Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.Demnach ist die Unterbrechung der Jdeenstetigkeit der Weg der uns auf eine ausser uns vorhandene Wirklichkeit führt, und zum Theil auch ein Merkmaal, daran wir sie erkennen. Jch sagte zum Theil, und dies vorsetzlich, denn nachdem man auf die Jdee geführt worden, so bemerkt man noch andere Merkmaale derselben, welche es eben sind, die den Egoismus so lächerlich machen. Die wichtigsten derselben sind für uns hier von keinem Gebrauche, weil sie besonders auf unsern Zustand im Traume nicht angewandt werden können. Jch werde daher nur eines einzigen Merkmaals gedenken, darnach wir uns richten, welches so schwankend ist, daß es zu Täuschungen verleitet und auch im Traume statt hat; ich meine nehmlich die Stärke der Vorstellung. Wir können mittelst der Einbildungskraft das Bild der Sonne in uns hervorbringen, aber die Kraft der Vorstellung einer mit Augen gesehenen Sonne, wirkt mit einer weit größern Stärke, als die Vorstellung, welche die Einbildungskraft uns gewährt. Wie sehr aber dies Merkmaal irre führen kann, beweisen viele Beispiele, wovon ich nur ein einziges rügen werde. Man weiß, daß Dichter und Mahler von ihren eignen Gedankengeschöpfen getäuscht werden, und es hat Fälle gegeben, daß sie in Furcht und Schrecken gesetzt worden, mit einemmale in einen Winkel gekrochen oder zurükgefahren sind. Demnach ist die Unterbrechung der Jdeenstetigkeit der Weg der uns auf eine ausser uns vorhandene Wirklichkeit fuͤhrt, und zum Theil auch ein Merkmaal, daran wir sie erkennen. Jch sagte zum Theil, und dies vorsetzlich, denn nachdem man auf die Jdee gefuͤhrt worden, so bemerkt man noch andere Merkmaale derselben, welche es eben sind, die den Egoismus so laͤcherlich machen. Die wichtigsten derselben sind fuͤr uns hier von keinem Gebrauche, weil sie besonders auf unsern Zustand im Traume nicht angewandt werden koͤnnen. Jch werde daher nur eines einzigen Merkmaals gedenken, darnach wir uns richten, welches so schwankend ist, daß es zu Taͤuschungen verleitet und auch im Traume statt hat; ich meine nehmlich die Staͤrke der Vorstellung. Wir koͤnnen mittelst der Einbildungskraft das Bild der Sonne in uns hervorbringen, aber die Kraft der Vorstellung einer mit Augen gesehenen Sonne, wirkt mit einer weit groͤßern Staͤrke, als die Vorstellung, welche die Einbildungskraft uns gewaͤhrt. Wie sehr aber dies Merkmaal irre fuͤhren kann, beweisen viele Beispiele, wovon ich nur ein einziges ruͤgen werde. Man weiß, daß Dichter und Mahler von ihren eignen Gedankengeschoͤpfen getaͤuscht werden, und es hat Faͤlle gegeben, daß sie in Furcht und Schrecken gesetzt worden, mit einemmale in einen Winkel gekrochen oder zuruͤkgefahren sind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0023" n="23"/><lb/> <p>Demnach ist die Unterbrechung der Jdeenstetigkeit der Weg der uns auf eine ausser uns vorhandene Wirklichkeit fuͤhrt, und <hi rendition="#b">zum Theil</hi> auch ein Merkmaal, daran wir sie erkennen. </p> <p>Jch sagte <hi rendition="#b">zum Theil,</hi> und dies vorsetzlich, denn nachdem man auf die Jdee gefuͤhrt worden, so bemerkt man noch andere Merkmaale derselben, welche es eben sind, die den Egoismus so laͤcherlich machen. Die wichtigsten derselben sind fuͤr uns hier von keinem Gebrauche, weil sie besonders auf unsern Zustand im Traume nicht angewandt werden koͤnnen. </p> <p>Jch werde daher nur eines einzigen Merkmaals gedenken, darnach wir uns richten, welches so schwankend ist, daß es zu Taͤuschungen verleitet und auch im Traume statt hat; ich meine nehmlich die Staͤrke der Vorstellung. Wir koͤnnen mittelst der Einbildungskraft das Bild der Sonne in uns hervorbringen, aber die Kraft der Vorstellung einer mit Augen gesehenen Sonne, wirkt mit einer weit groͤßern Staͤrke, als die Vorstellung, welche die Einbildungskraft uns gewaͤhrt. </p> <p>Wie sehr aber dies Merkmaal irre fuͤhren kann, beweisen viele Beispiele, wovon ich nur ein einziges ruͤgen werde. Man weiß, daß Dichter und Mahler von ihren eignen Gedankengeschoͤpfen getaͤuscht werden, und es hat Faͤlle gegeben, daß sie in Furcht und Schrecken gesetzt worden, mit einemmale in einen Winkel gekrochen oder zuruͤkgefahren sind. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0023]
Demnach ist die Unterbrechung der Jdeenstetigkeit der Weg der uns auf eine ausser uns vorhandene Wirklichkeit fuͤhrt, und zum Theil auch ein Merkmaal, daran wir sie erkennen.
Jch sagte zum Theil, und dies vorsetzlich, denn nachdem man auf die Jdee gefuͤhrt worden, so bemerkt man noch andere Merkmaale derselben, welche es eben sind, die den Egoismus so laͤcherlich machen. Die wichtigsten derselben sind fuͤr uns hier von keinem Gebrauche, weil sie besonders auf unsern Zustand im Traume nicht angewandt werden koͤnnen.
Jch werde daher nur eines einzigen Merkmaals gedenken, darnach wir uns richten, welches so schwankend ist, daß es zu Taͤuschungen verleitet und auch im Traume statt hat; ich meine nehmlich die Staͤrke der Vorstellung. Wir koͤnnen mittelst der Einbildungskraft das Bild der Sonne in uns hervorbringen, aber die Kraft der Vorstellung einer mit Augen gesehenen Sonne, wirkt mit einer weit groͤßern Staͤrke, als die Vorstellung, welche die Einbildungskraft uns gewaͤhrt.
Wie sehr aber dies Merkmaal irre fuͤhren kann, beweisen viele Beispiele, wovon ich nur ein einziges ruͤgen werde. Man weiß, daß Dichter und Mahler von ihren eignen Gedankengeschoͤpfen getaͤuscht werden, und es hat Faͤlle gegeben, daß sie in Furcht und Schrecken gesetzt worden, mit einemmale in einen Winkel gekrochen oder zuruͤkgefahren sind.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/23>, abgerufen am 16.02.2025. |