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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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wohl verstehen, und gemeine Rechnungen mit Fertigkeit zu vollenden im Stande sind.

Denn der mathematische Kalkul erfordert zum Theil die Wegwendung der Aufmerksamkeit -- in dem erklärten Sinne -- und theils eine Anstrengung; das erstere in so ferne die Operationen des gemeinen Kalkuls darin vorkommen, und das letztere in Absicht der darin befindlichen Vernunftschlüsse. Dieser beständige Kontrast ist es, welcher auch einem Genie Verwirrung machen kann.

Wenn also der Wunsch des Herrn von Leibniz in Erfüllung käme, die Zahlzeichen so einzurichten daß das Resultat der Arithmetischen Operationen aus Gesetzen der Vernunft geschlossen werden könnte, so hätte dies wenigstens den Nutzen, daß die gemeinen sowohl als die mathematischen Rechnungen, mit weniger Mühe bearbeitet werden könnten; und der sonst gründliche und erfinderische Plouquet hat dennoch hierüber nicht so geurtheilt, wie er urtheilen sollte und pflegte.

Noch ausführlicher darf ich über diese Materie nicht seyn, denn ich eile zu einem großen Rechenmeister, zum Schlafe.

Ueberhaupt jedes Resultat das uns im wachenden Zustande darum verborgen bleibt, weil sowohl die Jdeen, welche es voraussetzt, oder von denen es zusammengesetzt ist, als auch das Verfahren der Vernunft, welches erforderlich ist, um das Endurtheil zu fällen, von herrschenden Jdeen oder Ver-


wohl verstehen, und gemeine Rechnungen mit Fertigkeit zu vollenden im Stande sind.

Denn der mathematische Kalkul erfordert zum Theil die Wegwendung der Aufmerksamkeit — in dem erklaͤrten Sinne — und theils eine Anstrengung; das erstere in so ferne die Operationen des gemeinen Kalkuls darin vorkommen, und das letztere in Absicht der darin befindlichen Vernunftschluͤsse. Dieser bestaͤndige Kontrast ist es, welcher auch einem Genie Verwirrung machen kann.

Wenn also der Wunsch des Herrn von Leibniz in Erfuͤllung kaͤme, die Zahlzeichen so einzurichten daß das Resultat der Arithmetischen Operationen aus Gesetzen der Vernunft geschlossen werden koͤnnte, so haͤtte dies wenigstens den Nutzen, daß die gemeinen sowohl als die mathematischen Rechnungen, mit weniger Muͤhe bearbeitet werden koͤnnten; und der sonst gruͤndliche und erfinderische Plouquet hat dennoch hieruͤber nicht so geurtheilt, wie er urtheilen sollte und pflegte.

Noch ausfuͤhrlicher darf ich uͤber diese Materie nicht seyn, denn ich eile zu einem großen Rechenmeister, zum Schlafe.

Ueberhaupt jedes Resultat das uns im wachenden Zustande darum verborgen bleibt, weil sowohl die Jdeen, welche es voraussetzt, oder von denen es zusammengesetzt ist, als auch das Verfahren der Vernunft, welches erforderlich ist, um das Endurtheil zu faͤllen, von herrschenden Jdeen oder Ver-

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[29/0029] wohl verstehen, und gemeine Rechnungen mit Fertigkeit zu vollenden im Stande sind. Denn der mathematische Kalkul erfordert zum Theil die Wegwendung der Aufmerksamkeit — in dem erklaͤrten Sinne — und theils eine Anstrengung; das erstere in so ferne die Operationen des gemeinen Kalkuls darin vorkommen, und das letztere in Absicht der darin befindlichen Vernunftschluͤsse. Dieser bestaͤndige Kontrast ist es, welcher auch einem Genie Verwirrung machen kann. Wenn also der Wunsch des Herrn von Leibniz in Erfuͤllung kaͤme, die Zahlzeichen so einzurichten daß das Resultat der Arithmetischen Operationen aus Gesetzen der Vernunft geschlossen werden koͤnnte, so haͤtte dies wenigstens den Nutzen, daß die gemeinen sowohl als die mathematischen Rechnungen, mit weniger Muͤhe bearbeitet werden koͤnnten; und der sonst gruͤndliche und erfinderische Plouquet hat dennoch hieruͤber nicht so geurtheilt, wie er urtheilen sollte und pflegte. Noch ausfuͤhrlicher darf ich uͤber diese Materie nicht seyn, denn ich eile zu einem großen Rechenmeister, zum Schlafe. Ueberhaupt jedes Resultat das uns im wachenden Zustande darum verborgen bleibt, weil sowohl die Jdeen, welche es voraussetzt, oder von denen es zusammengesetzt ist, als auch das Verfahren der Vernunft, welches erforderlich ist, um das Endurtheil zu faͤllen, von herrschenden Jdeen oder Ver-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/29>, abgerufen am 22.11.2024.