Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788.Denn in der Duldung liegt der Kern zu jeder hö¬ Je weniger wir nämlich das schadende und ver¬ Wir können aber das vernichtende Vollkommnere Denn in sofern das Schöne alles Mangelhafte von eins
Denn in der Duldung liegt der Kern zu jeder hö¬ Je weniger wir nämlich das ſchadende und ver¬ Wir können aber das vernichtende Vollkommnere Denn in ſofern das Schöne alles Mangelhafte von eins
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0052" n="46"/> <p>Denn in der Duldung liegt der Kern zu jeder hö¬<lb/> hern Entwicklung; und die Freude ſelbſt nimmt, wo<lb/> ſie am höchſten ſteigt, von der jungfräulichen Hoff¬<lb/> nung und dem geliebten Kummer, mit ſüsſen Thränen,<lb/> Abſchied. — Der freudige Stoff der Dichtkunſt löſst<lb/> ſich in ſich ſelber, der tragiſche in der Veredlung un¬<lb/> ſres Weſens durch das Mitleid, auf.</p><lb/> <p>Je weniger wir nämlich das ſchadende und ver¬<lb/> nichtende ſelbſt vertilgt wünſchen, und uns dennoch<lb/> nicht enthalten können, vor der nahen, unvermeidlichen<lb/> Vernichtung eines Weſens unſrer Art, zu zittern, um<lb/> deſto edler und reiner muſs unſer Mitleid werden, weil<lb/> es mit keiner Bitterkeit und keinem Haſs gegen die<lb/> zerſtöhrende Obermacht mehr vermiſcht iſt, ſondern<lb/> ganz in ſich ſelbſt verſunken, ſich zu der unaufhalt¬<lb/> baren Thräne ründet, worinn unſer ganzes mitleiden¬<lb/> des Weſen, aus ſeinem zarteſten Vollendungspunkte,<lb/> ſich aufzulöſen und zu zerfliesſen ſtrebt.</p><lb/> <p>Wir können aber das vernichtende Vollkommnere<lb/> in ſofern nicht vertilgt wünſchen, als wir uns zugleich<lb/> ſelbſt in ihm doppelt vernichtet fühlen würden. —</p><lb/> <p>Denn in ſofern das Schöne alles Mangelhafte von<lb/> ſich ausſchlieſst, begreift es auch alles Wirkliche in<lb/> ſich, das bloſs durch ſein Mangelhaftes ſich von dem<lb/> Schönen unterſcheidet, und eben deswegen ſich un¬<lb/> widerſtehlich von ihm angezogen fühlt, und mit ihm<lb/> <fw place="bottom" type="catch">eins<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [46/0052]
Denn in der Duldung liegt der Kern zu jeder hö¬
hern Entwicklung; und die Freude ſelbſt nimmt, wo
ſie am höchſten ſteigt, von der jungfräulichen Hoff¬
nung und dem geliebten Kummer, mit ſüsſen Thränen,
Abſchied. — Der freudige Stoff der Dichtkunſt löſst
ſich in ſich ſelber, der tragiſche in der Veredlung un¬
ſres Weſens durch das Mitleid, auf.
Je weniger wir nämlich das ſchadende und ver¬
nichtende ſelbſt vertilgt wünſchen, und uns dennoch
nicht enthalten können, vor der nahen, unvermeidlichen
Vernichtung eines Weſens unſrer Art, zu zittern, um
deſto edler und reiner muſs unſer Mitleid werden, weil
es mit keiner Bitterkeit und keinem Haſs gegen die
zerſtöhrende Obermacht mehr vermiſcht iſt, ſondern
ganz in ſich ſelbſt verſunken, ſich zu der unaufhalt¬
baren Thräne ründet, worinn unſer ganzes mitleiden¬
des Weſen, aus ſeinem zarteſten Vollendungspunkte,
ſich aufzulöſen und zu zerfliesſen ſtrebt.
Wir können aber das vernichtende Vollkommnere
in ſofern nicht vertilgt wünſchen, als wir uns zugleich
ſelbſt in ihm doppelt vernichtet fühlen würden. —
Denn in ſofern das Schöne alles Mangelhafte von
ſich ausſchlieſst, begreift es auch alles Wirkliche in
ſich, das bloſs durch ſein Mangelhaftes ſich von dem
Schönen unterſcheidet, und eben deswegen ſich un¬
widerſtehlich von ihm angezogen fühlt, und mit ihm
eins
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |