Apollo erzeugte nehmlich den Aeskulap mit der Koronis, der Tochter eines Thessalischen Königs. Als Koronis mit dem Ischys einer heimlichen Liebe pflog, bestrafte Apollo ihre Untreue mit dem Tode; den Aeskulap aber, mit dem sie schwanger war, rettete er noch, da sie schon auf dem Schei- terhaufen lag.
Nun wurde der Göttersohn in der Höhle des weisen Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wis- senschaft, und vorzüglich in der Kräuterkunde unterwieß, welche Wissenschaft Aeskulap zu einer Wohlthäterin der Menschheit machte, indem er die Kräfte der Pflanzen erforschend, die mannich- faltigsten Heilmittel für die mannichfaltigen Krank- heiten des Körpers daraus erfand.
Er trieb diese Kunst so weit, daß die Dich- tung von ihm sagt, es sey ihm mehrere Male ge- lungen, den Todten selbst wieder Leben einzuhau- chen. -- Darüber zürnte die immerzerstörende Macht, das immerverschlingende Grab, und die Gewalt des schrecklichen Pluto, die den Erwecker der Todten, als einen kühnen und vermeßnen Frevler beim Donnerer verklagte. Dieser ließ den Aeskulap, so wie den Prometheus, für seine Wohlthat an den Menschen büßen -- und schleu- derte seine Blitze auf das schuldlose Haupt. -- Der die Schmerzen der Menschen linderte und ihre
Apollo erzeugte nehmlich den Aeſkulap mit der Koronis, der Tochter eines Theſſaliſchen Koͤnigs. Als Koronis mit dem Iſchys einer heimlichen Liebe pflog, beſtrafte Apollo ihre Untreue mit dem Tode; den Aeſkulap aber, mit dem ſie ſchwanger war, rettete er noch, da ſie ſchon auf dem Schei- terhaufen lag.
Nun wurde der Goͤtterſohn in der Hoͤhle des weiſen Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wiſ- ſenſchaft, und vorzuͤglich in der Kraͤuterkunde unterwieß, welche Wiſſenſchaft Aeſkulap zu einer Wohlthaͤterin der Menſchheit machte, indem er die Kraͤfte der Pflanzen erforſchend, die mannich- faltigſten Heilmittel fuͤr die mannichfaltigen Krank- heiten des Koͤrpers daraus erfand.
Er trieb dieſe Kunſt ſo weit, daß die Dich- tung von ihm ſagt, es ſey ihm mehrere Male ge- lungen, den Todten ſelbſt wieder Leben einzuhau- chen. — Daruͤber zuͤrnte die immerzerſtoͤrende Macht, das immerverſchlingende Grab, und die Gewalt des ſchrecklichen Pluto, die den Erwecker der Todten, als einen kuͤhnen und vermeßnen Frevler beim Donnerer verklagte. Dieſer ließ den Aeſkulap, ſo wie den Prometheus, fuͤr ſeine Wohlthat an den Menſchen buͤßen — und ſchleu- derte ſeine Blitze auf das ſchuldloſe Haupt. — Der die Schmerzen der Menſchen linderte und ihre
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Apollo erzeugte nehmlich den Aeſkulap mit der
Koronis, der Tochter eines Theſſaliſchen Koͤnigs.
Als Koronis mit dem Iſchys einer heimlichen
Liebe pflog, beſtrafte Apollo ihre Untreue mit dem
Tode; den Aeſkulap aber, mit dem ſie ſchwanger
war, rettete er noch, da ſie ſchon auf dem Schei-
terhaufen lag.
Nun wurde der Goͤtterſohn in der Hoͤhle des
weiſen Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wiſ-
ſenſchaft, und vorzuͤglich in der Kraͤuterkunde
unterwieß, welche Wiſſenſchaft Aeſkulap zu einer
Wohlthaͤterin der Menſchheit machte, indem er
die Kraͤfte der Pflanzen erforſchend, die mannich-
faltigſten Heilmittel fuͤr die mannichfaltigen Krank-
heiten des Koͤrpers daraus erfand.
Er trieb dieſe Kunſt ſo weit, daß die Dich-
tung von ihm ſagt, es ſey ihm mehrere Male ge-
lungen, den Todten ſelbſt wieder Leben einzuhau-
chen. — Daruͤber zuͤrnte die immerzerſtoͤrende
Macht, das immerverſchlingende Grab, und die
Gewalt des ſchrecklichen Pluto, die den Erwecker
der Todten, als einen kuͤhnen und vermeßnen
Frevler beim Donnerer verklagte. Dieſer ließ den
Aeſkulap, ſo wie den Prometheus, fuͤr ſeine
Wohlthat an den Menſchen buͤßen — und ſchleu-
derte ſeine Blitze auf das ſchuldloſe Haupt. —
Der die Schmerzen der Menſchen linderte und ihre
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/393>, abgerufen am 22.12.2024.
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