Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Jhre Predigten und moralischen Lehren würden nicht (wie es gemeiniglich zu geschehen pflege) von ihnen erst überdacht und zweckmäßig geordnet, indem diese Art nur demjenigen zukäme, der sich als etwas für sich Bestehendes und Wirkendes, von Gott Getrenntes, betrachte. Diese hohen Obern aber hielten nur alsdann ihre Lehren für göttlich und folglich untrüglich, wenn sie die Folge der Selbstvernichtung vor Gott wären, d.h. wenn sie ihnen ex tempore, nach Erfordern der Umstände, ohne daß sie etwas dazu beitrügen, einfielen. B. J., den diese Beschreibung ganz entzückte, bat darauf den Fremden, daß er ihm doch einige dieser göttlichen Lehren mittheilen möchte. Dieser schlug die Hand vor die Stirne (als wartete er auf Eingebung des heiligen Geistes), wandte sich darauf mit einer feierlichen Miene und halbentblößten Armen, die er (ungefähr wie Korporal Trim bei Vorlesung der Predigt) in Bewegung brachte, zu B. J., und fieng folgendermaßen an:
Jhre Predigten und moralischen Lehren wuͤrden nicht (wie es gemeiniglich zu geschehen pflege) von ihnen erst uͤberdacht und zweckmaͤßig geordnet, indem diese Art nur demjenigen zukaͤme, der sich als etwas fuͤr sich Bestehendes und Wirkendes, von Gott Getrenntes, betrachte. Diese hohen Obern aber hielten nur alsdann ihre Lehren fuͤr goͤttlich und folglich untruͤglich, wenn sie die Folge der Selbstvernichtung vor Gott waͤren, d.h. wenn sie ihnen ex tempore, nach Erfordern der Umstaͤnde, ohne daß sie etwas dazu beitruͤgen, einfielen. B. J., den diese Beschreibung ganz entzuͤckte, bat darauf den Fremden, daß er ihm doch einige dieser goͤttlichen Lehren mittheilen moͤchte. Dieser schlug die Hand vor die Stirne (als wartete er auf Eingebung des heiligen Geistes), wandte sich darauf mit einer feierlichen Miene und halbentbloͤßten Armen, die er (ungefaͤhr wie Korporal Trim bei Vorlesung der Predigt) in Bewegung brachte, zu B. J., und fieng folgendermaßen an: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0075" n="75"/><lb/> Obern von seinen moralischen Schwaͤchen, seiner bisher gefuͤhrten Lebensart u. dergl. etwas zu melden, indem diesen hohen Obern <hi rendition="#b">nichts unbekannt sey; sie durchschauten das menschliche Herz, und entdeckten alles, was in seinen geheimen Falten verborgen sey; sie koͤnnten das Zukuͤnftige vorher sagen, und das Entfernte gegenwaͤrtig machen.</hi></p> <p>Jhre Predigten und moralischen Lehren wuͤrden nicht (wie es gemeiniglich zu geschehen pflege) von ihnen erst <hi rendition="#b">uͤberdacht und zweckmaͤßig geordnet,</hi> indem diese Art nur demjenigen zukaͤme, der sich <hi rendition="#b">als etwas fuͤr sich Bestehendes und Wirkendes, von Gott Getrenntes,</hi> betrachte. Diese hohen Obern aber hielten nur alsdann ihre Lehren fuͤr goͤttlich und folglich untruͤglich, wenn sie die Folge der <hi rendition="#b">Selbstvernichtung vor Gott</hi> waͤren, d.h. wenn sie ihnen <hi rendition="#i">ex tempore,</hi> <hi rendition="#b">nach Erfordern der Umstaͤnde, ohne daß sie etwas dazu beitruͤgen,</hi> einfielen.</p> <p><hi rendition="#b">B. J.,</hi> den diese Beschreibung ganz entzuͤckte, bat darauf den Fremden, daß er ihm doch einige dieser goͤttlichen Lehren mittheilen moͤchte. Dieser schlug die Hand vor die Stirne (als wartete er auf Eingebung des heiligen Geistes), wandte sich darauf mit einer feierlichen Miene und halbentbloͤßten Armen, die er (ungefaͤhr wie Korporal Trim bei Vorlesung der Predigt) in Bewegung brachte, zu <hi rendition="#b">B. J.,</hi> und fieng folgendermaßen an:</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0075]
Obern von seinen moralischen Schwaͤchen, seiner bisher gefuͤhrten Lebensart u. dergl. etwas zu melden, indem diesen hohen Obern nichts unbekannt sey; sie durchschauten das menschliche Herz, und entdeckten alles, was in seinen geheimen Falten verborgen sey; sie koͤnnten das Zukuͤnftige vorher sagen, und das Entfernte gegenwaͤrtig machen.
Jhre Predigten und moralischen Lehren wuͤrden nicht (wie es gemeiniglich zu geschehen pflege) von ihnen erst uͤberdacht und zweckmaͤßig geordnet, indem diese Art nur demjenigen zukaͤme, der sich als etwas fuͤr sich Bestehendes und Wirkendes, von Gott Getrenntes, betrachte. Diese hohen Obern aber hielten nur alsdann ihre Lehren fuͤr goͤttlich und folglich untruͤglich, wenn sie die Folge der Selbstvernichtung vor Gott waͤren, d.h. wenn sie ihnen ex tempore, nach Erfordern der Umstaͤnde, ohne daß sie etwas dazu beitruͤgen, einfielen.
B. J., den diese Beschreibung ganz entzuͤckte, bat darauf den Fremden, daß er ihm doch einige dieser goͤttlichen Lehren mittheilen moͤchte. Dieser schlug die Hand vor die Stirne (als wartete er auf Eingebung des heiligen Geistes), wandte sich darauf mit einer feierlichen Miene und halbentbloͤßten Armen, die er (ungefaͤhr wie Korporal Trim bei Vorlesung der Predigt) in Bewegung brachte, zu B. J., und fieng folgendermaßen an:
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