Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
Nun wäre die Wunde zugeheilt, aber sie schmerzt noch, daß es mir die Sinne betäubt. O warum habt ihr mir diese Wunde versetzt? aber ihr wußtet es nicht, daß ihr mir mein Leben verbittern würdet, sonst hättet ihr es gewiß nicht gethan. -- Nun Gottlob! Der Sturm in meiner Seele ist vorüber. Jch bin doch diesmal nicht so tief wie sonst herabgesunken, und habe mich ehr von meinem Falle wieder aufgerafft. Nun will ich aufs neue den festen Versuch fassen, mich nicht durch ähnliche Fälle, wie der heutige, so sehr niederschlagen zu lassen. Den 21. März. Die Wunde war nicht zugeheilt, wie ich glaubte. Jetzt wacht mein Unmuth wieder auf. Kann mich das schon so betrüben, was andre vielleicht nicht achten würden, wie viele Thränen sind mir dann noch aufgespart! Und wie kömmt es denn, daß ich selbst im Trauren, diese Wonne, diesen Trost finde! -- Der Tag ist noch so heiter, und ich kann mich doch nicht dieses Tages freuen. Ach der Gedanke an ein mißlungnes Werk ist fähig unsre ganze Thätigkeit zu hemmen.
Nun waͤre die Wunde zugeheilt, aber sie schmerzt noch, daß es mir die Sinne betaͤubt. O warum habt ihr mir diese Wunde versetzt? aber ihr wußtet es nicht, daß ihr mir mein Leben verbittern wuͤrdet, sonst haͤttet ihr es gewiß nicht gethan. — Nun Gottlob! Der Sturm in meiner Seele ist voruͤber. Jch bin doch diesmal nicht so tief wie sonst herabgesunken, und habe mich ehr von meinem Falle wieder aufgerafft. Nun will ich aufs neue den festen Versuch fassen, mich nicht durch aͤhnliche Faͤlle, wie der heutige, so sehr niederschlagen zu lassen. Den 21. Maͤrz. Die Wunde war nicht zugeheilt, wie ich glaubte. Jetzt wacht mein Unmuth wieder auf. Kann mich das schon so betruͤben, was andre vielleicht nicht achten wuͤrden, wie viele Thraͤnen sind mir dann noch aufgespart! Und wie koͤmmt es denn, daß ich selbst im Trauren, diese Wonne, diesen Trost finde! — Der Tag ist noch so heiter, und ich kann mich doch nicht dieses Tages freuen. Ach der Gedanke an ein mißlungnes Werk ist faͤhig unsre ganze Thaͤtigkeit zu hemmen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0070" n="68"/><lb/> sind ausgetrocknet, und sie sollen nicht wieder fließen, wenn es mir das Leben kostete! </p> <p>Nun waͤre die Wunde zugeheilt, aber sie schmerzt noch, daß es mir die Sinne betaͤubt. </p> <p>O warum habt ihr mir diese Wunde versetzt? aber ihr wußtet es nicht, daß ihr mir mein Leben verbittern wuͤrdet, sonst haͤttet ihr es gewiß nicht gethan. — </p> <p>Nun Gottlob! Der Sturm in meiner Seele ist voruͤber. Jch bin doch diesmal nicht so tief wie sonst herabgesunken, und habe mich ehr von meinem Falle wieder aufgerafft. Nun will ich aufs neue den festen Versuch fassen, mich nicht durch aͤhnliche Faͤlle, wie der heutige, so sehr niederschlagen zu lassen. </p> </div> <div n="4"> <opener> <dateline>Den 21. Maͤrz.</dateline> </opener> <p>Die Wunde war nicht zugeheilt, wie ich glaubte. Jetzt wacht mein Unmuth wieder auf. </p> <p>Kann mich das schon so betruͤben, was andre vielleicht nicht achten wuͤrden, wie viele Thraͤnen sind mir dann noch aufgespart! Und wie koͤmmt es denn, daß ich selbst im Trauren, diese Wonne, diesen Trost finde! — </p> <p>Der Tag ist noch so heiter, und ich kann mich doch nicht dieses Tages freuen. Ach der Gedanke an ein mißlungnes Werk ist faͤhig unsre ganze Thaͤtigkeit zu hemmen. </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0070]
sind ausgetrocknet, und sie sollen nicht wieder fließen, wenn es mir das Leben kostete!
Nun waͤre die Wunde zugeheilt, aber sie schmerzt noch, daß es mir die Sinne betaͤubt.
O warum habt ihr mir diese Wunde versetzt? aber ihr wußtet es nicht, daß ihr mir mein Leben verbittern wuͤrdet, sonst haͤttet ihr es gewiß nicht gethan. —
Nun Gottlob! Der Sturm in meiner Seele ist voruͤber. Jch bin doch diesmal nicht so tief wie sonst herabgesunken, und habe mich ehr von meinem Falle wieder aufgerafft. Nun will ich aufs neue den festen Versuch fassen, mich nicht durch aͤhnliche Faͤlle, wie der heutige, so sehr niederschlagen zu lassen.
Den 21. Maͤrz. Die Wunde war nicht zugeheilt, wie ich glaubte. Jetzt wacht mein Unmuth wieder auf.
Kann mich das schon so betruͤben, was andre vielleicht nicht achten wuͤrden, wie viele Thraͤnen sind mir dann noch aufgespart! Und wie koͤmmt es denn, daß ich selbst im Trauren, diese Wonne, diesen Trost finde! —
Der Tag ist noch so heiter, und ich kann mich doch nicht dieses Tages freuen. Ach der Gedanke an ein mißlungnes Werk ist faͤhig unsre ganze Thaͤtigkeit zu hemmen.
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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