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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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time
(wo er, diese ganze Zeit über herrschend gewesen war).

So lange ich gesonnen war mir das Leben zu rauben, war es niemals aus Vernunft. Jm Gegentheil; Vernunftgründe waren jedesmal dagegen. Jch hatte eine Neigung zum Selbstmorde, wie zu einer Sünde; ich betrachtete ihn, wie das letzte Hülfsmittel; und da ich zum Glücke der Handlung selbst nicht unterlag, so war mir der Gedanke in der Folge sehr nützlich. Er flößte mir Muth ein; ich ertrug jedes Uebel mit mehr Gelassenheit, wenn ich bedachte daß ich doch dieses Mittel mich zu befreien, immer in Händen habe.

Nichts desto weniger war ich mehr als einmal der Vollstreckung nahe. Ja, ich warf eines Tages ein Paar sehr schöne Pistolen in das Wasser, mit welchen ich des Abends aus der Stadt gegangen war, mit dem festen Vorsatze die That endlich einmal zu begehen. Für diesesmal hat mir nur das Präservatif, welches ich eben erwähnt, Einhalt thun können. Doch war die Stimme der Ueberlegung sehr schwach; und nur einer plötzlichen Anstrengung der Vernunft, und dem großen Mißtrauen gegen mich selbst, habe ich es zu verdanken, daß ich dem lebhaften Antriebe nachgab, und die Werkzeuge der Zerstörung, die ich schon in Händen hatte, in den Fluß warf.

Ein andermal, (und zwar zum letztenmale) nahm ich ein Paar Pistolen mit auf das Land, wo


time
(wo er, diese ganze Zeit uͤber herrschend gewesen war).

So lange ich gesonnen war mir das Leben zu rauben, war es niemals aus Vernunft. Jm Gegentheil; Vernunftgruͤnde waren jedesmal dagegen. Jch hatte eine Neigung zum Selbstmorde, wie zu einer Suͤnde; ich betrachtete ihn, wie das letzte Huͤlfsmittel; und da ich zum Gluͤcke der Handlung selbst nicht unterlag, so war mir der Gedanke in der Folge sehr nuͤtzlich. Er floͤßte mir Muth ein; ich ertrug jedes Uebel mit mehr Gelassenheit, wenn ich bedachte daß ich doch dieses Mittel mich zu befreien, immer in Haͤnden habe.

Nichts desto weniger war ich mehr als einmal der Vollstreckung nahe. Ja, ich warf eines Tages ein Paar sehr schoͤne Pistolen in das Wasser, mit welchen ich des Abends aus der Stadt gegangen war, mit dem festen Vorsatze die That endlich einmal zu begehen. Fuͤr diesesmal hat mir nur das Praͤservatif, welches ich eben erwaͤhnt, Einhalt thun koͤnnen. Doch war die Stimme der Ueberlegung sehr schwach; und nur einer ploͤtzlichen Anstrengung der Vernunft, und dem großen Mißtrauen gegen mich selbst, habe ich es zu verdanken, daß ich dem lebhaften Antriebe nachgab, und die Werkzeuge der Zerstoͤrung, die ich schon in Haͤnden hatte, in den Fluß warf.

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[92/0092] time (wo er, diese ganze Zeit uͤber herrschend gewesen war). So lange ich gesonnen war mir das Leben zu rauben, war es niemals aus Vernunft. Jm Gegentheil; Vernunftgruͤnde waren jedesmal dagegen. Jch hatte eine Neigung zum Selbstmorde, wie zu einer Suͤnde; ich betrachtete ihn, wie das letzte Huͤlfsmittel; und da ich zum Gluͤcke der Handlung selbst nicht unterlag, so war mir der Gedanke in der Folge sehr nuͤtzlich. Er floͤßte mir Muth ein; ich ertrug jedes Uebel mit mehr Gelassenheit, wenn ich bedachte daß ich doch dieses Mittel mich zu befreien, immer in Haͤnden habe. Nichts desto weniger war ich mehr als einmal der Vollstreckung nahe. Ja, ich warf eines Tages ein Paar sehr schoͤne Pistolen in das Wasser, mit welchen ich des Abends aus der Stadt gegangen war, mit dem festen Vorsatze die That endlich einmal zu begehen. Fuͤr diesesmal hat mir nur das Praͤservatif, welches ich eben erwaͤhnt, Einhalt thun koͤnnen. Doch war die Stimme der Ueberlegung sehr schwach; und nur einer ploͤtzlichen Anstrengung der Vernunft, und dem großen Mißtrauen gegen mich selbst, habe ich es zu verdanken, daß ich dem lebhaften Antriebe nachgab, und die Werkzeuge der Zerstoͤrung, die ich schon in Haͤnden hatte, in den Fluß warf. Ein andermal, (und zwar zum letztenmale) nahm ich ein Paar Pistolen mit auf das Land, wo

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/92>, abgerufen am 03.05.2024.