Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.Nun traf es sich, daß ich einmal krank ward, als ich den Abend vorher über die Operationen der hannövrischen Armee mich weidlich die Charte zur Hand gestritten hatte; und unsere letzten Nachrichten waren von Minden. Jch lag des Morgens auf meinem Bette, halb schlummernd, doch nicht schlafend, sahe die ganze alliirte Armee gegen die Franzosen würken, wußte wer am rechten und linken Flügel commandirte. Sahe, wie die Franzosen in die Flucht gingen, und die Leichen, und meinen Bruder betäubt von einer Kugel, die seinen Kammeraden niederschoß, zur Erde fallen, und zugleich, daß der Erbprinz und Graf Kielmansegg an einem andern Ort einen französischen General schlugen. Erwachte aus meinem Schlummer, und war meiner Sache so gewiß, daß ich es als Gewißheit mit allen Umständen erzählte; und erst acht Tage nachher erhielten wir volle Bestätigung. Eben denselben Vorfall hatte ich, da ihr König die große Bataille gegen die Russen verlor. Jch sahe ihn und sein Heer fliehen, und ihn allein. Jch sagte es denselben Tag mit allen Umständen, und endlich war mir auch die Uebergabe von Dresden mit 150 Kanonen so bekannt und gewiß am Tage der Uebergabe, daß ich meinen Kopf darauf verpfändet hätte. Auf einen bloßen Zufall lassen sich dergleichen bestimmte Wirkungen der Seele nicht rechnen. Nun traf es sich, daß ich einmal krank ward, als ich den Abend vorher uͤber die Operationen der hannoͤvrischen Armee mich weidlich die Charte zur Hand gestritten hatte; und unsere letzten Nachrichten waren von Minden. Jch lag des Morgens auf meinem Bette, halb schlummernd, doch nicht schlafend, sahe die ganze alliirte Armee gegen die Franzosen wuͤrken, wußte wer am rechten und linken Fluͤgel commandirte. Sahe, wie die Franzosen in die Flucht gingen, und die Leichen, und meinen Bruder betaͤubt von einer Kugel, die seinen Kammeraden niederschoß, zur Erde fallen, und zugleich, daß der Erbprinz und Graf Kielmansegg an einem andern Ort einen franzoͤsischen General schlugen. Erwachte aus meinem Schlummer, und war meiner Sache so gewiß, daß ich es als Gewißheit mit allen Umstaͤnden erzaͤhlte; und erst acht Tage nachher erhielten wir volle Bestaͤtigung. Eben denselben Vorfall hatte ich, da ihr Koͤnig die große Bataille gegen die Russen verlor. Jch sahe ihn und sein Heer fliehen, und ihn allein. Jch sagte es denselben Tag mit allen Umstaͤnden, und endlich war mir auch die Uebergabe von Dresden mit 150 Kanonen so bekannt und gewiß am Tage der Uebergabe, daß ich meinen Kopf darauf verpfaͤndet haͤtte. Auf einen bloßen Zufall lassen sich dergleichen bestimmte Wirkungen der Seele nicht rechnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0055" n="53"/><lb/> <p>Nun traf es sich, daß ich einmal krank ward, als ich den Abend vorher uͤber die Operationen der hannoͤvrischen Armee mich weidlich die Charte zur Hand gestritten hatte; und unsere letzten Nachrichten waren von Minden.</p> <p>Jch lag des Morgens auf meinem Bette, halb schlummernd, doch nicht schlafend, sahe die ganze alliirte Armee gegen die Franzosen wuͤrken, wußte wer am rechten und linken Fluͤgel commandirte. Sahe, wie die Franzosen in die Flucht gingen, und die Leichen, und meinen Bruder betaͤubt von einer Kugel, die seinen Kammeraden niederschoß, zur Erde fallen, und zugleich, daß der Erbprinz und Graf Kielmansegg an einem andern Ort einen franzoͤsischen General schlugen. </p> <p>Erwachte aus meinem Schlummer, und war meiner Sache so gewiß, daß ich es als Gewißheit mit allen Umstaͤnden erzaͤhlte; und erst acht Tage nachher erhielten wir volle Bestaͤtigung. </p> <p>Eben denselben Vorfall hatte ich, da ihr Koͤnig die große Bataille gegen die Russen verlor. Jch sahe ihn und sein Heer fliehen, und ihn allein. </p> <p>Jch sagte es denselben Tag mit allen Umstaͤnden, und endlich war mir auch die Uebergabe von Dresden mit 150 Kanonen so bekannt und gewiß am Tage der Uebergabe, daß ich meinen Kopf darauf verpfaͤndet haͤtte. </p> <p>Auf einen bloßen Zufall lassen sich dergleichen bestimmte Wirkungen der Seele nicht rechnen.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0055]
Nun traf es sich, daß ich einmal krank ward, als ich den Abend vorher uͤber die Operationen der hannoͤvrischen Armee mich weidlich die Charte zur Hand gestritten hatte; und unsere letzten Nachrichten waren von Minden.
Jch lag des Morgens auf meinem Bette, halb schlummernd, doch nicht schlafend, sahe die ganze alliirte Armee gegen die Franzosen wuͤrken, wußte wer am rechten und linken Fluͤgel commandirte. Sahe, wie die Franzosen in die Flucht gingen, und die Leichen, und meinen Bruder betaͤubt von einer Kugel, die seinen Kammeraden niederschoß, zur Erde fallen, und zugleich, daß der Erbprinz und Graf Kielmansegg an einem andern Ort einen franzoͤsischen General schlugen.
Erwachte aus meinem Schlummer, und war meiner Sache so gewiß, daß ich es als Gewißheit mit allen Umstaͤnden erzaͤhlte; und erst acht Tage nachher erhielten wir volle Bestaͤtigung.
Eben denselben Vorfall hatte ich, da ihr Koͤnig die große Bataille gegen die Russen verlor. Jch sahe ihn und sein Heer fliehen, und ihn allein.
Jch sagte es denselben Tag mit allen Umstaͤnden, und endlich war mir auch die Uebergabe von Dresden mit 150 Kanonen so bekannt und gewiß am Tage der Uebergabe, daß ich meinen Kopf darauf verpfaͤndet haͤtte.
Auf einen bloßen Zufall lassen sich dergleichen bestimmte Wirkungen der Seele nicht rechnen.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/55>, abgerufen am 01.07.2024. |