Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
Nichts läßt sich leichter aus der Handschrift erkennen, als der moralische Mensch, seine Gesinnungen, Empfindungen, häuslichen Freuden, seine Religion und sein Handel, weil dies alles für den Anthropologen Erscheinungen des physischen Menschen sind. Der Gutmüthige ist auch in seinen Buchstaben gleichsam gutmüthig, frei, verträglich. Der Satiriker auch in seinen Buchstaben scharf, spitzig, stechend, wie der Stachel seines Witzes. Der Argwöhnische auch seine Buchstaben einen hinter den andern versteckend, zurückhaltend. Der Reinliche auch in seiner Handschrift reinlich. Der Geitzige auch in seinem Buchstaben karg und schmutzig. Der Galante auch in seinen Buchstaben galant und geputzt. -- Körperbau, Stimme, Farbe, Haar, alles ist für den Beobachter des Menschen auch leicht in der Handschrift zu finden -- ich sage für den Beobachter des Menschen, der ihn zugleich als Anthropolog kennt. Blonde Haare, blaue Augen, weiße rosichte Wangen des Mädchens -- niemahls habe
Nichts laͤßt sich leichter aus der Handschrift erkennen, als der moralische Mensch, seine Gesinnungen, Empfindungen, haͤuslichen Freuden, seine Religion und sein Handel, weil dies alles fuͤr den Anthropologen Erscheinungen des physischen Menschen sind. Der Gutmuͤthige ist auch in seinen Buchstaben gleichsam gutmuͤthig, frei, vertraͤglich. Der Satiriker auch in seinen Buchstaben scharf, spitzig, stechend, wie der Stachel seines Witzes. Der Argwoͤhnische auch seine Buchstaben einen hinter den andern versteckend, zuruͤckhaltend. Der Reinliche auch in seiner Handschrift reinlich. Der Geitzige auch in seinem Buchstaben karg und schmutzig. Der Galante auch in seinen Buchstaben galant und geputzt. — Koͤrperbau, Stimme, Farbe, Haar, alles ist fuͤr den Beobachter des Menschen auch leicht in der Handschrift zu finden — ich sage fuͤr den Beobachter des Menschen, der ihn zugleich als Anthropolog kennt. Blonde Haare, blaue Augen, weiße rosichte Wangen des Maͤdchens — niemahls habe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="65"/><lb/> physische des Gedaͤchtnisses befoͤrdert wird. Je mehr von allen diesem — desto charakteristischer, wenig taͤuschender die Handschrift. Man mache sich eine Sammlung von Handschriften dieser Gelehrten, und man sehe, wie charakteristisch jede derselben und wie treu ihr allgemeiner Charakter ist! — </p> <p>Nichts laͤßt sich leichter aus der Handschrift erkennen, als der moralische Mensch, seine Gesinnungen, Empfindungen, haͤuslichen Freuden, seine Religion und sein Handel, weil dies alles fuͤr den Anthropologen Erscheinungen des physischen Menschen sind. Der Gutmuͤthige ist auch in seinen Buchstaben gleichsam gutmuͤthig, frei, vertraͤglich. Der Satiriker auch in seinen Buchstaben scharf, spitzig, stechend, wie der Stachel seines Witzes. Der Argwoͤhnische auch seine Buchstaben einen hinter den andern versteckend, zuruͤckhaltend. Der Reinliche auch in seiner Handschrift reinlich. Der Geitzige auch in seinem Buchstaben karg und schmutzig. Der Galante auch in seinen Buchstaben galant und geputzt. — </p> <p>Koͤrperbau, Stimme, Farbe, Haar, alles ist fuͤr <choice><corr>den</corr><sic>dem</sic></choice> Beobachter des Menschen auch leicht in der Handschrift zu finden — ich sage fuͤr den Beobachter des Menschen, der ihn zugleich als Anthropolog kennt. Blonde Haare, blaue Augen, weiße rosichte Wangen des Maͤdchens — niemahls habe<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0065]
physische des Gedaͤchtnisses befoͤrdert wird. Je mehr von allen diesem — desto charakteristischer, wenig taͤuschender die Handschrift. Man mache sich eine Sammlung von Handschriften dieser Gelehrten, und man sehe, wie charakteristisch jede derselben und wie treu ihr allgemeiner Charakter ist! —
Nichts laͤßt sich leichter aus der Handschrift erkennen, als der moralische Mensch, seine Gesinnungen, Empfindungen, haͤuslichen Freuden, seine Religion und sein Handel, weil dies alles fuͤr den Anthropologen Erscheinungen des physischen Menschen sind. Der Gutmuͤthige ist auch in seinen Buchstaben gleichsam gutmuͤthig, frei, vertraͤglich. Der Satiriker auch in seinen Buchstaben scharf, spitzig, stechend, wie der Stachel seines Witzes. Der Argwoͤhnische auch seine Buchstaben einen hinter den andern versteckend, zuruͤckhaltend. Der Reinliche auch in seiner Handschrift reinlich. Der Geitzige auch in seinem Buchstaben karg und schmutzig. Der Galante auch in seinen Buchstaben galant und geputzt. —
Koͤrperbau, Stimme, Farbe, Haar, alles ist fuͤr den Beobachter des Menschen auch leicht in der Handschrift zu finden — ich sage fuͤr den Beobachter des Menschen, der ihn zugleich als Anthropolog kennt. Blonde Haare, blaue Augen, weiße rosichte Wangen des Maͤdchens — niemahls habe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |