Anton freilich verloren, weil er ihm mit seinen Gedanken unmöglich folgen konnte. In der Hoffnung aber auf den ermahnenden Theil hörte er ihn dennoch mit Vergnügen an -- es war ihm dann, als wenn sich nun erst die Wolken zu¬ sammen zögen, die bald in ein wohlthätiges Gewit¬ ter oder einen sanften Regen ausbrechen würden.
Nun ging er aber einmal mit dem Gedanken in die Kirche, die Predigt des Pastor P. . . zu Hause aufzuschreiben, und auf einmal war es, als ob es, indem er zuhörte, in seiner Seele licht wurde, seine Aufmerksamkeit hatte eine neue Richtung erhalten -- vorher hatte er mit dem Herzen zugehört, jetzt hörte er zum ersten¬ male mit dem Verstande zu -- er wollte nicht nur durch einzelne Stellen erschüttert werden, sondern das Ganze der Predigt fassen, und nun fing er an, den abhandelnden Theil eben so inte¬ ressant als den ermahnenden Theil zufinden. -- Die Predigt handelte von der Nächsten-Liebe, wie glücklich die Menschen seyn würden, wenn jeder das Wohl aller übrigen, und alle übrige das Wohl jedes einzelnen zu befördern suchten. -- Nie ist ihm diese Predigt mit allen
ihren
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Anton freilich verloren, weil er ihm mit ſeinen Gedanken unmoͤglich folgen konnte. In der Hoffnung aber auf den ermahnenden Theil hoͤrte er ihn dennoch mit Vergnuͤgen an — es war ihm dann, als wenn ſich nun erſt die Wolken zu¬ ſammen zoͤgen, die bald in ein wohlthaͤtiges Gewit¬ ter oder einen ſanften Regen ausbrechen wuͤrden.
Nun ging er aber einmal mit dem Gedanken in die Kirche, die Predigt des Paſtor P. . . zu Hauſe aufzuſchreiben, und auf einmal war es, als ob es, indem er zuhoͤrte, in ſeiner Seele licht wurde, ſeine Aufmerkſamkeit hatte eine neue Richtung erhalten — vorher hatte er mit dem Herzen zugehoͤrt, jetzt hoͤrte er zum erſten¬ male mit dem Verſtande zu — er wollte nicht nur durch einzelne Stellen erſchuͤttert werden, ſondern das Ganze der Predigt faſſen, und nun fing er an, den abhandelnden Theil eben ſo inte¬ reſſant als den ermahnenden Theil zufinden. — Die Predigt handelte von der Naͤchſten-Liebe, wie gluͤcklich die Menſchen ſeyn wuͤrden, wenn jeder das Wohl aller uͤbrigen, und alle uͤbrige das Wohl jedes einzelnen zu befoͤrdern ſuchten. — Nie iſt ihm dieſe Predigt mit allen
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Anton freilich verloren, weil er ihm mit ſeinen
Gedanken unmoͤglich folgen konnte. In der
Hoffnung aber auf den ermahnenden Theil
hoͤrte er ihn dennoch mit Vergnuͤgen an — es
war ihm dann, als wenn ſich nun erſt die Wolken zu¬
ſammen zoͤgen, die bald in ein wohlthaͤtiges Gewit¬
ter oder einen ſanften Regen ausbrechen wuͤrden.
Nun ging er aber einmal mit dem Gedanken
in die Kirche, die Predigt des Paſtor P. . . zu
Hauſe aufzuſchreiben, und auf einmal war es,
als ob es, indem er zuhoͤrte, in ſeiner Seele
licht wurde, ſeine Aufmerkſamkeit hatte eine
neue Richtung erhalten — vorher hatte er mit
dem Herzen zugehoͤrt, jetzt hoͤrte er zum erſten¬
male mit dem Verſtande zu — er wollte nicht
nur durch einzelne Stellen erſchuͤttert werden,
ſondern das Ganze der Predigt faſſen, und nun
fing er an, den abhandelnden Theil eben ſo inte¬
reſſant als den ermahnenden Theil zufinden. —
Die Predigt handelte von der Naͤchſten-Liebe,
wie gluͤcklich die Menſchen ſeyn wuͤrden,
wenn jeder das Wohl aller uͤbrigen, und alle
uͤbrige das Wohl jedes einzelnen zu befoͤrdern
ſuchten. — Nie iſt ihm dieſe Predigt mit allen
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/163>, abgerufen am 17.06.2024.
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