Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Dies war denn auch der Fall bei R...; er gieng schon mit einem Gedichte über die Schöpfung schwanger, wo der Stoff nun freilich der allerentfernteste war, den die Einbildungskraft sich denken konnte, und wo er statt des Detail, vor dem er sich scheute, lauter große Massen vor sich fand, deren Darstellung man denn für die eigentlich erhabene Poesie hält; und wozu die unberufenen jungen Dichter immer weit mehr Lust haben, als zu dem, was dem Menschen nahe liegt; denn in dies letztere muß freilich ihr Genie die Erhabenheit erst herein tragen, welche sie in jenem schon vor sich zu finden glauben.

R...s äußere Lage wurde hiebei mit jedem Tage drückender, weil die gehofte Unterstützung aus H... nicht erfolgte, und seine Hausleute ihn immer mehr mit schielen Blicken ansahen, je mehr sie inne wurden, daß er weder Geld besitze, noch welches zu hoffen habe.

Sein Frühstück und Abendbrodt, was er hier genoß, war er nicht im Stande zu bezahlen, und man ließ ihm deutlich merken, daß man nicht länger Willens sey, ihm zu borgen; da man also keinen Nutzen von ihm ziehen konnte, und er überdem ein trauriger Gesellschafter war, so war es natürlich, daß man seiner loß zu seyn wünschte, und ihm die Wohnung aufkündigte.

So wenig auffallend dieß nun an sich war, so tragisch nahm es R...



Dies war denn auch der Fall bei R...; er gieng schon mit einem Gedichte uͤber die Schoͤpfung schwanger, wo der Stoff nun freilich der allerentfernteste war, den die Einbildungskraft sich denken konnte, und wo er statt des Detail, vor dem er sich scheute, lauter große Massen vor sich fand, deren Darstellung man denn fuͤr die eigentlich erhabene Poesie haͤlt; und wozu die unberufenen jungen Dichter immer weit mehr Lust haben, als zu dem, was dem Menschen nahe liegt; denn in dies letztere muß freilich ihr Genie die Erhabenheit erst herein tragen, welche sie in jenem schon vor sich zu finden glauben.

R...s aͤußere Lage wurde hiebei mit jedem Tage druͤckender, weil die gehofte Unterstuͤtzung aus H... nicht erfolgte, und seine Hausleute ihn immer mehr mit schielen Blicken ansahen, je mehr sie inne wurden, daß er weder Geld besitze, noch welches zu hoffen habe.

Sein Fruͤhstuͤck und Abendbrodt, was er hier genoß, war er nicht im Stande zu bezahlen, und man ließ ihm deutlich merken, daß man nicht laͤnger Willens sey, ihm zu borgen; da man also keinen Nutzen von ihm ziehen konnte, und er uͤberdem ein trauriger Gesellschafter war, so war es natuͤrlich, daß man seiner loß zu seyn wuͤnschte, und ihm die Wohnung aufkuͤndigte.

So wenig auffallend dieß nun an sich war, so tragisch nahm es R...


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0113" n="113"/><lb/>
            <p>Dies war denn auch der Fall bei R...; er gieng schon mit einem Gedichte u&#x0364;ber                         die <hi rendition="#b">Scho&#x0364;pfung</hi> schwanger, wo der Stoff nun freilich                         der allerentfernteste war, den die Einbildungskraft sich denken konnte, und                         wo er statt des Detail, vor dem er sich scheute, lauter große Massen vor                         sich fand, deren Darstellung man denn fu&#x0364;r die eigentlich erhabene Poesie                         ha&#x0364;lt; und wozu die unberufenen jungen Dichter immer weit mehr Lust haben,                         als zu dem, was dem Menschen nahe liegt; denn in dies letztere muß freilich                         ihr Genie die Erhabenheit erst herein tragen, welche sie in jenem schon vor                         sich zu finden glauben. </p>
            <p>R...s a&#x0364;ußere Lage wurde hiebei mit jedem Tage dru&#x0364;ckender, weil die gehofte                         Unterstu&#x0364;tzung aus H... nicht erfolgte, und seine Hausleute ihn immer mehr                         mit schielen Blicken ansahen, je mehr sie inne wurden, daß er weder Geld                         besitze, noch welches zu hoffen habe. </p>
            <p>Sein Fru&#x0364;hstu&#x0364;ck und Abendbrodt, was er hier genoß, war er nicht im Stande zu                         bezahlen, und man ließ ihm deutlich merken, daß man nicht la&#x0364;nger Willens                         sey, ihm zu borgen; da man also keinen Nutzen von ihm ziehen konnte, und er                         u&#x0364;berdem ein trauriger Gesellschafter war, so war es natu&#x0364;rlich, daß man                         seiner loß zu seyn wu&#x0364;nschte, und ihm die Wohnung aufku&#x0364;ndigte. </p>
            <p>So wenig auffallend dieß nun an sich war, so tragisch nahm es R... </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0113] Dies war denn auch der Fall bei R...; er gieng schon mit einem Gedichte uͤber die Schoͤpfung schwanger, wo der Stoff nun freilich der allerentfernteste war, den die Einbildungskraft sich denken konnte, und wo er statt des Detail, vor dem er sich scheute, lauter große Massen vor sich fand, deren Darstellung man denn fuͤr die eigentlich erhabene Poesie haͤlt; und wozu die unberufenen jungen Dichter immer weit mehr Lust haben, als zu dem, was dem Menschen nahe liegt; denn in dies letztere muß freilich ihr Genie die Erhabenheit erst herein tragen, welche sie in jenem schon vor sich zu finden glauben. R...s aͤußere Lage wurde hiebei mit jedem Tage druͤckender, weil die gehofte Unterstuͤtzung aus H... nicht erfolgte, und seine Hausleute ihn immer mehr mit schielen Blicken ansahen, je mehr sie inne wurden, daß er weder Geld besitze, noch welches zu hoffen habe. Sein Fruͤhstuͤck und Abendbrodt, was er hier genoß, war er nicht im Stande zu bezahlen, und man ließ ihm deutlich merken, daß man nicht laͤnger Willens sey, ihm zu borgen; da man also keinen Nutzen von ihm ziehen konnte, und er uͤberdem ein trauriger Gesellschafter war, so war es natuͤrlich, daß man seiner loß zu seyn wuͤnschte, und ihm die Wohnung aufkuͤndigte. So wenig auffallend dieß nun an sich war, so tragisch nahm es R...

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/113
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/113>, abgerufen am 22.11.2024.