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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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die Stirne etc." Wenn man aufmerksam und mit unpartheiischem Auge diese plötzlichen Uebergänge einer sonst so abgehärteten und festen Seele betrachtet, so wird man mir von diesen Uebergängen (nicht Veränderungen) keinen hinlänglichen Grund angeben können, ohne -- den Einfluß einer äussern wirkenden Macht anzunehmen. Aber es ist Mode den Einfluß dieser Macht zu läugnen; und auch ich nehme ihn nur da an, wo ich sehr triftige Bewegungsgründe dazu habe. Sonst würde die Moral zu sehr darunter leiden, und ich will lieber Gefahr laufen zu wenig als zu viel anzunehmen; jedoch suche ich auch das Gegentheil, gar nichts anzunehmen, zu vermeiden. Aber sollte der Weltweise ein Sklave der Mode seyn! o fast schäme ich mich meines Jahrhunderts! Noch war keines der wahren Philosophie mehr zuwider. Man will sich frei machen von dem, was man Vorurtheil nennt, und geräth nun eben den wahren Vorurtheilen in die Hände.

Dum vitant stulti vitia

in contraria currunt.

Aber wir kommen nur dann erst auf den wahren Mittelweg, wenn wir lange genug in den Extremen herumgeschwärmt haben. Der Wagebalken geräth nur nach manchen Schwingungen auf beiden Seiten, in Ruhe. Unsre späten


die Stirne etc.« Wenn man aufmerksam und mit unpartheiischem Auge diese ploͤtzlichen Uebergaͤnge einer sonst so abgehaͤrteten und festen Seele betrachtet, so wird man mir von diesen Uebergaͤngen (nicht Veraͤnderungen) keinen hinlaͤnglichen Grund angeben koͤnnen, ohne — den Einfluß einer aͤussern wirkenden Macht anzunehmen. Aber es ist Mode den Einfluß dieser Macht zu laͤugnen; und auch ich nehme ihn nur da an, wo ich sehr triftige Bewegungsgruͤnde dazu habe. Sonst wuͤrde die Moral zu sehr darunter leiden, und ich will lieber Gefahr laufen zu wenig als zu viel anzunehmen; jedoch suche ich auch das Gegentheil, gar nichts anzunehmen, zu vermeiden. Aber sollte der Weltweise ein Sklave der Mode seyn! o fast schaͤme ich mich meines Jahrhunderts! Noch war keines der wahren Philosophie mehr zuwider. Man will sich frei machen von dem, was man Vorurtheil nennt, und geraͤth nun eben den wahren Vorurtheilen in die Haͤnde.

Dum vitant stulti vitia

in contraria currunt.

Aber wir kommen nur dann erst auf den wahren Mittelweg, wenn wir lange genug in den Extremen herumgeschwaͤrmt haben. Der Wagebalken geraͤth nur nach manchen Schwingungen auf beiden Seiten, in Ruhe. Unsre spaͤten

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[70/0070] die Stirne etc.« Wenn man aufmerksam und mit unpartheiischem Auge diese ploͤtzlichen Uebergaͤnge einer sonst so abgehaͤrteten und festen Seele betrachtet, so wird man mir von diesen Uebergaͤngen (nicht Veraͤnderungen) keinen hinlaͤnglichen Grund angeben koͤnnen, ohne — den Einfluß einer aͤussern wirkenden Macht anzunehmen. Aber es ist Mode den Einfluß dieser Macht zu laͤugnen; und auch ich nehme ihn nur da an, wo ich sehr triftige Bewegungsgruͤnde dazu habe. Sonst wuͤrde die Moral zu sehr darunter leiden, und ich will lieber Gefahr laufen zu wenig als zu viel anzunehmen; jedoch suche ich auch das Gegentheil, gar nichts anzunehmen, zu vermeiden. Aber sollte der Weltweise ein Sklave der Mode seyn! o fast schaͤme ich mich meines Jahrhunderts! Noch war keines der wahren Philosophie mehr zuwider. Man will sich frei machen von dem, was man Vorurtheil nennt, und geraͤth nun eben den wahren Vorurtheilen in die Haͤnde. Dum vitant stulti vitia in contraria currunt. Aber wir kommen nur dann erst auf den wahren Mittelweg, wenn wir lange genug in den Extremen herumgeschwaͤrmt haben. Der Wagebalken geraͤth nur nach manchen Schwingungen auf beiden Seiten, in Ruhe. Unsre spaͤten

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/70>, abgerufen am 23.11.2024.