Vater ihm ganz kaltblütig sagte: er dürfe, wenn er studiren wolle, auf keinen Heller von ihm rech¬ nen -- wenn er sich also selbst Brod und Kleider zu verschaffen im Stande sey, so habe er gegen sein Studiren weiter nichts einzuwenden. -- In eini¬ gen Wochen würde er von H... wegreisen, und wenn Anton alsdann noch bei keinem Meister wäre, so möchte er sehen, wo er unter käme, und nach Gefallen abwarten, ob einer von den Leuten, die ihm das Studiren so eifrig anriethen, auch für seinen Lebensunterhalt sorgen würde.
Traurig und tiefsinnig ging Anton itzt umher und dachte seinem Schicksal nach -- der Gedanke zu studiren war fest in seiner Seele, und sollten sich ihm auch noch weit mehr Schwierigkeiten in den Weg setzen -- mancherlei Projekte durch¬ kreuzten sich in seinem Kopfe.-- Er erinnerte sich, gelesen zu haben, daß es einst in Griechenland einen lehrbegierigen Jüngling gab, der für seinen Unterhalt Holz haute und Wasser trug, um die Zeit, die ihm noch übrig blieb, dem Studiren wid¬ men zu können. -- Diesem Beispiele wollte er
folgen,
Vater ihm ganz kaltbluͤtig ſagte: er duͤrfe, wenn er ſtudiren wolle, auf keinen Heller von ihm rech¬ nen — wenn er ſich alſo ſelbſt Brod und Kleider zu verſchaffen im Stande ſey, ſo habe er gegen ſein Studiren weiter nichts einzuwenden. — In eini¬ gen Wochen wuͤrde er von H... wegreiſen, und wenn Anton alsdann noch bei keinem Meiſter waͤre, ſo moͤchte er ſehen, wo er unter kaͤme, und nach Gefallen abwarten, ob einer von den Leuten, die ihm das Studiren ſo eifrig anriethen, auch fuͤr ſeinen Lebensunterhalt ſorgen wuͤrde.
Traurig und tiefſinnig ging Anton itzt umher und dachte ſeinem Schickſal nach — der Gedanke zu ſtudiren war feſt in ſeiner Seele, und ſollten ſich ihm auch noch weit mehr Schwierigkeiten in den Weg ſetzen — mancherlei Projekte durch¬ kreuzten ſich in ſeinem Kopfe.— Er erinnerte ſich, geleſen zu haben, daß es einſt in Griechenland einen lehrbegierigen Juͤngling gab, der fuͤr ſeinen Unterhalt Holz haute und Waſſer trug, um die Zeit, die ihm noch uͤbrig blieb, dem Studiren wid¬ men zu koͤnnen. — Dieſem Beiſpiele wollte er
folgen,
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Vater ihm ganz kaltbluͤtig ſagte: er duͤrfe, wenn
er ſtudiren wolle, auf keinen Heller von ihm rech¬
nen — wenn er ſich alſo ſelbſt Brod und Kleider
zu verſchaffen im Stande ſey, ſo habe er gegen ſein
Studiren weiter nichts einzuwenden. — In eini¬
gen Wochen wuͤrde er von H... wegreiſen, und
wenn Anton alsdann noch bei keinem Meiſter
waͤre, ſo moͤchte er ſehen, wo er unter kaͤme, und
nach Gefallen abwarten, ob einer von den Leuten,
die ihm das Studiren ſo eifrig anriethen, auch fuͤr
ſeinen Lebensunterhalt ſorgen wuͤrde.
Traurig und tiefſinnig ging Anton itzt umher
und dachte ſeinem Schickſal nach — der Gedanke
zu ſtudiren war feſt in ſeiner Seele, und ſollten
ſich ihm auch noch weit mehr Schwierigkeiten in
den Weg ſetzen — mancherlei Projekte durch¬
kreuzten ſich in ſeinem Kopfe.— Er erinnerte ſich,
geleſen zu haben, daß es einſt in Griechenland
einen lehrbegierigen Juͤngling gab, der fuͤr ſeinen
Unterhalt Holz haute und Waſſer trug, um die
Zeit, die ihm noch uͤbrig blieb, dem Studiren wid¬
men zu koͤnnen. — Dieſem Beiſpiele wollte er
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/196>, abgerufen am 17.06.2024.
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