haben; allein ihn täuschte auf dem Gipfel seines eingebildeten Glücks ein Blendwerk: statt der Juno umarmte er eine Wolke; aus dieser Um- armung entstand wiederum ein täuschendes Bild, ein bloßes Geschöpf der Phantasie, die fabelhaften Centauren, wo Mann und Roß ein Körper sind. Die vermeßnen Ansprüche dieses Sterblichen auf die Umfassung des Hohen und Himmlischen wur- den nicht nur getäuscht, sondern auch bestraft. -- Ixion ward plötzlich von dieser Höhe in den Tar- tarus hinabgeschleudert, wo er an ein Rad gefes- selt, sich ewig im Kreise drehet, und so für seine frevelnden Wünsche büßet, die ihn die Grenzen der Menschheit übersteigen ließen. Die immer- währende Unruhe bleibt, aber sie ist zweckloß, gleich dem mühevollen Rade menschlicher Bestre- bungen, die sich nur um sich selber drehen.
Phlegyas.
Einer der tapfersten und kriegrischsten Fürsten Griechenlands war Phlegyas, der eine Stadt er- baute, die er nach seinem Nahmen nannte, und sie mit den ausgesuchtesten, tapfersten Kriegern bevölkerte. Man nannte sie die Söhne des Mars, und Schrecken ging vor ihnen her, wohin sie ka- men. -- Als nun Apollo dem Phlegyas seine Toch- ter Koronis entführte, so setzte dieser seinem Zorn
haben; allein ihn taͤuſchte auf dem Gipfel ſeines eingebildeten Gluͤcks ein Blendwerk: ſtatt der Juno umarmte er eine Wolke; aus dieſer Um- armung entſtand wiederum ein taͤuſchendes Bild, ein bloßes Geſchoͤpf der Phantaſie, die fabelhaften Centauren, wo Mann und Roß ein Koͤrper ſind. Die vermeßnen Anſpruͤche dieſes Sterblichen auf die Umfaſſung des Hohen und Himmliſchen wur- den nicht nur getaͤuſcht, ſondern auch beſtraft. — Ixion ward ploͤtzlich von dieſer Hoͤhe in den Tar- tarus hinabgeſchleudert, wo er an ein Rad gefeſ- ſelt, ſich ewig im Kreiſe drehet, und ſo fuͤr ſeine frevelnden Wuͤnſche buͤßet, die ihn die Grenzen der Menſchheit uͤberſteigen ließen. Die immer- waͤhrende Unruhe bleibt, aber ſie iſt zweckloß, gleich dem muͤhevollen Rade menſchlicher Beſtre- bungen, die ſich nur um ſich ſelber drehen.
Phlegyas.
Einer der tapferſten und kriegriſchſten Fuͤrſten Griechenlands war Phlegyas, der eine Stadt er- baute, die er nach ſeinem Nahmen nannte, und ſie mit den ausgeſuchteſten, tapferſten Kriegern bevoͤlkerte. Man nannte ſie die Soͤhne des Mars, und Schrecken ging vor ihnen her, wohin ſie ka- men. — Als nun Apollo dem Phlegyas ſeine Toch- ter Koronis entfuͤhrte, ſo ſetzte dieſer ſeinem Zorn
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haben; allein ihn taͤuſchte auf dem Gipfel ſeines
eingebildeten Gluͤcks ein Blendwerk: ſtatt der
Juno umarmte er eine Wolke; aus dieſer Um-
armung entſtand wiederum ein taͤuſchendes Bild,
ein bloßes Geſchoͤpf der Phantaſie, die fabelhaften
Centauren, wo Mann und Roß ein Koͤrper ſind.
Die vermeßnen Anſpruͤche dieſes Sterblichen auf
die Umfaſſung des Hohen und Himmliſchen wur-
den nicht nur getaͤuſcht, ſondern auch beſtraft. —
Ixion ward ploͤtzlich von dieſer Hoͤhe in den Tar-
tarus hinabgeſchleudert, wo er an ein Rad gefeſ-
ſelt, ſich ewig im Kreiſe drehet, und ſo fuͤr ſeine
frevelnden Wuͤnſche buͤßet, die ihn die Grenzen
der Menſchheit uͤberſteigen ließen. Die immer-
waͤhrende Unruhe bleibt, aber ſie iſt zweckloß,
gleich dem muͤhevollen Rade menſchlicher Beſtre-
bungen, die ſich nur um ſich ſelber drehen.
Phlegyas.
Einer der tapferſten und kriegriſchſten Fuͤrſten
Griechenlands war Phlegyas, der eine Stadt er-
baute, die er nach ſeinem Nahmen nannte, und
ſie mit den ausgeſuchteſten, tapferſten Kriegern
bevoͤlkerte. Man nannte ſie die Soͤhne des Mars,
und Schrecken ging vor ihnen her, wohin ſie ka-
men. — Als nun Apollo dem Phlegyas ſeine Toch-
ter Koronis entfuͤhrte, ſo ſetzte dieſer ſeinem Zorn
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/471>, abgerufen am 24.11.2024.
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