Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Finstere, Irrdische und Tiefe ist die
Mutter des Himmlischen, Hohen, und Leuchten-
den. Die Erde erzeugt aus sich selbst den Uranos
oder den Himmel, der sie umwölbet. Es ist
die dunkele und feste Körpermasse, welche von
Licht und Klarheit umgeben den Saamen der
Dinge in sich einschließt, und aus deren Schoße
alle Erzeugungen sich entwickeln.

Nachdem die Erde auch aus sich selber die
Berge und den Pontus oder das Meer erzeugt
hat, vermählt sie sich mit dem umwölbenden Ura-
nos, und gebiert ihm starke Söhne und Töchter,
die selbst ihrem Erzeuger furchtbar werden.

Hundertärmige Riesen, den Kottus, Gyges,
und Briareus; ungeheure Cyklopen, den Bron-
tes, Steropes,
und Arges; herrschsüchtige und
mit weit um sich greifender Macht gerüstete Tita-
nen, den Cöus, Krius, Hyperion, und Japet;
den Oceanus; die mächtigen Titaniden, die Thia,
die Rhea, die Themis, die Mnemosyne, die
Phöbe, die Thethys, und den Saturnus oder
Kronos, den jüngsten unter den Titanen.

Diese Kinder der Erde und des Himmels aber
erblicken das Licht des Tages nicht; sondern wer-
den von ihrem Erzeuger, der ihre angebohrne
Macht scheuet, sobald sie gebohren sind, wieder
in den Tartarus eingekerkert. Das Chaos be-
hauptet noch seine Rechte. Die Bildungen schwan-

Das Finſtere, Irrdiſche und Tiefe iſt die
Mutter des Himmliſchen, Hohen, und Leuchten-
den. Die Erde erzeugt aus ſich ſelbſt den Uranos
oder den Himmel, der ſie umwoͤlbet. Es iſt
die dunkele und feſte Koͤrpermaſſe, welche von
Licht und Klarheit umgeben den Saamen der
Dinge in ſich einſchließt, und aus deren Schoße
alle Erzeugungen ſich entwickeln.

Nachdem die Erde auch aus ſich ſelber die
Berge und den Pontus oder das Meer erzeugt
hat, vermaͤhlt ſie ſich mit dem umwoͤlbenden Ura-
nos, und gebiert ihm ſtarke Soͤhne und Toͤchter,
die ſelbſt ihrem Erzeuger furchtbar werden.

Hundertaͤrmige Rieſen, den Kottus, Gyges,
und Briareus; ungeheure Cyklopen, den Bron-
tes, Steropes,
und Arges; herrſchſuͤchtige und
mit weit um ſich greifender Macht geruͤſtete Tita-
nen, den Coͤus, Krius, Hyperion, und Japet;
den Oceanus; die maͤchtigen Titaniden, die Thia,
die Rhea, die Themis, die Mnemoſyne, die
Phoͤbe, die Thethys, und den Saturnus oder
Kronos, den juͤngſten unter den Titanen.

Dieſe Kinder der Erde und des Himmels aber
erblicken das Licht des Tages nicht; ſondern wer-
den von ihrem Erzeuger, der ihre angebohrne
Macht ſcheuet, ſobald ſie gebohren ſind, wieder
in den Tartarus eingekerkert. Das Chaos be-
hauptet noch ſeine Rechte. Die Bildungen ſchwan-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0034" n="14"/>
        <p>Das Fin&#x017F;tere, Irrdi&#x017F;che und Tiefe i&#x017F;t die<lb/>
Mutter des Himmli&#x017F;chen, Hohen, und Leuchten-<lb/>
den. Die Erde erzeugt aus &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t den <hi rendition="#fr">Uranos</hi><lb/>
oder den Himmel, der &#x017F;ie umwo&#x0364;lbet. Es i&#x017F;t<lb/>
die dunkele und fe&#x017F;te Ko&#x0364;rperma&#x017F;&#x017F;e, welche von<lb/>
Licht und Klarheit umgeben den Saamen der<lb/>
Dinge in &#x017F;ich ein&#x017F;chließt, und aus deren Schoße<lb/>
alle Erzeugungen &#x017F;ich entwickeln.</p><lb/>
        <p>Nachdem die Erde auch aus &#x017F;ich &#x017F;elber die<lb/>
Berge und den <hi rendition="#fr">Pontus</hi> oder das Meer erzeugt<lb/>
hat, verma&#x0364;hlt &#x017F;ie &#x017F;ich mit dem umwo&#x0364;lbenden Ura-<lb/>
nos, und gebiert ihm &#x017F;tarke So&#x0364;hne und To&#x0364;chter,<lb/>
die &#x017F;elb&#x017F;t ihrem Erzeuger furchtbar werden.</p><lb/>
        <p>Hunderta&#x0364;rmige Rie&#x017F;en, den <hi rendition="#fr">Kottus, Gyges,</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Briareus;</hi> ungeheure Cyklopen, den <hi rendition="#fr">Bron-<lb/>
tes, Steropes,</hi> und <hi rendition="#fr">Arges;</hi> herr&#x017F;ch&#x017F;u&#x0364;chtige und<lb/>
mit weit um &#x017F;ich greifender Macht geru&#x0364;&#x017F;tete Tita-<lb/>
nen, den <hi rendition="#fr">Co&#x0364;us, Krius, Hyperion,</hi> und <hi rendition="#fr">Japet;</hi><lb/>
den <hi rendition="#fr">Oceanus;</hi> die ma&#x0364;chtigen <hi rendition="#fr">Titaniden,</hi> die <hi rendition="#fr">Thia,</hi><lb/>
die <hi rendition="#fr">Rhea,</hi> die <hi rendition="#fr">Themis,</hi> die <hi rendition="#fr">Mnemo&#x017F;yne,</hi> die<lb/><hi rendition="#fr">Pho&#x0364;be,</hi> die <hi rendition="#fr">Thethys,</hi> und den <hi rendition="#fr">Saturnus</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">Kronos,</hi> den ju&#x0364;ng&#x017F;ten unter den Titanen.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Kinder der Erde und des Himmels aber<lb/>
erblicken das Licht des Tages nicht; &#x017F;ondern wer-<lb/>
den von ihrem Erzeuger, der ihre angebohrne<lb/>
Macht &#x017F;cheuet, &#x017F;obald &#x017F;ie gebohren &#x017F;ind, wieder<lb/>
in den Tartarus eingekerkert. Das <hi rendition="#fr">Chaos</hi> be-<lb/>
hauptet noch &#x017F;eine Rechte. Die Bildungen &#x017F;chwan-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0034] Das Finſtere, Irrdiſche und Tiefe iſt die Mutter des Himmliſchen, Hohen, und Leuchten- den. Die Erde erzeugt aus ſich ſelbſt den Uranos oder den Himmel, der ſie umwoͤlbet. Es iſt die dunkele und feſte Koͤrpermaſſe, welche von Licht und Klarheit umgeben den Saamen der Dinge in ſich einſchließt, und aus deren Schoße alle Erzeugungen ſich entwickeln. Nachdem die Erde auch aus ſich ſelber die Berge und den Pontus oder das Meer erzeugt hat, vermaͤhlt ſie ſich mit dem umwoͤlbenden Ura- nos, und gebiert ihm ſtarke Soͤhne und Toͤchter, die ſelbſt ihrem Erzeuger furchtbar werden. Hundertaͤrmige Rieſen, den Kottus, Gyges, und Briareus; ungeheure Cyklopen, den Bron- tes, Steropes, und Arges; herrſchſuͤchtige und mit weit um ſich greifender Macht geruͤſtete Tita- nen, den Coͤus, Krius, Hyperion, und Japet; den Oceanus; die maͤchtigen Titaniden, die Thia, die Rhea, die Themis, die Mnemoſyne, die Phoͤbe, die Thethys, und den Saturnus oder Kronos, den juͤngſten unter den Titanen. Dieſe Kinder der Erde und des Himmels aber erblicken das Licht des Tages nicht; ſondern wer- den von ihrem Erzeuger, der ihre angebohrne Macht ſcheuet, ſobald ſie gebohren ſind, wieder in den Tartarus eingekerkert. Das Chaos be- hauptet noch ſeine Rechte. Die Bildungen ſchwan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/34
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/34>, abgerufen am 22.11.2024.