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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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Er hatte aus dem Lethe getrunken, und fühlte sich in das Land des Friedens sanft hinüberschlummern.

Dabei heftete sich immer sein Blick auf den blassen Widerschein von den hohen Fenstern, und dieser war es vorzüglich, welcher ihn in eine neue Welt zu versetzen schien: es war dies eine majestätische Schlafkammer, in welcher er seine Augen aufschlug, nachdem er die Nacht wild durchträumt hatte.

Denn wie Träume eines Fieberkranken, waren freilich solche Zeitpunkte in R...s Leben, aber sie waren doch einmal darin, und hatten ihren Grund in seinen Schicksalen von seiner Kindheit an.

Denn war es nicht immer Selbstverachtung, zurückgedrängtes Selbstgefühl, wodurch er in einen solchen Zustand versetzt wurde? Und wurde nicht diese Selbstverachtung durch den immerwährenden Druck von außen bei ihm bewirkt, woran freilich mehr der Zufall Schuld war, als die Menschen?

Als der Tag angebrochen war, kehrte R... mit ruhigem Gemüthe aus dem Dom zurück, und begegnete auf der Straße seinem Freunde N..., der schon früh ein Kollegium besuchte, und welcher erschrak, da er R...n ins Gesicht sahe, so sehr hatte diese Nacht ihn abgemattet und entstellt.

N... ruhete nicht eher, bis R... ihm seinen ganzen Zustand entdeckt hatte.



Er hatte aus dem Lethe getrunken, und fuͤhlte sich in das Land des Friedens sanft hinuͤberschlummern.

Dabei heftete sich immer sein Blick auf den blassen Widerschein von den hohen Fenstern, und dieser war es vorzuͤglich, welcher ihn in eine neue Welt zu versetzen schien: es war dies eine majestaͤtische Schlafkammer, in welcher er seine Augen aufschlug, nachdem er die Nacht wild durchtraͤumt hatte.

Denn wie Traͤume eines Fieberkranken, waren freilich solche Zeitpunkte in R...s Leben, aber sie waren doch einmal darin, und hatten ihren Grund in seinen Schicksalen von seiner Kindheit an.

Denn war es nicht immer Selbstverachtung, zuruͤckgedraͤngtes Selbstgefuͤhl, wodurch er in einen solchen Zustand versetzt wurde? Und wurde nicht diese Selbstverachtung durch den immerwaͤhrenden Druck von außen bei ihm bewirkt, woran freilich mehr der Zufall Schuld war, als die Menschen?

Als der Tag angebrochen war, kehrte R... mit ruhigem Gemuͤthe aus dem Dom zuruͤck, und begegnete auf der Straße seinem Freunde N..., der schon fruͤh ein Kollegium besuchte, und welcher erschrak, da er R...n ins Gesicht sahe, so sehr hatte diese Nacht ihn abgemattet und entstellt.

N... ruhete nicht eher, bis R... ihm seinen ganzen Zustand entdeckt hatte.


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[117/0117] Er hatte aus dem Lethe getrunken, und fuͤhlte sich in das Land des Friedens sanft hinuͤberschlummern. Dabei heftete sich immer sein Blick auf den blassen Widerschein von den hohen Fenstern, und dieser war es vorzuͤglich, welcher ihn in eine neue Welt zu versetzen schien: es war dies eine majestaͤtische Schlafkammer, in welcher er seine Augen aufschlug, nachdem er die Nacht wild durchtraͤumt hatte. Denn wie Traͤume eines Fieberkranken, waren freilich solche Zeitpunkte in R...s Leben, aber sie waren doch einmal darin, und hatten ihren Grund in seinen Schicksalen von seiner Kindheit an. Denn war es nicht immer Selbstverachtung, zuruͤckgedraͤngtes Selbstgefuͤhl, wodurch er in einen solchen Zustand versetzt wurde? Und wurde nicht diese Selbstverachtung durch den immerwaͤhrenden Druck von außen bei ihm bewirkt, woran freilich mehr der Zufall Schuld war, als die Menschen? Als der Tag angebrochen war, kehrte R... mit ruhigem Gemuͤthe aus dem Dom zuruͤck, und begegnete auf der Straße seinem Freunde N..., der schon fruͤh ein Kollegium besuchte, und welcher erschrak, da er R...n ins Gesicht sahe, so sehr hatte diese Nacht ihn abgemattet und entstellt. N... ruhete nicht eher, bis R... ihm seinen ganzen Zustand entdeckt hatte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/117>, abgerufen am 22.11.2024.