Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.
Die Peripathetiker haben auch guten Grund in ihrer Naturlehre, Kräfte, verborgene Eigenschaften und dergleichen zu gebrauchen, wenn sie nur dadurch nicht die Ursachen, sondern die Arten der Erscheinungen selbst verstehen; in so fern sie verschiedene Grade annehmen können. Wir können z.B. von einer Anziehungskraft sprechen, wodurch wir blos die Würkung der Anziehung, nicht aber ihre Ursache verstehen. Diese ist in Ansehung unserer eine Qualitas occulta. Jene hingegen hat ihre eigenen Gesetze, wodurch wir von derselben als von etwas für sich Bestehendem sprechen, und ihre Grade bestimmen können. So ohngefähr, wie wir in der Algebra die unbekannten Größen x oder y nennen, und dadurch im Stande sind, aus den Bedingungen einer jeden Aufgabe dieselben zu bestimmen; so können wir auch die Größe der Anziehung, die Kraft selbst mag uns noch so unbekannt seyn, in jedem besondern Falle bestimmen.
Die Peripathetiker haben auch guten Grund in ihrer Naturlehre, Kraͤfte, verborgene Eigenschaften und dergleichen zu gebrauchen, wenn sie nur dadurch nicht die Ursachen, sondern die Arten der Erscheinungen selbst verstehen; in so fern sie verschiedene Grade annehmen koͤnnen. Wir koͤnnen z.B. von einer Anziehungskraft sprechen, wodurch wir blos die Wuͤrkung der Anziehung, nicht aber ihre Ursache verstehen. Diese ist in Ansehung unserer eine Qualitas occulta. Jene hingegen hat ihre eigenen Gesetze, wodurch wir von derselben als von etwas fuͤr sich Bestehendem sprechen, und ihre Grade bestimmen koͤnnen. So ohngefaͤhr, wie wir in der Algebra die unbekannten Groͤßen x oder y nennen, und dadurch im Stande sind, aus den Bedingungen einer jeden Aufgabe dieselben zu bestimmen; so koͤnnen wir auch die Groͤße der Anziehung, die Kraft selbst mag uns noch so unbekannt seyn, in jedem besondern Falle bestimmen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="4"/><lb/> chen. Denn da alle koͤrperlichen Naturerscheinungen von der Bewegung abhaͤngen, so ist es nothwendig, daß dieselben aus der Lage, Figur und Groͤße der bewegten Koͤrper, aus den verschiedenen Arten und Graden der Bewegung, nach allgemeinen Naturgesetzen bestimmt werden. Nur muß diese Erklaͤrungsart nicht die Graͤnzen ihres Gebrauchs uͤberschreiten, und zur Erklaͤrung der Entstehungsart der <hi rendition="#b">Erscheinungen selbst,</hi> worauf sich die Mathematik nicht anwenden laͤßt, gebraucht werden.</p> <p>Die <hi rendition="#b">Peripathetiker</hi> haben auch guten Grund in ihrer Naturlehre, Kraͤfte, verborgene Eigenschaften und dergleichen zu gebrauchen, wenn sie nur dadurch nicht die <hi rendition="#b">Ursachen,</hi> sondern <hi rendition="#b">die Arten der Erscheinungen selbst</hi> verstehen; in so fern sie verschiedene Grade annehmen koͤnnen. Wir koͤnnen z.B. von einer <hi rendition="#b">Anziehungskraft</hi> sprechen, wodurch wir blos die <hi rendition="#b">Wuͤrkung </hi> der Anziehung, nicht aber ihre <hi rendition="#b">Ursache</hi> verstehen. Diese ist in Ansehung unserer eine <hi rendition="#aq">Qualitas occulta.</hi> Jene hingegen hat ihre eigenen Gesetze, wodurch wir von derselben als von etwas <hi rendition="#b">fuͤr sich Bestehendem</hi> sprechen, und ihre Grade bestimmen koͤnnen. So ohngefaͤhr, wie wir in der Algebra die unbekannten Groͤßen <hi rendition="#aq">x</hi> oder <hi rendition="#aq">y </hi> nennen, und dadurch im Stande sind, aus den Bedingungen einer jeden Aufgabe dieselben zu bestimmen; so koͤnnen wir auch die Groͤße der Anziehung, die Kraft selbst mag uns noch so unbekannt seyn, in jedem besondern Falle bestimmen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0006]
chen. Denn da alle koͤrperlichen Naturerscheinungen von der Bewegung abhaͤngen, so ist es nothwendig, daß dieselben aus der Lage, Figur und Groͤße der bewegten Koͤrper, aus den verschiedenen Arten und Graden der Bewegung, nach allgemeinen Naturgesetzen bestimmt werden. Nur muß diese Erklaͤrungsart nicht die Graͤnzen ihres Gebrauchs uͤberschreiten, und zur Erklaͤrung der Entstehungsart der Erscheinungen selbst, worauf sich die Mathematik nicht anwenden laͤßt, gebraucht werden.
Die Peripathetiker haben auch guten Grund in ihrer Naturlehre, Kraͤfte, verborgene Eigenschaften und dergleichen zu gebrauchen, wenn sie nur dadurch nicht die Ursachen, sondern die Arten der Erscheinungen selbst verstehen; in so fern sie verschiedene Grade annehmen koͤnnen. Wir koͤnnen z.B. von einer Anziehungskraft sprechen, wodurch wir blos die Wuͤrkung der Anziehung, nicht aber ihre Ursache verstehen. Diese ist in Ansehung unserer eine Qualitas occulta. Jene hingegen hat ihre eigenen Gesetze, wodurch wir von derselben als von etwas fuͤr sich Bestehendem sprechen, und ihre Grade bestimmen koͤnnen. So ohngefaͤhr, wie wir in der Algebra die unbekannten Groͤßen x oder y nennen, und dadurch im Stande sind, aus den Bedingungen einer jeden Aufgabe dieselben zu bestimmen; so koͤnnen wir auch die Groͤße der Anziehung, die Kraft selbst mag uns noch so unbekannt seyn, in jedem besondern Falle bestimmen.
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| Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/6>, abgerufen am 23.11.2024. |
