Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792."Ha! erwiederte er, Sie glauben wahrscheinlich auch, daß der Jude in H. mein Vater sei? ich bin nicht von jüdischen Eltern, wenigstens nicht von einem jüdischen Vater gezeugt worden. Jch trage auch das Kennzeichen eines Juden an meinem Körper nicht; und das schützt mich, daß L., den Sie kennen, und der mir ähnlich sieht, sich nicht für mich ausgeben kann, so gern er auch wollte." Jch muß hier anmerken, daß ich ihn oft genug nackt gesehn, und mich von der Falschheit dieser seiner Behauptung zu überzeugen, mehr als eine Gelegenheit gehabt hatte. Aber erklärbar ward mir dadurch, weshalb er so gern nackt vor dem Spiegel stand, und sich stets mit einer Art von Selbstzufriedenheit in demselben erblickte. "Mein Vater, fuhr er fort, ist der Prinz **, das ist in H., in K. und auch bei Hofe bekannt. Jch mußte dreimal verschiedenen Malern sitzen, und von den dreien Bildnissen hängt das eine in **, das andere, in welchem ich ein grünes Kleid trage, in **, und das dritte weiß Gott wo? Mein Gedächtniß wird schwach. Vor meiner Krankheit wußte ich es auch; aber seitdem besinn' ich mich vergebens darauf. Der Professor M. in K., der mich immatrikulirte, muß es wohl auch gewußt haben. Denn, sehen Sie, in meiner Matrikel steht der Ausdruck: Studiosus nobilissimus; der nun freilich nachher, weil ich öffentlich kein »Ha! erwiederte er, Sie glauben wahrscheinlich auch, daß der Jude in H. mein Vater sei? ich bin nicht von juͤdischen Eltern, wenigstens nicht von einem juͤdischen Vater gezeugt worden. Jch trage auch das Kennzeichen eines Juden an meinem Koͤrper nicht; und das schuͤtzt mich, daß L., den Sie kennen, und der mir aͤhnlich sieht, sich nicht fuͤr mich ausgeben kann, so gern er auch wollte.« Jch muß hier anmerken, daß ich ihn oft genug nackt gesehn, und mich von der Falschheit dieser seiner Behauptung zu uͤberzeugen, mehr als eine Gelegenheit gehabt hatte. Aber erklaͤrbar ward mir dadurch, weshalb er so gern nackt vor dem Spiegel stand, und sich stets mit einer Art von Selbstzufriedenheit in demselben erblickte. »Mein Vater, fuhr er fort, ist der Prinz **, das ist in H., in K. und auch bei Hofe bekannt. Jch mußte dreimal verschiedenen Malern sitzen, und von den dreien Bildnissen haͤngt das eine in **, das andere, in welchem ich ein gruͤnes Kleid trage, in **, und das dritte weiß Gott wo? Mein Gedaͤchtniß wird schwach. Vor meiner Krankheit wußte ich es auch; aber seitdem besinn' ich mich vergebens darauf. Der Professor M. in K., der mich immatrikulirte, muß es wohl auch gewußt haben. Denn, sehen Sie, in meiner Matrikel steht der Ausdruck: Studiosus nobilissimus; der nun freilich nachher, weil ich oͤffentlich kein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0080" n="80"/><lb/> <p>»Ha! erwiederte er, Sie glauben wahrscheinlich auch, daß der Jude in H. mein Vater sei? ich bin nicht von juͤdischen Eltern, wenigstens nicht von einem juͤdischen Vater gezeugt worden. Jch trage auch das Kennzeichen eines Juden an meinem Koͤrper nicht; und das schuͤtzt mich, daß L., den Sie kennen, und der mir aͤhnlich sieht, sich nicht fuͤr mich ausgeben kann, so gern er auch wollte.« </p> <p>Jch muß hier anmerken, daß ich ihn oft genug nackt gesehn, und mich von der Falschheit dieser seiner Behauptung zu uͤberzeugen, mehr als eine Gelegenheit gehabt hatte. Aber erklaͤrbar ward mir dadurch, weshalb er so gern nackt vor dem Spiegel stand, und sich stets mit einer Art von Selbstzufriedenheit in demselben erblickte. </p> <p>»Mein Vater, fuhr er fort, ist der Prinz **, das ist in H., in K. und auch bei Hofe bekannt. Jch mußte dreimal verschiedenen Malern sitzen, und von den dreien Bildnissen haͤngt das eine in **, das andere, in welchem ich ein gruͤnes Kleid trage, in **, und das dritte weiß Gott wo? Mein Gedaͤchtniß wird schwach. Vor meiner Krankheit wußte ich es auch; aber seitdem besinn' ich mich vergebens darauf. Der Professor M. in K., der mich immatrikulirte, muß es wohl auch gewußt haben. Denn, sehen Sie, in meiner Matrikel steht der Ausdruck: <hi rendition="#i">Studiosus nobilissimus;</hi> der nun freilich nachher, weil ich oͤffentlich kein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0080]
»Ha! erwiederte er, Sie glauben wahrscheinlich auch, daß der Jude in H. mein Vater sei? ich bin nicht von juͤdischen Eltern, wenigstens nicht von einem juͤdischen Vater gezeugt worden. Jch trage auch das Kennzeichen eines Juden an meinem Koͤrper nicht; und das schuͤtzt mich, daß L., den Sie kennen, und der mir aͤhnlich sieht, sich nicht fuͤr mich ausgeben kann, so gern er auch wollte.«
Jch muß hier anmerken, daß ich ihn oft genug nackt gesehn, und mich von der Falschheit dieser seiner Behauptung zu uͤberzeugen, mehr als eine Gelegenheit gehabt hatte. Aber erklaͤrbar ward mir dadurch, weshalb er so gern nackt vor dem Spiegel stand, und sich stets mit einer Art von Selbstzufriedenheit in demselben erblickte.
»Mein Vater, fuhr er fort, ist der Prinz **, das ist in H., in K. und auch bei Hofe bekannt. Jch mußte dreimal verschiedenen Malern sitzen, und von den dreien Bildnissen haͤngt das eine in **, das andere, in welchem ich ein gruͤnes Kleid trage, in **, und das dritte weiß Gott wo? Mein Gedaͤchtniß wird schwach. Vor meiner Krankheit wußte ich es auch; aber seitdem besinn' ich mich vergebens darauf. Der Professor M. in K., der mich immatrikulirte, muß es wohl auch gewußt haben. Denn, sehen Sie, in meiner Matrikel steht der Ausdruck: Studiosus nobilissimus; der nun freilich nachher, weil ich oͤffentlich kein
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/80>, abgerufen am 16.02.2025. |