Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.Empfindung ward so gleichsam die Grundlage der Vernunft, der empfindende Mensch, der Vorgänger des Denkenden und der Schwärmer der Vorläufer des Philosophen. Erst sinnlich äußeren Anreitz -- denn auf Empfindung und Ahndung schwebender Geist der Einbildungskraft -- und endlich vollendete klare Erkenntniß und abgezogene Wahrheit. Leibnitzisches durch feinere Sinnorgane gewecktes Ahnden einer ewigen Stufenfolge der Schöpfung und endlich durch Erfahrung und Denken geprüfte und gefundene Wahrheit derselben. Darfst du noch vor dem Nahmen Schwärmer erröthen, -- noch staunen, daß deine so innig empfundene Harmonie des Menschengesichts und Menschenseele von deinen Zeitgenossen -- denen du zu früh vorangeschritten, zu früh die Periode einer verfeinerten Menschheit verkündiget hast -- daß von ihnen deine Empfindungen nicht verstanden, nicht mitempfunden und gefühlt werden! Laß sie nur erst zu der Stufe, wo der Geist des schwerern Nervens entlöst der Welt offner steht, nur erst dahin laß sie, gewiß sie werden deine Empfindungen noch nachempfinden -- nur zu spät für dich erkennen, nur erkannt als einige Wahrheiten hinstellen! Das Genie schwärmt immer so viele Augenblicke seiner Existenz hin, so viele es mit neuen Ahndungen und Empfindungen ausfüllt. Das Genie ist jederzeit Schwärmer -- nicht aber jeder Schwärmer Genie. Lavater; Empfindung ward so gleichsam die Grundlage der Vernunft, der empfindende Mensch, der Vorgaͤnger des Denkenden und der Schwaͤrmer der Vorlaͤufer des Philosophen. Erst sinnlich aͤußeren Anreitz — denn auf Empfindung und Ahndung schwebender Geist der Einbildungskraft — und endlich vollendete klare Erkenntniß und abgezogene Wahrheit. Leibnitzisches durch feinere Sinnorgane gewecktes Ahnden einer ewigen Stufenfolge der Schoͤpfung und endlich durch Erfahrung und Denken gepruͤfte und gefundene Wahrheit derselben. Darfst du noch vor dem Nahmen Schwaͤrmer erroͤthen, — noch staunen, daß deine so innig empfundene Harmonie des Menschengesichts und Menschenseele von deinen Zeitgenossen — denen du zu fruͤh vorangeschritten, zu fruͤh die Periode einer verfeinerten Menschheit verkuͤndiget hast — daß von ihnen deine Empfindungen nicht verstanden, nicht mitempfunden und gefuͤhlt werden! Laß sie nur erst zu der Stufe, wo der Geist des schwerern Nervens entloͤst der Welt offner steht, nur erst dahin laß sie, gewiß sie werden deine Empfindungen noch nachempfinden — nur zu spaͤt fuͤr dich erkennen, nur erkannt als einige Wahrheiten hinstellen! Das Genie schwaͤrmt immer so viele Augenblicke seiner Existenz hin, so viele es mit neuen Ahndungen und Empfindungen ausfuͤllt. Das Genie ist jederzeit Schwaͤrmer — nicht aber jeder Schwaͤrmer Genie. Lavater; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0036" n="36"/><lb/> <p>Empfindung ward so gleichsam die Grundlage der Vernunft, der empfindende Mensch, der Vorgaͤnger des Denkenden und der Schwaͤrmer der Vorlaͤufer des Philosophen. Erst sinnlich aͤußeren Anreitz — denn auf Empfindung und Ahndung schwebender Geist der Einbildungskraft — und endlich vollendete klare Erkenntniß und abgezogene Wahrheit. Leibnitzisches durch feinere Sinnorgane gewecktes Ahnden einer ewigen Stufenfolge der Schoͤpfung und endlich durch Erfahrung und Denken gepruͤfte und gefundene Wahrheit derselben. Darfst du noch vor dem Nahmen <hi rendition="#b">Schwaͤrmer</hi> erroͤthen, <persName ref="#ref0027"><note type="editorial">Lavater, Johann Caspar</note>Lavater;</persName> — noch staunen, daß deine so innig empfundene Harmonie des Menschengesichts und Menschenseele von deinen Zeitgenossen — denen du zu fruͤh vorangeschritten, zu fruͤh die Periode einer verfeinerten Menschheit verkuͤndiget hast — daß von ihnen deine Empfindungen nicht verstanden, nicht mitempfunden und gefuͤhlt werden! Laß sie nur erst zu der Stufe, wo der Geist des schwerern Nervens entloͤst der Welt offner steht, nur erst dahin laß sie, gewiß sie werden deine Empfindungen noch nachempfinden — nur zu spaͤt fuͤr dich erkennen, nur erkannt als einige Wahrheiten hinstellen! Das Genie schwaͤrmt immer so viele Augenblicke seiner Existenz hin, so viele es mit neuen Ahndungen und Empfindungen ausfuͤllt. Das Genie ist jederzeit Schwaͤrmer — nicht aber jeder Schwaͤrmer Genie. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0036]
Empfindung ward so gleichsam die Grundlage der Vernunft, der empfindende Mensch, der Vorgaͤnger des Denkenden und der Schwaͤrmer der Vorlaͤufer des Philosophen. Erst sinnlich aͤußeren Anreitz — denn auf Empfindung und Ahndung schwebender Geist der Einbildungskraft — und endlich vollendete klare Erkenntniß und abgezogene Wahrheit. Leibnitzisches durch feinere Sinnorgane gewecktes Ahnden einer ewigen Stufenfolge der Schoͤpfung und endlich durch Erfahrung und Denken gepruͤfte und gefundene Wahrheit derselben. Darfst du noch vor dem Nahmen Schwaͤrmer erroͤthen, Lavater; — noch staunen, daß deine so innig empfundene Harmonie des Menschengesichts und Menschenseele von deinen Zeitgenossen — denen du zu fruͤh vorangeschritten, zu fruͤh die Periode einer verfeinerten Menschheit verkuͤndiget hast — daß von ihnen deine Empfindungen nicht verstanden, nicht mitempfunden und gefuͤhlt werden! Laß sie nur erst zu der Stufe, wo der Geist des schwerern Nervens entloͤst der Welt offner steht, nur erst dahin laß sie, gewiß sie werden deine Empfindungen noch nachempfinden — nur zu spaͤt fuͤr dich erkennen, nur erkannt als einige Wahrheiten hinstellen! Das Genie schwaͤrmt immer so viele Augenblicke seiner Existenz hin, so viele es mit neuen Ahndungen und Empfindungen ausfuͤllt. Das Genie ist jederzeit Schwaͤrmer — nicht aber jeder Schwaͤrmer Genie.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |