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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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Vögeln, und dergleichen; er fand an diesen Holzschnitten einen großen Gefallen, und bestrebte sich, dieselben mit einem Stückchen Kreide oder einer Kohle nachzuzeichnen. Was aber diesen Trieb bei ihm noch verstärkte, war ein hebräisches Fabelnbuch, worin die agirenden Personagen (die Thiere) durch solche Holzschnitte vorgestellt waren. Er zeichnete alle Figuren mit der größten Genauigkeit ab. Sein Vater bewunderte zwar hierinnen seine Geschicklichkeit, schalt aber zugleich auf ihn, mit diesen Worten: Willst du ein Mahler werden? Du sollst den Talmud studiren und ein Rabiner werden. Wer den Talmud versteht, der versteht alles.

Sein Vater hatte in seiner Studierstube einen Schrank mit Büchern stehn, er verbot zwar dem jungen B. J. alle andern Bücher außer dem Talmud zu lesen. Aber es half nichts. Da der Vater die mehrste Zeit mit häuslichen Angelegenheiten beschäftigt war, so machte sich B. J. diese Zeit zu Nutze.

Aus Neugierde machte er sich über den Schrank her, blätterte alle Bücher durch, und da er schon ziemlich hebräisch verstand, fand er an einigen derselben mehr Behagen als an dem Talmud.

Die vorzüglichsten darunter waren: eine hebräische Chronik; ein Josephus; eine Geschichte der Verfolgung der Juden in Spanien und Portugal; und was ihn am stärksten an sich zog, ein astronomisches Buch.



Voͤgeln, und dergleichen; er fand an diesen Holzschnitten einen großen Gefallen, und bestrebte sich, dieselben mit einem Stuͤckchen Kreide oder einer Kohle nachzuzeichnen. Was aber diesen Trieb bei ihm noch verstaͤrkte, war ein hebraͤisches Fabelnbuch, worin die agirenden Personagen (die Thiere) durch solche Holzschnitte vorgestellt waren. Er zeichnete alle Figuren mit der groͤßten Genauigkeit ab. Sein Vater bewunderte zwar hierinnen seine Geschicklichkeit, schalt aber zugleich auf ihn, mit diesen Worten: Willst du ein Mahler werden? Du sollst den Talmud studiren und ein Rabiner werden. Wer den Talmud versteht, der versteht alles.

Sein Vater hatte in seiner Studierstube einen Schrank mit Buͤchern stehn, er verbot zwar dem jungen B. J. alle andern Buͤcher außer dem Talmud zu lesen. Aber es half nichts. Da der Vater die mehrste Zeit mit haͤuslichen Angelegenheiten beschaͤftigt war, so machte sich B. J. diese Zeit zu Nutze.

Aus Neugierde machte er sich uͤber den Schrank her, blaͤtterte alle Buͤcher durch, und da er schon ziemlich hebraͤisch verstand, fand er an einigen derselben mehr Behagen als an dem Talmud.

Die vorzuͤglichsten darunter waren: eine hebraͤische Chronik; ein Josephus; eine Geschichte der Verfolgung der Juden in Spanien und Portugal; und was ihn am staͤrksten an sich zog, ein astronomisches Buch.


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[26/0028] Voͤgeln, und dergleichen; er fand an diesen Holzschnitten einen großen Gefallen, und bestrebte sich, dieselben mit einem Stuͤckchen Kreide oder einer Kohle nachzuzeichnen. Was aber diesen Trieb bei ihm noch verstaͤrkte, war ein hebraͤisches Fabelnbuch, worin die agirenden Personagen (die Thiere) durch solche Holzschnitte vorgestellt waren. Er zeichnete alle Figuren mit der groͤßten Genauigkeit ab. Sein Vater bewunderte zwar hierinnen seine Geschicklichkeit, schalt aber zugleich auf ihn, mit diesen Worten: Willst du ein Mahler werden? Du sollst den Talmud studiren und ein Rabiner werden. Wer den Talmud versteht, der versteht alles. Sein Vater hatte in seiner Studierstube einen Schrank mit Buͤchern stehn, er verbot zwar dem jungen B. J. alle andern Buͤcher außer dem Talmud zu lesen. Aber es half nichts. Da der Vater die mehrste Zeit mit haͤuslichen Angelegenheiten beschaͤftigt war, so machte sich B. J. diese Zeit zu Nutze. Aus Neugierde machte er sich uͤber den Schrank her, blaͤtterte alle Buͤcher durch, und da er schon ziemlich hebraͤisch verstand, fand er an einigen derselben mehr Behagen als an dem Talmud. Die vorzuͤglichsten darunter waren: eine hebraͤische Chronik; ein Josephus; eine Geschichte der Verfolgung der Juden in Spanien und Portugal; und was ihn am staͤrksten an sich zog, ein astronomisches Buch.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/28>, abgerufen am 29.03.2024.