Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
Der moralische Mensch leidet eben so viel Veränderungen seines Daseyns durch die verschiedene Beschaffenheit des Nervengeistes. Der Freigeist und der Religiöse -- der moralische Sanguiniker und der furchtsame Gewissenhafte -- jeder hat seinen eignen Boden, aus dem seine Empfindungsart hervorbricht. Längst bewiesen ist von Anthropologen der Einfluß des Nerven auf das geistige denkende Wesen, daß ich also wohl die erste Frage dieser Untersuchung weitläuftig genug beantwortet zu haben glauben darf. Weiter könnte ich die zweite Frage ausdehnen, welchen Einfluß der Nerve von den übrigen Bestandtheilen des Körpers leidet? weitläuftiger könnte ich hier seyn, wenn ich nicht schon diese Untersuchung anderswo durch meine Temperamentslehre vollendet glaubte.
Der moralische Mensch leidet eben so viel Veraͤnderungen seines Daseyns durch die verschiedene Beschaffenheit des Nervengeistes. Der Freigeist und der Religioͤse — der moralische Sanguiniker und der furchtsame Gewissenhafte — jeder hat seinen eignen Boden, aus dem seine Empfindungsart hervorbricht. Laͤngst bewiesen ist von Anthropologen der Einfluß des Nerven auf das geistige denkende Wesen, daß ich also wohl die erste Frage dieser Untersuchung weitlaͤuftig genug beantwortet zu haben glauben darf. Weiter koͤnnte ich die zweite Frage ausdehnen, welchen Einfluß der Nerve von den uͤbrigen Bestandtheilen des Koͤrpers leidet? weitlaͤuftiger koͤnnte ich hier seyn, wenn ich nicht schon diese Untersuchung anderswo durch meine Temperamentslehre vollendet glaubte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0040" n="40"/><lb/> aͤtherischen Geistigkeit und der leichten gefaͤlligen Ruhe. Feurigerer, geschwinder, staͤrker wuͤrkender geistiger Aether bildet den Mahler, der alle seine Empfindungen in dem eben so geschwindern und staͤrker wuͤrkenden Nebeneinanderseyn darstellt: hingegen leichtere, ruhigere Geistigkeit desselben den Tonkuͤnstler, der seine Empfindungen in der sanftern, gefaͤlligern Aufeinanderfolge hinschweben laͤßt. </p> <p>Der moralische Mensch leidet eben so viel Veraͤnderungen seines Daseyns durch die verschiedene Beschaffenheit des Nervengeistes. Der Freigeist und der Religioͤse — der moralische Sanguiniker und der furchtsame Gewissenhafte — jeder hat seinen eignen Boden, aus dem seine Empfindungsart hervorbricht. </p> <p>Laͤngst bewiesen ist von Anthropologen der Einfluß des Nerven auf das geistige denkende Wesen, daß ich also wohl die <hi rendition="#b">erste</hi> Frage dieser Untersuchung weitlaͤuftig genug beantwortet zu haben glauben darf. </p> <p>Weiter koͤnnte ich die <hi rendition="#b">zweite</hi> Frage ausdehnen, <hi rendition="#b">welchen Einfluß der Nerve von den uͤbrigen Bestandtheilen des Koͤrpers leidet?</hi> weitlaͤuftiger koͤnnte ich hier seyn, wenn ich nicht schon diese Untersuchung anderswo durch meine Temperamentslehre vollendet glaubte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0040]
aͤtherischen Geistigkeit und der leichten gefaͤlligen Ruhe. Feurigerer, geschwinder, staͤrker wuͤrkender geistiger Aether bildet den Mahler, der alle seine Empfindungen in dem eben so geschwindern und staͤrker wuͤrkenden Nebeneinanderseyn darstellt: hingegen leichtere, ruhigere Geistigkeit desselben den Tonkuͤnstler, der seine Empfindungen in der sanftern, gefaͤlligern Aufeinanderfolge hinschweben laͤßt.
Der moralische Mensch leidet eben so viel Veraͤnderungen seines Daseyns durch die verschiedene Beschaffenheit des Nervengeistes. Der Freigeist und der Religioͤse — der moralische Sanguiniker und der furchtsame Gewissenhafte — jeder hat seinen eignen Boden, aus dem seine Empfindungsart hervorbricht.
Laͤngst bewiesen ist von Anthropologen der Einfluß des Nerven auf das geistige denkende Wesen, daß ich also wohl die erste Frage dieser Untersuchung weitlaͤuftig genug beantwortet zu haben glauben darf.
Weiter koͤnnte ich die zweite Frage ausdehnen, welchen Einfluß der Nerve von den uͤbrigen Bestandtheilen des Koͤrpers leidet? weitlaͤuftiger koͤnnte ich hier seyn, wenn ich nicht schon diese Untersuchung anderswo durch meine Temperamentslehre vollendet glaubte.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/40>, abgerufen am 16.02.2025. |