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Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788.

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Eben diese Erscheinung aber fasst das alles in sich,
was die Wirklichkeit hätte zerstöhren müssen, wenn
sie nicht die Macht gehabt hätte, es von sich abzulö¬
sen, und bildend ausser sich darzustellen. -- So wie
jedes vollkommne Kunstwerk seinen Urheber, oder
was ihn umgiebt, würde zernichtet haben, wenn es
sich aus seiner Kraft nicht hätte entwickeln können.

In diesem Punkte treffen also Zerstöhrung und Bil¬
dung in eins zusammen -- Denn das höchste Schöne
der bildenden Künste, fasst dieselbe Summe der Zer¬
stöhrung, in einander gehüllt, auf einmal in sich,
welche die erhabenste Dichtkunst, nach dem Maass des
Schönen, auseinander gehüllt, in furchtbarer Folge
uns vor Augen legt.

Ist es nicht die immerwährende Zerstöhrung des
Einzelnen, wodurch die Gattung in ewiger Jugend
und Schönheit sich erhält?

Und ist es nicht die durch die reinste Imagination
zum Gott verkörperte Jugend und Schönheit selbst,
welche mit sanftem Geschoss die Menschen tödtet; oder
mit Köcher und Bogen zürnend einher tritt, düster und
furchtbar, wie Schrecken der Nächte -- den silbernen
Bogen spannt -- und die verderbenden Pfeile in das
Lager der Griechen sendet? --

Sobald nämlich in der vollendeten Schönheit die
Gattung sich selbst erblickt, kann sie das, worinn sie

eigent¬

Eben dieſe Erſcheinung aber faſst das alles in ſich,
was die Wirklichkeit hätte zerſtöhren müsſen, wenn
ſie nicht die Macht gehabt hätte, es von ſich abzulö¬
ſen, und bildend ausſer ſich darzuſtellen. — So wie
jedes vollkommne Kunſtwerk ſeinen Urheber, oder
was ihn umgiebt, würde zernichtet haben, wenn es
ſich aus ſeiner Kraft nicht hätte entwickeln können.

In dieſem Punkte treffen alſo Zerſtöhrung und Bil¬
dung in eins zuſammen — Denn das höchſte Schöne
der bildenden Künſte, faſst dieſelbe Summe der Zer¬
ſtöhrung, in einander gehüllt, auf einmal in ſich,
welche die erhabenſte Dichtkunſt, nach dem Maaſs des
Schönen, auseinander gehüllt, in furchtbarer Folge
uns vor Augen legt.

Iſt es nicht die immerwährende Zerſtöhrung des
Einzelnen, wodurch die Gattung in ewiger Jugend
und Schönheit ſich erhält?

Und iſt es nicht die durch die reinſte Imagination
zum Gott verkörperte Jugend und Schönheit ſelbſt,
welche mit ſanftem Geſchoſs die Menſchen tödtet; oder
mit Köcher und Bogen zürnend einher tritt, düſter und
furchtbar, wie Schrecken der Nächte — den ſilbernen
Bogen ſpannt — und die verderbenden Pfeile in das
Lager der Griechen ſendet? —

Sobald nämlich in der vollendeten Schönheit die
Gattung ſich ſelbſt erblickt, kann ſie das, worinn ſie

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[48/0054] Eben dieſe Erſcheinung aber faſst das alles in ſich, was die Wirklichkeit hätte zerſtöhren müsſen, wenn ſie nicht die Macht gehabt hätte, es von ſich abzulö¬ ſen, und bildend ausſer ſich darzuſtellen. — So wie jedes vollkommne Kunſtwerk ſeinen Urheber, oder was ihn umgiebt, würde zernichtet haben, wenn es ſich aus ſeiner Kraft nicht hätte entwickeln können. In dieſem Punkte treffen alſo Zerſtöhrung und Bil¬ dung in eins zuſammen — Denn das höchſte Schöne der bildenden Künſte, faſst dieſelbe Summe der Zer¬ ſtöhrung, in einander gehüllt, auf einmal in ſich, welche die erhabenſte Dichtkunſt, nach dem Maaſs des Schönen, auseinander gehüllt, in furchtbarer Folge uns vor Augen legt. Iſt es nicht die immerwährende Zerſtöhrung des Einzelnen, wodurch die Gattung in ewiger Jugend und Schönheit ſich erhält? Und iſt es nicht die durch die reinſte Imagination zum Gott verkörperte Jugend und Schönheit ſelbſt, welche mit ſanftem Geſchoſs die Menſchen tödtet; oder mit Köcher und Bogen zürnend einher tritt, düſter und furchtbar, wie Schrecken der Nächte — den ſilbernen Bogen ſpannt — und die verderbenden Pfeile in das Lager der Griechen ſendet? — Sobald nämlich in der vollendeten Schönheit die Gattung ſich ſelbſt erblickt, kann ſie das, worinn ſie eigent¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788/54>, abgerufen am 28.11.2024.