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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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der Naturwissenschaft überhaupt beigelegt werden kann. Eben so muß die Behandlungsmethode der Arzeneiwissenschaft keine andere, als die der Naturwissenschaft überhaupt seyn. Man ist auch in jener auf eben dieselben Abwege gerathen, als in dieser, ehe man in beiden den rechten Weg ausfündig gemacht hat. Es giebt nehmlich viererlei Arten die Naturwissenschaft zu behandeln.

A) Die Pythagoräer und Platoniker suchten die Naturerscheinungen durch die Eigenschaften der Zahlen und geometrischen Figuren zu erklären. Die Veranlassung dazu war diese: die Lehrer dieser Wissenschaft wollten dieselbe nicht durch das Profanum Vulgus, die davon keinen richtigen Gebrauch machen können, entweihen lassen. Sie versteckten sie daher unter allerhand hieroglyphische Zeichen aus der Arithmetik und Geometrie, wodurch sie die Naturerscheinungen nicht nur zu erklären, sondern auch zu bestimmen und wissenschaftlich zu behandeln suchten; deren Auslegung aber sie nur ihren geprüften Schülern mitzutheilen pflegten. Der Erfolg davon war, das die Andern, die von dieser Erklärung nichts wußten, die Zeichen für die Sache selbst hielten, und daher auf allerhand abergläubische Meinungen von der Kraft der Zahlen und Figuren geriethen. Uns kann zwar die auf diese Art behandelte antike Naturlehre nicht mehr schaden. Sie kann uns aber auch, da wir


der Naturwissenschaft uͤberhaupt beigelegt werden kann. Eben so muß die Behandlungsmethode der Arzeneiwissenschaft keine andere, als die der Naturwissenschaft uͤberhaupt seyn. Man ist auch in jener auf eben dieselben Abwege gerathen, als in dieser, ehe man in beiden den rechten Weg ausfuͤndig gemacht hat. Es giebt nehmlich viererlei Arten die Naturwissenschaft zu behandeln.

A) Die Pythagoraͤer und Platoniker suchten die Naturerscheinungen durch die Eigenschaften der Zahlen und geometrischen Figuren zu erklaͤren. Die Veranlassung dazu war diese: die Lehrer dieser Wissenschaft wollten dieselbe nicht durch das Profanum Vulgus, die davon keinen richtigen Gebrauch machen koͤnnen, entweihen lassen. Sie versteckten sie daher unter allerhand hieroglyphische Zeichen aus der Arithmetik und Geometrie, wodurch sie die Naturerscheinungen nicht nur zu erklaͤren, sondern auch zu bestimmen und wissenschaftlich zu behandeln suchten; deren Auslegung aber sie nur ihren gepruͤften Schuͤlern mitzutheilen pflegten. Der Erfolg davon war, das die Andern, die von dieser Erklaͤrung nichts wußten, die Zeichen fuͤr die Sache selbst hielten, und daher auf allerhand aberglaͤubische Meinungen von der Kraft der Zahlen und Figuren geriethen. Uns kann zwar die auf diese Art behandelte antike Naturlehre nicht mehr schaden. Sie kann uns aber auch, da wir
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[2/0004] der Naturwissenschaft uͤberhaupt beigelegt werden kann. Eben so muß die Behandlungsmethode der Arzeneiwissenschaft keine andere, als die der Naturwissenschaft uͤberhaupt seyn. Man ist auch in jener auf eben dieselben Abwege gerathen, als in dieser, ehe man in beiden den rechten Weg ausfuͤndig gemacht hat. Es giebt nehmlich viererlei Arten die Naturwissenschaft zu behandeln. A) Die Pythagoraͤer und Platoniker suchten die Naturerscheinungen durch die Eigenschaften der Zahlen und geometrischen Figuren zu erklaͤren. Die Veranlassung dazu war diese: die Lehrer dieser Wissenschaft wollten dieselbe nicht durch das Profanum Vulgus, die davon keinen richtigen Gebrauch machen koͤnnen, entweihen lassen. Sie versteckten sie daher unter allerhand hieroglyphische Zeichen aus der Arithmetik und Geometrie, wodurch sie die Naturerscheinungen nicht nur zu erklaͤren, sondern auch zu bestimmen und wissenschaftlich zu behandeln suchten; deren Auslegung aber sie nur ihren gepruͤften Schuͤlern mitzutheilen pflegten. Der Erfolg davon war, das die Andern, die von dieser Erklaͤrung nichts wußten, die Zeichen fuͤr die Sache selbst hielten, und daher auf allerhand aberglaͤubische Meinungen von der Kraft der Zahlen und Figuren geriethen. Uns kann zwar die auf diese Art behandelte antike Naturlehre nicht mehr schaden. Sie kann uns aber auch, da wir

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/4>, abgerufen am 29.03.2024.