Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


den ins Ohr rief: sein Feind, mit dem er kurz vor der Krankheit einen heftigen Streit gehabt, sey seines Amtes entsetzt worden.

Der zwischen Furcht und Hofnung schwankende Zustand der Seele ist von der widrigsten Wirkung auf den Körper; die zuweilen bloß dadurch gehoben und in eine heilsame verwandelt wird, daß man den Kranken jeder guten Aussicht beraubt und ihm alle Hofnung benimmt. Das sichere Unglück schlägt das Gemüth nieder, und bringt es mit der Zeit zur Ruhe; das zweifelhafte erhält es in einem rastlosen Wanken, und einer dem Körper höchst verderblichen Lebhaftigkeit. Davon sah ich einst in meiner Praxis ein merkwürdiges Beispiel, das ich hier anführen will, wiewohl ich mir dessen ausführliche Beschreibung auf eine andere Gelegenheit vorbehalte. Jch hatte einen jungen sehr lebhaften Mann an einem Lungengeschwür zu heilen, das bereits mit einem anhaltenden heftigen Fieber, aussetzendem Pulse und eitrichtem Auswurfe verbunden war. Mit aller angewandten Mühe konnte ich meinen Endzweck, die Fieberbewegungen um Etwas zu mildern, doch nicht erreichen. Jch merkte endlich, daß sie vorzüglich von der Unruhe lebhaft unterhalten wurden, in wel-


den ins Ohr rief: sein Feind, mit dem er kurz vor der Krankheit einen heftigen Streit gehabt, sey seines Amtes entsetzt worden.

Der zwischen Furcht und Hofnung schwankende Zustand der Seele ist von der widrigsten Wirkung auf den Koͤrper; die zuweilen bloß dadurch gehoben und in eine heilsame verwandelt wird, daß man den Kranken jeder guten Aussicht beraubt und ihm alle Hofnung benimmt. Das sichere Ungluͤck schlaͤgt das Gemuͤth nieder, und bringt es mit der Zeit zur Ruhe; das zweifelhafte erhaͤlt es in einem rastlosen Wanken, und einer dem Koͤrper hoͤchst verderblichen Lebhaftigkeit. Davon sah ich einst in meiner Praxis ein merkwuͤrdiges Beispiel, das ich hier anfuͤhren will, wiewohl ich mir dessen ausfuͤhrliche Beschreibung auf eine andere Gelegenheit vorbehalte. Jch hatte einen jungen sehr lebhaften Mann an einem Lungengeschwuͤr zu heilen, das bereits mit einem anhaltenden heftigen Fieber, aussetzendem Pulse und eitrichtem Auswurfe verbunden war. Mit aller angewandten Muͤhe konnte ich meinen Endzweck, die Fieberbewegungen um Etwas zu mildern, doch nicht erreichen. Jch merkte endlich, daß sie vorzuͤglich von der Unruhe lebhaft unterhalten wurden, in wel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0103" n="101"/><lb/>
den ins Ohr rief: sein Feind,                         mit dem er kurz vor der Krankheit einen heftigen Streit gehabt, sey seines                         Amtes entsetzt worden.</p>
            <p>Der zwischen Furcht und Hofnung schwankende Zustand der Seele ist von der                         widrigsten Wirkung auf den Ko&#x0364;rper; die zuweilen bloß dadurch gehoben und in                         eine heilsame verwandelt wird, daß man den Kranken jeder guten Aussicht                         beraubt und ihm alle Hofnung benimmt. Das sichere Unglu&#x0364;ck schla&#x0364;gt das Gemu&#x0364;th                         nieder, und bringt es mit der Zeit zur Ruhe; das zweifelhafte erha&#x0364;lt es in                         einem rastlosen Wanken, und einer dem Ko&#x0364;rper ho&#x0364;chst verderblichen                         Lebhaftigkeit. Davon sah ich einst in meiner Praxis ein merkwu&#x0364;rdiges                         Beispiel, das ich hier anfu&#x0364;hren will, wiewohl ich mir dessen ausfu&#x0364;hrliche                         Beschreibung auf eine andere Gelegenheit vorbehalte. Jch hatte einen jungen                         sehr lebhaften Mann an einem Lungengeschwu&#x0364;r zu heilen, das bereits mit einem                         anhaltenden heftigen Fieber, aussetzendem Pulse und eitrichtem Auswurfe                         verbunden war. Mit aller angewandten Mu&#x0364;he konnte ich meinen Endzweck, die                         Fieberbewegungen um Etwas zu mildern, doch nicht erreichen. Jch merkte                         endlich, daß sie vorzu&#x0364;glich von der Unruhe lebhaft unterhalten wurden, in                             wel-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0103] den ins Ohr rief: sein Feind, mit dem er kurz vor der Krankheit einen heftigen Streit gehabt, sey seines Amtes entsetzt worden. Der zwischen Furcht und Hofnung schwankende Zustand der Seele ist von der widrigsten Wirkung auf den Koͤrper; die zuweilen bloß dadurch gehoben und in eine heilsame verwandelt wird, daß man den Kranken jeder guten Aussicht beraubt und ihm alle Hofnung benimmt. Das sichere Ungluͤck schlaͤgt das Gemuͤth nieder, und bringt es mit der Zeit zur Ruhe; das zweifelhafte erhaͤlt es in einem rastlosen Wanken, und einer dem Koͤrper hoͤchst verderblichen Lebhaftigkeit. Davon sah ich einst in meiner Praxis ein merkwuͤrdiges Beispiel, das ich hier anfuͤhren will, wiewohl ich mir dessen ausfuͤhrliche Beschreibung auf eine andere Gelegenheit vorbehalte. Jch hatte einen jungen sehr lebhaften Mann an einem Lungengeschwuͤr zu heilen, das bereits mit einem anhaltenden heftigen Fieber, aussetzendem Pulse und eitrichtem Auswurfe verbunden war. Mit aller angewandten Muͤhe konnte ich meinen Endzweck, die Fieberbewegungen um Etwas zu mildern, doch nicht erreichen. Jch merkte endlich, daß sie vorzuͤglich von der Unruhe lebhaft unterhalten wurden, in wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/103
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/103>, abgerufen am 03.05.2024.