Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.Diese Worte, die Mine und Stimme, mit welcher sie sie aussprach, und das dabei liegende große Stück Mauer machten einen solchen Eindruck auf mich, daß ich nachher der Festigkeit des ganzen Hauses nicht mehr trauete, und bei jedesmaligem Lärm auf dem Boden und Erschütterung unsrer Wohnung, wegen der Unsicherheit und Gefahr meines Lebens oft stundenlang weinte. Da ich nun aber einmal die Möglichkeit gesehen hatte, daß von dem Hause etwas loßgehen konnte, so setzte sich neben der Jdee, daß es nicht aus einem Stücke bestehe, sondern von mehrern zusammengesetzt sey, auch die Jdee bei mir fest, daß es mit dem Hause wie mit einem Thiere oder einer Pflanze, und ein Theil dem andern nothwendig wäre, so daß die Verletzung des einen Theiles den Untergang des Ganzen nothwendig nach sich ziehen müsse. Als meine Mutter nun einsmals mit mir ausgewesen war, und wir wieder ins Haus kamen, so war unter der Zeit die unterste Stufe von der Treppe, welche wir ersteigen mußten, weggenommen, um ausgebessert zu werden. Dies sahe ich nun erstlich mit der größten Verwunderung und Bestürzung an; denn ich konnte nicht begreifen, wie es möglich sey, daß die übrigen Stufen der Treppe, die Theile des Hauses, welche mit dieser in Verbindung standen, und überhaupt das ganze Haus nun ferner noch einen Augen- Diese Worte, die Mine und Stimme, mit welcher sie sie aussprach, und das dabei liegende große Stuͤck Mauer machten einen solchen Eindruck auf mich, daß ich nachher der Festigkeit des ganzen Hauses nicht mehr trauete, und bei jedesmaligem Laͤrm auf dem Boden und Erschuͤtterung unsrer Wohnung, wegen der Unsicherheit und Gefahr meines Lebens oft stundenlang weinte. Da ich nun aber einmal die Moͤglichkeit gesehen hatte, daß von dem Hause etwas loßgehen konnte, so setzte sich neben der Jdee, daß es nicht aus einem Stuͤcke bestehe, sondern von mehrern zusammengesetzt sey, auch die Jdee bei mir fest, daß es mit dem Hause wie mit einem Thiere oder einer Pflanze, und ein Theil dem andern nothwendig waͤre, so daß die Verletzung des einen Theiles den Untergang des Ganzen nothwendig nach sich ziehen muͤsse. Als meine Mutter nun einsmals mit mir ausgewesen war, und wir wieder ins Haus kamen, so war unter der Zeit die unterste Stufe von der Treppe, welche wir ersteigen mußten, weggenommen, um ausgebessert zu werden. Dies sahe ich nun erstlich mit der groͤßten Verwunderung und Bestuͤrzung an; denn ich konnte nicht begreifen, wie es moͤglich sey, daß die uͤbrigen Stufen der Treppe, die Theile des Hauses, welche mit dieser in Verbindung standen, und uͤberhaupt das ganze Haus nun ferner noch einen Augen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0088" n="86"/><lb/> <p>Diese Worte, die Mine und Stimme, mit welcher sie sie aussprach, und das dabei liegende große Stuͤck Mauer machten einen solchen Eindruck auf mich, daß ich nachher der Festigkeit des ganzen Hauses nicht mehr trauete, und bei jedesmaligem Laͤrm auf dem Boden und Erschuͤtterung unsrer Wohnung, wegen der Unsicherheit und Gefahr meines Lebens oft stundenlang weinte. </p> <p>Da ich nun aber einmal die Moͤglichkeit gesehen hatte, daß von dem Hause etwas loßgehen konnte, so setzte sich neben der Jdee, daß es nicht aus einem Stuͤcke bestehe, sondern von mehrern zusammengesetzt sey, auch die Jdee bei mir fest, daß es mit dem Hause wie mit einem Thiere oder einer Pflanze, und ein Theil dem andern nothwendig waͤre, so daß die Verletzung des einen Theiles den Untergang des Ganzen nothwendig nach sich ziehen muͤsse. </p> <p>Als meine Mutter nun einsmals mit mir ausgewesen war, und wir wieder ins Haus kamen, so war unter der Zeit die unterste Stufe von der Treppe, welche wir ersteigen mußten, weggenommen, um ausgebessert zu werden. </p> <p>Dies sahe ich nun erstlich mit der groͤßten Verwunderung und Bestuͤrzung an; denn ich konnte nicht begreifen, wie es moͤglich sey, daß die uͤbrigen Stufen der Treppe, die Theile des Hauses, welche mit dieser in Verbindung standen, und uͤberhaupt das ganze Haus nun ferner noch einen Augen-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0088]
Diese Worte, die Mine und Stimme, mit welcher sie sie aussprach, und das dabei liegende große Stuͤck Mauer machten einen solchen Eindruck auf mich, daß ich nachher der Festigkeit des ganzen Hauses nicht mehr trauete, und bei jedesmaligem Laͤrm auf dem Boden und Erschuͤtterung unsrer Wohnung, wegen der Unsicherheit und Gefahr meines Lebens oft stundenlang weinte.
Da ich nun aber einmal die Moͤglichkeit gesehen hatte, daß von dem Hause etwas loßgehen konnte, so setzte sich neben der Jdee, daß es nicht aus einem Stuͤcke bestehe, sondern von mehrern zusammengesetzt sey, auch die Jdee bei mir fest, daß es mit dem Hause wie mit einem Thiere oder einer Pflanze, und ein Theil dem andern nothwendig waͤre, so daß die Verletzung des einen Theiles den Untergang des Ganzen nothwendig nach sich ziehen muͤsse.
Als meine Mutter nun einsmals mit mir ausgewesen war, und wir wieder ins Haus kamen, so war unter der Zeit die unterste Stufe von der Treppe, welche wir ersteigen mußten, weggenommen, um ausgebessert zu werden.
Dies sahe ich nun erstlich mit der groͤßten Verwunderung und Bestuͤrzung an; denn ich konnte nicht begreifen, wie es moͤglich sey, daß die uͤbrigen Stufen der Treppe, die Theile des Hauses, welche mit dieser in Verbindung standen, und uͤberhaupt das ganze Haus nun ferner noch einen Augen-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/88>, abgerufen am 26.06.2024. |