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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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dern, erstieg hohe Klippen, und kam auf unbe¬
wohnte Inseln, -- kurz, er realisirte sich mit
ihnen, seine ganze idealische Romanenwelt, so
gut er konnte. --

Zu Hause stellte er allerlei Spiele mit ihnen
an, wobei es oft scharf zuging -- er bela¬
gerte Städte, eroberte Vestungen von den
Büchern der Mad. Guion zusammengebaut,
mit wilden Kastanien, die er wie Bomben dar¬
auf abschoß.-- Zuweilen predigte er auch, und
seine Brüder mußten ihm zuhören. -- Das
erstemal hatte er sich denn eine Kanzel von Stüh¬
len zusammengebaut, und seine Brüder saßen
vor ihm auf Fußschemeln; er gerieth in heftigen
Affekt -- die Kanzel stürzte ein, er fiel herun¬
ter, und zerschlug mit dem Stuhle, worauf er
stand, seinen Brüdern die Köpfe. -- Das
Geschrei und die Verwirrung war allgemein --
indem trat sein Vater herein, und fing an, ihn
für die gehaltne Predigt ziemlich derbe zu be¬
lohnen. -- Antons Mutter kam dazu, und
wollte ihn den Händen seines Vaters entreißen;
da sie das nicht konnte, so nahm ihr Zorn eine
ganz entgegengesetzte Richtung, und sie fing nun

auch

dern, erſtieg hohe Klippen, und kam auf unbe¬
wohnte Inſeln, — kurz, er realiſirte ſich mit
ihnen, ſeine ganze idealiſche Romanenwelt, ſo
gut er konnte. —

Zu Hauſe ſtellte er allerlei Spiele mit ihnen
an, wobei es oft ſcharf zuging — er bela¬
gerte Staͤdte, eroberte Veſtungen von den
Buͤchern der Mad. Guion zuſammengebaut,
mit wilden Kaſtanien, die er wie Bomben dar¬
auf abſchoß.— Zuweilen predigte er auch, und
ſeine Bruͤder mußten ihm zuhoͤren. — Das
erſtemal hatte er ſich denn eine Kanzel von Stuͤh¬
len zuſammengebaut, und ſeine Bruͤder ſaßen
vor ihm auf Fußſchemeln; er gerieth in heftigen
Affekt — die Kanzel ſtuͤrzte ein, er fiel herun¬
ter, und zerſchlug mit dem Stuhle, worauf er
ſtand, ſeinen Bruͤdern die Koͤpfe. — Das
Geſchrei und die Verwirrung war allgemein —
indem trat ſein Vater herein, und fing an, ihn
fuͤr die gehaltne Predigt ziemlich derbe zu be¬
lohnen. — Antons Mutter kam dazu, und
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da ſie das nicht konnte, ſo nahm ihr Zorn eine
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[168/0178] dern, erſtieg hohe Klippen, und kam auf unbe¬ wohnte Inſeln, — kurz, er realiſirte ſich mit ihnen, ſeine ganze idealiſche Romanenwelt, ſo gut er konnte. — Zu Hauſe ſtellte er allerlei Spiele mit ihnen an, wobei es oft ſcharf zuging — er bela¬ gerte Staͤdte, eroberte Veſtungen von den Buͤchern der Mad. Guion zuſammengebaut, mit wilden Kaſtanien, die er wie Bomben dar¬ auf abſchoß.— Zuweilen predigte er auch, und ſeine Bruͤder mußten ihm zuhoͤren. — Das erſtemal hatte er ſich denn eine Kanzel von Stuͤh¬ len zuſammengebaut, und ſeine Bruͤder ſaßen vor ihm auf Fußſchemeln; er gerieth in heftigen Affekt — die Kanzel ſtuͤrzte ein, er fiel herun¬ ter, und zerſchlug mit dem Stuhle, worauf er ſtand, ſeinen Bruͤdern die Koͤpfe. — Das Geſchrei und die Verwirrung war allgemein — indem trat ſein Vater herein, und fing an, ihn fuͤr die gehaltne Predigt ziemlich derbe zu be¬ lohnen. — Antons Mutter kam dazu, und wollte ihn den Haͤnden ſeines Vaters entreißen; da ſie das nicht konnte, ſo nahm ihr Zorn eine ganz entgegengeſetzte Richtung, und ſie fing nun auch

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/178>, abgerufen am 23.11.2024.