Mit seiner Macht und Hoheit vereint sich die ganze Fülle der Jugendkraft, welche durch nichts gehemmt ist. -- Der Himmel faßt die Fülle sei- nes Wesens nicht. -- Um seine Götterkraft in manchem Heldenstamme auf Erden fortzupflan- zen, richtete er auf die Töchter der Sterblichen seine Blicke; und damit sie Semelens Schicksal nicht erführen, hüllte der Allesdurchwebende in täuschende Gestalten seine Gottheit ein.
Von seinem hohen Sitze senkte er sich, in dem goldnen Regen, in Danaens Schooß hernieder, und erzeugte mit ihr den tapfern Perseus, der die Ungeheuer mit mächtigem Arm besiegte.
Mit dem majestätischen Schwanenhalse schmiegte er sich an Ledas Busen, und sie gebahr den edelmüthigen Pollux, und die göttliche Hele- na, das schönste Weib auf Erden, aus Jupiters Umarmung.
In der Kraft des muthigen Stiers, lud er mit sanftem Blick, die jungfräuliche Europa auf seinen Rücken ein, und trug sie durch die Meeres- fluthen an Kretas Ufer, wo er den Minos mit ihr erzeugte, der den Völkern Gesetze gab, und über sie mit Macht und Weisheit herrschte.
Auch die Thiergestalten sind in diesen Dich- tungen heilig, wo man unter dem Bilde der Gott-
Mit ſeiner Macht und Hoheit vereint ſich die ganze Fuͤlle der Jugendkraft, welche durch nichts gehemmt iſt. — Der Himmel faßt die Fuͤlle ſei- nes Weſens nicht. — Um ſeine Goͤtterkraft in manchem Heldenſtamme auf Erden fortzupflan- zen, richtete er auf die Toͤchter der Sterblichen ſeine Blicke; und damit ſie Semelens Schickſal nicht erfuͤhren, huͤllte der Allesdurchwebende in taͤuſchende Geſtalten ſeine Gottheit ein.
Von ſeinem hohen Sitze ſenkte er ſich, in dem goldnen Regen, in Danaens Schooß hernieder, und erzeugte mit ihr den tapfern Perſeus, der die Ungeheuer mit maͤchtigem Arm beſiegte.
Mit dem majeſtaͤtiſchen Schwanenhalſe ſchmiegte er ſich an Ledas Buſen, und ſie gebahr den edelmuͤthigen Pollux, und die goͤttliche Hele- na, das ſchoͤnſte Weib auf Erden, aus Jupiters Umarmung.
In der Kraft des muthigen Stiers, lud er mit ſanftem Blick, die jungfraͤuliche Europa auf ſeinen Ruͤcken ein, und trug ſie durch die Meeres- fluthen an Kretas Ufer, wo er den Minos mit ihr erzeugte, der den Voͤlkern Geſetze gab, und uͤber ſie mit Macht und Weisheit herrſchte.
Auch die Thiergeſtalten ſind in dieſen Dich- tungen heilig, wo man unter dem Bilde der Gott-
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Mit ſeiner Macht und Hoheit vereint ſich die
ganze Fuͤlle der Jugendkraft, welche durch nichts
gehemmt iſt. — Der Himmel faßt die Fuͤlle ſei-
nes Weſens nicht. — Um ſeine Goͤtterkraft in
manchem Heldenſtamme auf Erden fortzupflan-
zen, richtete er auf die Toͤchter der Sterblichen
ſeine Blicke; und damit ſie Semelens Schickſal
nicht erfuͤhren, huͤllte der Allesdurchwebende in
taͤuſchende Geſtalten ſeine Gottheit ein.
Von ſeinem hohen Sitze ſenkte er ſich, in dem
goldnen Regen, in Danaens Schooß hernieder,
und erzeugte mit ihr den tapfern Perſeus, der die
Ungeheuer mit maͤchtigem Arm beſiegte.
Mit dem majeſtaͤtiſchen Schwanenhalſe
ſchmiegte er ſich an Ledas Buſen, und ſie gebahr
den edelmuͤthigen Pollux, und die goͤttliche Hele-
na, das ſchoͤnſte Weib auf Erden, aus Jupiters
Umarmung.
In der Kraft des muthigen Stiers, lud er
mit ſanftem Blick, die jungfraͤuliche Europa auf
ſeinen Ruͤcken ein, und trug ſie durch die Meeres-
fluthen an Kretas Ufer, wo er den Minos mit
ihr erzeugte, der den Voͤlkern Geſetze gab, und
uͤber ſie mit Macht und Weisheit herrſchte.
Auch die Thiergeſtalten ſind in dieſen Dich-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/112>, abgerufen am 27.11.2024.
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