heul der Klage um die Todten; Pyriphlegeton wälzt sich mit Flammen fort; des über alles furcht- baren Styx ist in dem Abschnitt von den alten Göttern schon gedacht; nur aus dem wohlthäti- gen Lethe trinken die Seelen der Abgeschiednen Vergessenheit der Sorgen und alles Kummers, der sie im Leben drückte. --
Auch deutete im Grunde die ganze Dichtung vom Ades oder Pluto auf das Grab, dessen enge Grenzen die Phantasie zu einer Schattenwelt sich erweiterte. Man nannte daher auch in den Dich- tungen das Reich des Pluto ein ödes, leeres Reich, und seine Behausung ein enges Haus. -- Auf Grab und Verwesung zielt der morsche Kahn des Charon, der auf dem schwarzen sumpfigten Flusse, welcher kaum nur fortkriecht, des Schlam- mes viel durch seine Ritzen schöpft, sobald ihn eine ungewohnte Last beschwert.
Auch werden die Todten immer wie in einer Art von Traumwelt dargestellt; sie selbst sind leere Schattenbilder, die erscheinen und verschwin- den, und denen doch die Entbehrung von demje- nigen fühlbar ist, was sie besaßen; die immer noch wie im Leben thätig zu seyn sich fruchtlos an- strengen, wie einer, der im ängstlichen Traume vergebens sich abarbeitet, indem er zu schreien sich bemüht, und kaum einen schwachen Laut her- vorbringt.
heul der Klage um die Todten; Pyriphlegeton waͤlzt ſich mit Flammen fort; des uͤber alles furcht- baren Styx iſt in dem Abſchnitt von den alten Goͤttern ſchon gedacht; nur aus dem wohlthaͤti- gen Lethe trinken die Seelen der Abgeſchiednen Vergeſſenheit der Sorgen und alles Kummers, der ſie im Leben druͤckte. —
Auch deutete im Grunde die ganze Dichtung vom Ades oder Pluto auf das Grab, deſſen enge Grenzen die Phantaſie zu einer Schattenwelt ſich erweiterte. Man nannte daher auch in den Dich- tungen das Reich des Pluto ein oͤdes, leeres Reich, und ſeine Behauſung ein enges Haus. — Auf Grab und Verweſung zielt der morſche Kahn des Charon, der auf dem ſchwarzen ſumpfigten Fluſſe, welcher kaum nur fortkriecht, des Schlam- mes viel durch ſeine Ritzen ſchoͤpft, ſobald ihn eine ungewohnte Laſt beſchwert.
Auch werden die Todten immer wie in einer Art von Traumwelt dargeſtellt; ſie ſelbſt ſind leere Schattenbilder, die erſcheinen und verſchwin- den, und denen doch die Entbehrung von demje- nigen fuͤhlbar iſt, was ſie beſaßen; die immer noch wie im Leben thaͤtig zu ſeyn ſich fruchtlos an- ſtrengen, wie einer, der im aͤngſtlichen Traume vergebens ſich abarbeitet, indem er zu ſchreien ſich bemuͤht, und kaum einen ſchwachen Laut her- vorbringt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0463"n="389"/>
heul der Klage um die Todten; <hirendition="#fr">Pyriphlegeton</hi><lb/>
waͤlzt ſich mit Flammen fort; des uͤber alles furcht-<lb/>
baren <hirendition="#fr">Styx</hi> iſt in dem Abſchnitt von den <hirendition="#fr">alten<lb/>
Goͤttern</hi>ſchon gedacht; nur aus dem wohlthaͤti-<lb/>
gen <hirendition="#fr">Lethe</hi> trinken die Seelen der Abgeſchiednen<lb/>
Vergeſſenheit der Sorgen und alles Kummers,<lb/>
der ſie im Leben druͤckte. —</p><lb/><p>Auch deutete im Grunde die ganze Dichtung<lb/>
vom Ades oder Pluto auf das <hirendition="#fr">Grab,</hi> deſſen enge<lb/>
Grenzen die Phantaſie zu einer Schattenwelt ſich<lb/>
erweiterte. Man nannte daher auch in den Dich-<lb/>
tungen das Reich des Pluto ein <hirendition="#fr">oͤdes, leeres<lb/>
Reich,</hi> und ſeine Behauſung ein <hirendition="#fr">enges Haus.</hi>—<lb/>
Auf Grab und Verweſung zielt der <hirendition="#fr">morſche</hi> Kahn<lb/>
des Charon, der auf dem ſchwarzen ſumpfigten<lb/>
Fluſſe, welcher kaum nur fortkriecht, des Schlam-<lb/>
mes viel durch ſeine Ritzen ſchoͤpft, ſobald ihn eine<lb/>
ungewohnte Laſt beſchwert.</p><lb/><p>Auch werden die Todten immer wie in einer<lb/>
Art von <hirendition="#fr">Traumwelt</hi> dargeſtellt; ſie ſelbſt ſind<lb/>
leere Schattenbilder, die erſcheinen und verſchwin-<lb/>
den, und denen doch die Entbehrung von demje-<lb/>
nigen fuͤhlbar iſt, was ſie beſaßen; die immer<lb/>
noch wie im Leben thaͤtig zu ſeyn ſich fruchtlos an-<lb/>ſtrengen, wie einer, der im aͤngſtlichen Traume<lb/>
vergebens ſich abarbeitet, indem er zu ſchreien<lb/>ſich bemuͤht, und kaum einen ſchwachen Laut her-<lb/>
vorbringt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[389/0463]
heul der Klage um die Todten; Pyriphlegeton
waͤlzt ſich mit Flammen fort; des uͤber alles furcht-
baren Styx iſt in dem Abſchnitt von den alten
Goͤttern ſchon gedacht; nur aus dem wohlthaͤti-
gen Lethe trinken die Seelen der Abgeſchiednen
Vergeſſenheit der Sorgen und alles Kummers,
der ſie im Leben druͤckte. —
Auch deutete im Grunde die ganze Dichtung
vom Ades oder Pluto auf das Grab, deſſen enge
Grenzen die Phantaſie zu einer Schattenwelt ſich
erweiterte. Man nannte daher auch in den Dich-
tungen das Reich des Pluto ein oͤdes, leeres
Reich, und ſeine Behauſung ein enges Haus. —
Auf Grab und Verweſung zielt der morſche Kahn
des Charon, der auf dem ſchwarzen ſumpfigten
Fluſſe, welcher kaum nur fortkriecht, des Schlam-
mes viel durch ſeine Ritzen ſchoͤpft, ſobald ihn eine
ungewohnte Laſt beſchwert.
Auch werden die Todten immer wie in einer
Art von Traumwelt dargeſtellt; ſie ſelbſt ſind
leere Schattenbilder, die erſcheinen und verſchwin-
den, und denen doch die Entbehrung von demje-
nigen fuͤhlbar iſt, was ſie beſaßen; die immer
noch wie im Leben thaͤtig zu ſeyn ſich fruchtlos an-
ſtrengen, wie einer, der im aͤngſtlichen Traume
vergebens ſich abarbeitet, indem er zu ſchreien
ſich bemuͤht, und kaum einen ſchwachen Laut her-
vorbringt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/463>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.