Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.
So wie man nun an allem zweifelt, was man heftig wünscht, so zweifelte er auch immer, ob die wirkliche Aufführung der Komödie zu Stande kommen, und er seine Rolle darin behalten würde. Dieser Wunsch wurde ihm dann gewährt. Er wurde mit aller Sorgfalt als Klelie geschmückt. Die Lichter wurden angezündet, der Vorhang rauschte empor, und er stand nun da vor einem zahlreichen Auditorium, und spielte ganz unbefangen seine lange Rolle durch, ohne daß ihm ein einzigesmal das Unnatürliche davon eingefallen wäre, so sehr war er in dem Gedanken vertieft, daß er in einer theatralischen Darstellung nun wirklich mit begriffen, und daß seine Mitwirkung in jedem Augenblick dazu nothwendig war. -- Dies Vertiefen in seinen Gegenstand machte, daß er sich selbst vergaß, und daß auch die Zuschauer das Unnatürliche der Rolle weniger bemerkten, und er über sein Spiel sogar noch Beifall erhielt. Da er also nun den Schauplatz betreten hatte, und doch dabei Student blieb, so machte ihm dies doppeltes Vergnügen, und er fühlte sich in der Wiedererinnerung an diesen Abend ein Paar Tage über so
So wie man nun an allem zweifelt, was man heftig wuͤnscht, so zweifelte er auch immer, ob die wirkliche Auffuͤhrung der Komoͤdie zu Stande kommen, und er seine Rolle darin behalten wuͤrde. Dieser Wunsch wurde ihm dann gewaͤhrt. Er wurde mit aller Sorgfalt als Klelie geschmuͤckt. Die Lichter wurden angezuͤndet, der Vorhang rauschte empor, und er stand nun da vor einem zahlreichen Auditorium, und spielte ganz unbefangen seine lange Rolle durch, ohne daß ihm ein einzigesmal das Unnatuͤrliche davon eingefallen waͤre, so sehr war er in dem Gedanken vertieft, daß er in einer theatralischen Darstellung nun wirklich mit begriffen, und daß seine Mitwirkung in jedem Augenblick dazu nothwendig war. — Dies Vertiefen in seinen Gegenstand machte, daß er sich selbst vergaß, und daß auch die Zuschauer das Unnatuͤrliche der Rolle weniger bemerkten, und er uͤber sein Spiel sogar noch Beifall erhielt. Da er also nun den Schauplatz betreten hatte, und doch dabei Student blieb, so machte ihm dies doppeltes Vergnuͤgen, und er fuͤhlte sich in der Wiedererinnerung an diesen Abend ein Paar Tage uͤber so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0009" n="9"/><lb/> reszeiten mit poetischen Farben schildern, und mit den glaͤnzenden und schimmernden Aussichten in die Ewigkeit auf eine pathetische Weise seine Predigt beschließen wollte. Allein es kamen immer Hindernisse dazwischen, daß ihm dieser Wunsch in Erfurt nicht gewaͤhrt wurde. </p> <p>So wie man nun an allem zweifelt, was man heftig wuͤnscht, so zweifelte er auch immer, ob die wirkliche Auffuͤhrung der Komoͤdie zu Stande kommen, und er seine Rolle darin behalten wuͤrde. Dieser Wunsch wurde ihm dann gewaͤhrt. Er wurde mit aller Sorgfalt als Klelie geschmuͤckt. Die Lichter wurden angezuͤndet, der Vorhang rauschte empor, und er stand nun da vor einem zahlreichen Auditorium, und spielte ganz unbefangen seine lange Rolle durch, ohne daß ihm ein einzigesmal das Unnatuͤrliche davon eingefallen waͤre, so sehr war er in dem Gedanken vertieft, daß er in einer theatralischen Darstellung nun wirklich mit begriffen, und daß seine Mitwirkung in jedem Augenblick dazu nothwendig war. — </p> <p>Dies Vertiefen in seinen Gegenstand machte, daß er sich selbst vergaß, und daß auch die Zuschauer das Unnatuͤrliche der Rolle weniger bemerkten, und er uͤber sein Spiel sogar noch Beifall erhielt. Da er also nun den Schauplatz betreten hatte, und doch dabei Student blieb, so machte ihm dies doppeltes Vergnuͤgen, und er fuͤhlte sich in der Wiedererinnerung an diesen Abend ein Paar Tage uͤber so<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
reszeiten mit poetischen Farben schildern, und mit den glaͤnzenden und schimmernden Aussichten in die Ewigkeit auf eine pathetische Weise seine Predigt beschließen wollte. Allein es kamen immer Hindernisse dazwischen, daß ihm dieser Wunsch in Erfurt nicht gewaͤhrt wurde.
So wie man nun an allem zweifelt, was man heftig wuͤnscht, so zweifelte er auch immer, ob die wirkliche Auffuͤhrung der Komoͤdie zu Stande kommen, und er seine Rolle darin behalten wuͤrde. Dieser Wunsch wurde ihm dann gewaͤhrt. Er wurde mit aller Sorgfalt als Klelie geschmuͤckt. Die Lichter wurden angezuͤndet, der Vorhang rauschte empor, und er stand nun da vor einem zahlreichen Auditorium, und spielte ganz unbefangen seine lange Rolle durch, ohne daß ihm ein einzigesmal das Unnatuͤrliche davon eingefallen waͤre, so sehr war er in dem Gedanken vertieft, daß er in einer theatralischen Darstellung nun wirklich mit begriffen, und daß seine Mitwirkung in jedem Augenblick dazu nothwendig war. —
Dies Vertiefen in seinen Gegenstand machte, daß er sich selbst vergaß, und daß auch die Zuschauer das Unnatuͤrliche der Rolle weniger bemerkten, und er uͤber sein Spiel sogar noch Beifall erhielt. Da er also nun den Schauplatz betreten hatte, und doch dabei Student blieb, so machte ihm dies doppeltes Vergnuͤgen, und er fuͤhlte sich in der Wiedererinnerung an diesen Abend ein Paar Tage uͤber so
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/9>, abgerufen am 27.07.2024. |