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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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vielmehr diese Grundsätze selbst, in Form einer Auslegung der heiligen Schrift vorgetragen, und gleichsam aus derselben geschöpft. Dieses Buch hat gleich dem Janus ein doppeltes Gesicht, und erträgt daher zweierlei Art Explikation. Die eine ist diejenige, die in den kabalistischen Schriften weitläuftig vorgetragen, und in ein System gebracht worden ist. Hier ist ein weites Feld für die Einbildungskraft, wo sie nach Belieben herumschwärmen kann, ohne doch am Ende über die Sache besser belehrt zu seyn als vorher. Es werden hier manche moralische und physische Wahrheiten bildlich vorgetragen, die sich zuletzt in das Labyrinth des hyperphysischen verlieren. Diese Art die Kabala zu behandeln ist den kabalistischen Litteratoren eigen.

Die zweite Art hingegen betrift den geheimen politischen Jnhalt derselben, und ist nur den Obern dieser geheimen Gesellschaft bekannt. Diese Obern selbst sowohl, als ihre Operationen, bleiben immer unbekannt, die Andern aber können immerhin bekannt seyn. Diese können die politischen Geheimnisse, die ihnen selbst unbekannt sind, nicht verrathen. Jene werden es nicht, weil es ihrem Jnteresse zuwider ist. Nur die kleineren (blos litterarischen) Geheimnisse werden dem Volke debitirt, und als Sachen von großer Wichtigkeit anempfohlen. Die größeren (politischen) Geheimnisse werden nicht gelehrt, sondern, wenn


vielmehr diese Grundsaͤtze selbst, in Form einer Auslegung der heiligen Schrift vorgetragen, und gleichsam aus derselben geschoͤpft. Dieses Buch hat gleich dem Janus ein doppeltes Gesicht, und ertraͤgt daher zweierlei Art Explikation. Die eine ist diejenige, die in den kabalistischen Schriften weitlaͤuftig vorgetragen, und in ein System gebracht worden ist. Hier ist ein weites Feld fuͤr die Einbildungskraft, wo sie nach Belieben herumschwaͤrmen kann, ohne doch am Ende uͤber die Sache besser belehrt zu seyn als vorher. Es werden hier manche moralische und physische Wahrheiten bildlich vorgetragen, die sich zuletzt in das Labyrinth des hyperphysischen verlieren. Diese Art die Kabala zu behandeln ist den kabalistischen Litteratoren eigen.

Die zweite Art hingegen betrift den geheimen politischen Jnhalt derselben, und ist nur den Obern dieser geheimen Gesellschaft bekannt. Diese Obern selbst sowohl, als ihre Operationen, bleiben immer unbekannt, die Andern aber koͤnnen immerhin bekannt seyn. Diese koͤnnen die politischen Geheimnisse, die ihnen selbst unbekannt sind, nicht verrathen. Jene werden es nicht, weil es ihrem Jnteresse zuwider ist. Nur die kleineren (blos litterarischen) Geheimnisse werden dem Volke debitirt, und als Sachen von großer Wichtigkeit anempfohlen. Die groͤßeren (politischen) Geheimnisse werden nicht gelehrt, sondern, wenn

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[67/0067] vielmehr diese Grundsaͤtze selbst, in Form einer Auslegung der heiligen Schrift vorgetragen, und gleichsam aus derselben geschoͤpft. Dieses Buch hat gleich dem Janus ein doppeltes Gesicht, und ertraͤgt daher zweierlei Art Explikation. Die eine ist diejenige, die in den kabalistischen Schriften weitlaͤuftig vorgetragen, und in ein System gebracht worden ist. Hier ist ein weites Feld fuͤr die Einbildungskraft, wo sie nach Belieben herumschwaͤrmen kann, ohne doch am Ende uͤber die Sache besser belehrt zu seyn als vorher. Es werden hier manche moralische und physische Wahrheiten bildlich vorgetragen, die sich zuletzt in das Labyrinth des hyperphysischen verlieren. Diese Art die Kabala zu behandeln ist den kabalistischen Litteratoren eigen. Die zweite Art hingegen betrift den geheimen politischen Jnhalt derselben, und ist nur den Obern dieser geheimen Gesellschaft bekannt. Diese Obern selbst sowohl, als ihre Operationen, bleiben immer unbekannt, die Andern aber koͤnnen immerhin bekannt seyn. Diese koͤnnen die politischen Geheimnisse, die ihnen selbst unbekannt sind, nicht verrathen. Jene werden es nicht, weil es ihrem Jnteresse zuwider ist. Nur die kleineren (blos litterarischen) Geheimnisse werden dem Volke debitirt, und als Sachen von großer Wichtigkeit anempfohlen. Die groͤßeren (politischen) Geheimnisse werden nicht gelehrt, sondern, wenn

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/67>, abgerufen am 12.05.2024.