Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.
Ob nun gleich N... und Reiser fast unzertrennlich beisammen waren, so sehnte sich der letztere doch wieder nach einsamen Spatziergängen, die ihm immer das meiste Vergnügen gewährt hatten; allein dies hatte er sich nun auch verleidet; denn gemeiniglich versprach er sich von einem solchen Spatziergange zu viel, und kehrte verdrüßlich wieder zu Hause, wenn er nicht gefunden hatte, was er suchte; sobald das Dort nun Hier wurde, hatte
Ob nun gleich N... und Reiser fast unzertrennlich beisammen waren, so sehnte sich der letztere doch wieder nach einsamen Spatziergaͤngen, die ihm immer das meiste Vergnuͤgen gewaͤhrt hatten; allein dies hatte er sich nun auch verleidet; denn gemeiniglich versprach er sich von einem solchen Spatziergange zu viel, und kehrte verdruͤßlich wieder zu Hause, wenn er nicht gefunden hatte, was er suchte; sobald das Dort nun Hier wurde, hatte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0023" n="23"/><lb/> bei der entsetzlichsten Langenweile nun, die diese Lektuͤre beiden verursachte, und die sie sich doch einander, und jeder sich selber kaum zu gestehen wagten, hatte N... doch noch den Vortheil des lauten Lesens, womit ihm die Zeit verging: Reiser aber war verdammt zu hoͤren, und uͤber das Gehoͤrte entzuͤckt zu seyn, welches ihm mit die traurigsten Stunden in seinem Leben gemacht hat, deren er sich zu erinnern weiß; und welche ihn am meisten zuruͤckschrecken wuͤrden, seinen Lebenslauf noch einmal von vorn wieder durchzugehen. Denn keine groͤssere Quaal kann es wohl geben, als eine gaͤnzliche Leerheit der Seele, welche vergebens strebt sich aus diesem Zustande heraus zu arbeiten, und unschuldigerweise sich selber in jedem Augenblicke die Schuld beimißt, und sich selber ihres Stumpfsinns anklagt, daß sie von den erhabnen Toͤnen, die unaufhoͤrlich in ihre Ohren klingen, nicht geruͤhrt und erschuͤttert wird. </p> <p>Ob nun gleich N... und Reiser fast unzertrennlich beisammen waren, so sehnte sich der letztere doch wieder nach einsamen Spatziergaͤngen, die ihm immer das meiste Vergnuͤgen gewaͤhrt hatten; allein dies hatte er sich nun auch verleidet; denn gemeiniglich versprach er sich von einem solchen Spatziergange zu viel, und kehrte verdruͤßlich wieder zu Hause, wenn er nicht gefunden hatte, was er suchte; sobald das <hi rendition="#b">Dort</hi> nun <hi rendition="#b">Hier</hi> wurde, hatte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0023]
bei der entsetzlichsten Langenweile nun, die diese Lektuͤre beiden verursachte, und die sie sich doch einander, und jeder sich selber kaum zu gestehen wagten, hatte N... doch noch den Vortheil des lauten Lesens, womit ihm die Zeit verging: Reiser aber war verdammt zu hoͤren, und uͤber das Gehoͤrte entzuͤckt zu seyn, welches ihm mit die traurigsten Stunden in seinem Leben gemacht hat, deren er sich zu erinnern weiß; und welche ihn am meisten zuruͤckschrecken wuͤrden, seinen Lebenslauf noch einmal von vorn wieder durchzugehen. Denn keine groͤssere Quaal kann es wohl geben, als eine gaͤnzliche Leerheit der Seele, welche vergebens strebt sich aus diesem Zustande heraus zu arbeiten, und unschuldigerweise sich selber in jedem Augenblicke die Schuld beimißt, und sich selber ihres Stumpfsinns anklagt, daß sie von den erhabnen Toͤnen, die unaufhoͤrlich in ihre Ohren klingen, nicht geruͤhrt und erschuͤttert wird.
Ob nun gleich N... und Reiser fast unzertrennlich beisammen waren, so sehnte sich der letztere doch wieder nach einsamen Spatziergaͤngen, die ihm immer das meiste Vergnuͤgen gewaͤhrt hatten; allein dies hatte er sich nun auch verleidet; denn gemeiniglich versprach er sich von einem solchen Spatziergange zu viel, und kehrte verdruͤßlich wieder zu Hause, wenn er nicht gefunden hatte, was er suchte; sobald das Dort nun Hier wurde, hatte
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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