmern ſchien.
Er kam auch nun ſeltner in das v. F..ſche Haus, und die Zeit ſeines diesmaligen Aufent¬ halts in P. ſtrich fuͤr ihn hoͤchſt unangenehm und traurig voruͤber, ſo daß er ſich oft noch mit Wehmuth an die Freuden des vorigen Jahres zuruͤckerinnerte, ob er gleich diesmal nicht ſo viel Schmerzen an ſeinem Fuß auszuſtehn hatte, der nun, nachdem der ſchadhafte Knochen herausge¬ nommen war, wieder an zu heilen fing.
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Empfindungen, die er hier vor einem Jahre ge¬
habt hatte; ſein Gefuͤhl fuͤr Lob und Beifall ward
dadurch ſo ſehr unterdruͤckt, daß er zuletzt, bei¬
nahe ſeiner Natur zuwider eine Art von Ver¬
gnuͤgen darin fand, ſich mit den ſchmuzigſten
Gaſſenbuben abzugeben, und mit ihnen gemeine
Sache zu machen, bloß weil er verzweifelte, ſich
je die Liebe und Achtung in P. wieder zu erwer¬
ben, die er durch ſeine Mutter einmal verlohren
hatte, welche nicht nur gegen ſeinen Vater, ſo
oft er zu Hauſe kam, ſondern auch gegen ganz
fremde Leute, beſtaͤndig von nichts, als von ſei¬
ner ſchlechten Auffuͤhrung ſprach, wodurch die¬
ſelbe denn wirklick anfing, ſchlecht zu werden
und ſein Herz ſich zu verſchlimmern ſchien.
Er kam auch nun ſeltner in das v. F..ſche
Haus, und die Zeit ſeines diesmaligen Aufent¬
halts in P. ſtrich fuͤr ihn hoͤchſt unangenehm
und traurig voruͤber, ſo daß er ſich oft noch mit
Wehmuth an die Freuden des vorigen Jahres
zuruͤckerinnerte, ob er gleich diesmal nicht ſo viel
Schmerzen an ſeinem Fuß auszuſtehn hatte, der
nun, nachdem der ſchadhafte Knochen herausge¬
nommen war, wieder an zu heilen fing.
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/66>, abgerufen am 17.06.2024.
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