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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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frühzeitig genug diese Wahrheit eingesehn haben: Klugheit ist besser denn Stärke, indem Stärke zum Theil von Klugheit abhängig, Klugheit von Stärke aber unabhängig ist. Ein Mensch mag so viele Kräfte, und sie in einem solchen hohen Grade besitzen, als er will, so ist doch seine Wirkung immer begränzt. Durch Klugheit aber und eine Art psychologischer Mechanik, oder die Einsicht in den bestmöglichen Gebrauch dieser Kräfte und ihre Dirigirung können sie ins Unendliche verstärkt werden. Sie haben sich daher auf die Kunst gelegt, freie Menschen zu beherrschen, d.h. den Willen und die Kräfte anderer Menschen so zu gebrauchen, daß, indem diese blos ihren eignen Zweck zu befördern glauben, sie in der That den Zweck ihrer Obern mit befördern. Dieses kann durch eine zweckmäßige Verbindung und Ordnung dieser Kräfte erhalten werden, so daß man durch den geringsten Stoß auf dieses Organ, die größte Wirkung hervor zu bringen im Stande ist. Es ist hier kein Betrug, weil, wie vorausgesetzt worden, diese andern selbst dadurch ihren Zweck am besten erreichen.

Die Listigen gebrauchen auch den Willen und die Kräfte anderer zur Erreichung eines Zwecks, da sie aber in Ansehung ihres Zweckes kurzsichtiger oder ungestümer als die vorigen sind, so geschieht es oft, daß sie ihre Zwecke auf dieser Andern Unkosten zu erreichen suchen; ihre Kunst also besteht nicht bloß


fruͤhzeitig genug diese Wahrheit eingesehn haben: Klugheit ist besser denn Staͤrke, indem Staͤrke zum Theil von Klugheit abhaͤngig, Klugheit von Staͤrke aber unabhaͤngig ist. Ein Mensch mag so viele Kraͤfte, und sie in einem solchen hohen Grade besitzen, als er will, so ist doch seine Wirkung immer begraͤnzt. Durch Klugheit aber und eine Art psychologischer Mechanik, oder die Einsicht in den bestmoͤglichen Gebrauch dieser Kraͤfte und ihre Dirigirung koͤnnen sie ins Unendliche verstaͤrkt werden. Sie haben sich daher auf die Kunst gelegt, freie Menschen zu beherrschen, d.h. den Willen und die Kraͤfte anderer Menschen so zu gebrauchen, daß, indem diese blos ihren eignen Zweck zu befoͤrdern glauben, sie in der That den Zweck ihrer Obern mit befoͤrdern. Dieses kann durch eine zweckmaͤßige Verbindung und Ordnung dieser Kraͤfte erhalten werden, so daß man durch den geringsten Stoß auf dieses Organ, die groͤßte Wirkung hervor zu bringen im Stande ist. Es ist hier kein Betrug, weil, wie vorausgesetzt worden, diese andern selbst dadurch ihren Zweck am besten erreichen.

Die Listigen gebrauchen auch den Willen und die Kraͤfte anderer zur Erreichung eines Zwecks, da sie aber in Ansehung ihres Zweckes kurzsichtiger oder ungestuͤmer als die vorigen sind, so geschieht es oft, daß sie ihre Zwecke auf dieser Andern Unkosten zu erreichen suchen; ihre Kunst also besteht nicht bloß

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[84/0084] fruͤhzeitig genug diese Wahrheit eingesehn haben: Klugheit ist besser denn Staͤrke, indem Staͤrke zum Theil von Klugheit abhaͤngig, Klugheit von Staͤrke aber unabhaͤngig ist. Ein Mensch mag so viele Kraͤfte, und sie in einem solchen hohen Grade besitzen, als er will, so ist doch seine Wirkung immer begraͤnzt. Durch Klugheit aber und eine Art psychologischer Mechanik, oder die Einsicht in den bestmoͤglichen Gebrauch dieser Kraͤfte und ihre Dirigirung koͤnnen sie ins Unendliche verstaͤrkt werden. Sie haben sich daher auf die Kunst gelegt, freie Menschen zu beherrschen, d.h. den Willen und die Kraͤfte anderer Menschen so zu gebrauchen, daß, indem diese blos ihren eignen Zweck zu befoͤrdern glauben, sie in der That den Zweck ihrer Obern mit befoͤrdern. Dieses kann durch eine zweckmaͤßige Verbindung und Ordnung dieser Kraͤfte erhalten werden, so daß man durch den geringsten Stoß auf dieses Organ, die groͤßte Wirkung hervor zu bringen im Stande ist. Es ist hier kein Betrug, weil, wie vorausgesetzt worden, diese andern selbst dadurch ihren Zweck am besten erreichen. Die Listigen gebrauchen auch den Willen und die Kraͤfte anderer zur Erreichung eines Zwecks, da sie aber in Ansehung ihres Zweckes kurzsichtiger oder ungestuͤmer als die vorigen sind, so geschieht es oft, daß sie ihre Zwecke auf dieser Andern Unkosten zu erreichen suchen; ihre Kunst also besteht nicht bloß

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/84>, abgerufen am 23.11.2024.