Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


von der Liebhaberei seines Vaters, der von frühester Jugend her gern Theologie für sich selber studierte, und medicinisch-physisch von einem seligen Bruder seines Vaters her, der Medicin und Chirurgie studiert hatte, und jung verschieden war.

Der Vater hatte einen stillen und unpartheiisch gründlichen Forschgeist, und da er bei seinem Latein, Französisch und Jtaliänisch, nur Kaufmännisch gelehrt war, in Debet und Credit, nach Art der Buchhalterei, so richtete er auch sein theologisches Studieren für sich selber so buchhalterisch ein, setzte in Auszügen aller Theologie, die er sich machte, Gründe und Gegengründe auf zwei Folioseiten gegen einander über, wie Debet und Credit, und da er auch die ganze polemische Theologie sich bekannt machte, so setzte er alle sogenannte Ketzereien auf die eine Seite, und die Gegengründe auf die andre. Damit erwarb er sich eine tabellarische Uebersicht, und oft auch nach seinem Grundforschungs-Geschmack für Abstammungen, gleichsam Genealogie von allem Pro und Contra, und dadurch die reichste ordentliche Bequemlichkeit zu unpartheiischen Grundbetrachtungen des Reichs von dem Ewigen, der da ist, dessen biblisch patriarchalischer Grundbegrif ihm allgenugsames reines Liebeswesen, Licht und Leben war.

Diese Jdeen führten ihn endlich einmal über und wider sein Vermuthen in biblisch theologische


von der Liebhaberei seines Vaters, der von fruͤhester Jugend her gern Theologie fuͤr sich selber studierte, und medicinisch-physisch von einem seligen Bruder seines Vaters her, der Medicin und Chirurgie studiert hatte, und jung verschieden war.

Der Vater hatte einen stillen und unpartheiisch gruͤndlichen Forschgeist, und da er bei seinem Latein, Franzoͤsisch und Jtaliaͤnisch, nur Kaufmaͤnnisch gelehrt war, in Debet und Credit, nach Art der Buchhalterei, so richtete er auch sein theologisches Studieren fuͤr sich selber so buchhalterisch ein, setzte in Auszuͤgen aller Theologie, die er sich machte, Gruͤnde und Gegengruͤnde auf zwei Folioseiten gegen einander uͤber, wie Debet und Credit, und da er auch die ganze polemische Theologie sich bekannt machte, so setzte er alle sogenannte Ketzereien auf die eine Seite, und die Gegengruͤnde auf die andre. Damit erwarb er sich eine tabellarische Uebersicht, und oft auch nach seinem Grundforschungs-Geschmack fuͤr Abstammungen, gleichsam Genealogie von allem Pro und Contra, und dadurch die reichste ordentliche Bequemlichkeit zu unpartheiischen Grundbetrachtungen des Reichs von dem Ewigen, der da ist, dessen biblisch patriarchalischer Grundbegrif ihm allgenugsames reines Liebeswesen, Licht und Leben war.

Diese Jdeen fuͤhrten ihn endlich einmal uͤber und wider sein Vermuthen in biblisch theologische

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0104" n="104"/><lb/>
von der Liebhaberei seines  Vaters, der von fru&#x0364;hester Jugend her gern Theologie  fu&#x0364;r sich selber studierte, und medicinisch-physisch  von einem seligen Bruder seines Vaters her, der  Medicin und Chirurgie studiert hatte, und jung  verschieden war.</p>
            <p>Der Vater hatte einen stillen und unpartheiisch  gru&#x0364;ndlichen Forschgeist, und da er bei seinem  Latein, Franzo&#x0364;sisch und Jtalia&#x0364;nisch, nur  Kaufma&#x0364;nnisch gelehrt war, in Debet und Credit, nach  Art der Buchhalterei, so richtete er auch sein  theologisches Studieren fu&#x0364;r sich selber so  buchhalterisch ein, setzte in Auszu&#x0364;gen aller  Theologie, die er sich machte, Gru&#x0364;nde und  Gegengru&#x0364;nde auf zwei Folioseiten gegen einander  u&#x0364;ber, wie Debet und Credit, und da er auch die ganze  polemische Theologie sich bekannt machte, so setzte  er alle sogenannte Ketzereien auf die eine Seite,  und die Gegengru&#x0364;nde auf die andre. Damit erwarb er  sich eine <hi rendition="#b">tabellarische</hi> Uebersicht, und oft auch nach seinem  Grundforschungs-Geschmack fu&#x0364;r Abstammungen,  gleichsam <hi rendition="#b">Genealogie</hi> von  allem Pro und Contra, und dadurch die reichste  ordentliche Bequemlichkeit zu unpartheiischen  Grundbetrachtungen des Reichs von dem Ewigen, der da  ist, dessen biblisch patriarchalischer Grundbegrif  ihm allgenugsames reines Liebeswesen, Licht und  Leben war.</p>
            <p>Diese Jdeen fu&#x0364;hrten ihn endlich einmal u&#x0364;ber und wider  sein Vermuthen in biblisch theologische<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0104] von der Liebhaberei seines Vaters, der von fruͤhester Jugend her gern Theologie fuͤr sich selber studierte, und medicinisch-physisch von einem seligen Bruder seines Vaters her, der Medicin und Chirurgie studiert hatte, und jung verschieden war. Der Vater hatte einen stillen und unpartheiisch gruͤndlichen Forschgeist, und da er bei seinem Latein, Franzoͤsisch und Jtaliaͤnisch, nur Kaufmaͤnnisch gelehrt war, in Debet und Credit, nach Art der Buchhalterei, so richtete er auch sein theologisches Studieren fuͤr sich selber so buchhalterisch ein, setzte in Auszuͤgen aller Theologie, die er sich machte, Gruͤnde und Gegengruͤnde auf zwei Folioseiten gegen einander uͤber, wie Debet und Credit, und da er auch die ganze polemische Theologie sich bekannt machte, so setzte er alle sogenannte Ketzereien auf die eine Seite, und die Gegengruͤnde auf die andre. Damit erwarb er sich eine tabellarische Uebersicht, und oft auch nach seinem Grundforschungs-Geschmack fuͤr Abstammungen, gleichsam Genealogie von allem Pro und Contra, und dadurch die reichste ordentliche Bequemlichkeit zu unpartheiischen Grundbetrachtungen des Reichs von dem Ewigen, der da ist, dessen biblisch patriarchalischer Grundbegrif ihm allgenugsames reines Liebeswesen, Licht und Leben war. Diese Jdeen fuͤhrten ihn endlich einmal uͤber und wider sein Vermuthen in biblisch theologische

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/104
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/104>, abgerufen am 24.11.2024.