Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


uns das höchste Gut seyn; und alles Erwünschte und Angenehme, was nicht mit ihr bestehen kann, in unsern Gedanken überwiegen.

Um nun aber das Ziel der Wahrheitsforschung sich nicht zu voreilig aufzustecken, ist der Weg der Erfahrung der sicherste, welcher freilich die Entstehung der Lehrgebäude hindert, aber dafür eine desto festere Grundlage macht, worauf man sicher fußen kann, ehe man weiter geht.

Die Erforschung unsers eigenen innersten Wesens ist nun dasjenige, was freilich näher als alles andere liegt: denn zu allem übrigen noch so weit Umfassenden müssen wir doch immer von diesem Punkt ausgehen, und immer zu diesem Punkte wieder zurückkehren.

Ob nun diese Erforschung unsers Wesens, dieser Rückblick auf uns selber, mit zu unsrer Bestimmung gehören oder nicht? kann bei denkenden Wesen wohl schwerlich noch eine Frage seyn: Denn würden wir uns diesen Rückblick verbieten können, wenn wir es auch selber wollten?

Und gesetzt auch, daß aus diesen Betrachtungen sich für das eigentliche Leben kein unmittelbarer Nutzen zeigte, so würde doch dieser Gesichtspunkt immer dazu dienen, den Kreis des menschlichen Denkens überhaupt zu veredeln, und zu verschönern, und allen übrigen Dingen im Leben mehr Jnteresse, und Würde zu geben -- allein der Nutzen davon, daß wir der Quelle aller Thätigkeit selber uns zu


uns das hoͤchste Gut seyn; und alles Erwuͤnschte und Angenehme, was nicht mit ihr bestehen kann, in unsern Gedanken uͤberwiegen.

Um nun aber das Ziel der Wahrheitsforschung sich nicht zu voreilig aufzustecken, ist der Weg der Erfahrung der sicherste, welcher freilich die Entstehung der Lehrgebaͤude hindert, aber dafuͤr eine desto festere Grundlage macht, worauf man sicher fußen kann, ehe man weiter geht.

Die Erforschung unsers eigenen innersten Wesens ist nun dasjenige, was freilich naͤher als alles andere liegt: denn zu allem uͤbrigen noch so weit Umfassenden muͤssen wir doch immer von diesem Punkt ausgehen, und immer zu diesem Punkte wieder zuruͤckkehren.

Ob nun diese Erforschung unsers Wesens, dieser Ruͤckblick auf uns selber, mit zu unsrer Bestimmung gehoͤren oder nicht? kann bei denkenden Wesen wohl schwerlich noch eine Frage seyn: Denn wuͤrden wir uns diesen Ruͤckblick verbieten koͤnnen, wenn wir es auch selber wollten?

Und gesetzt auch, daß aus diesen Betrachtungen sich fuͤr das eigentliche Leben kein unmittelbarer Nutzen zeigte, so wuͤrde doch dieser Gesichtspunkt immer dazu dienen, den Kreis des menschlichen Denkens uͤberhaupt zu veredeln, und zu verschoͤnern, und allen uͤbrigen Dingen im Leben mehr Jnteresse, und Wuͤrde zu geben — allein der Nutzen davon, daß wir der Quelle aller Thaͤtigkeit selber uns zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="2"/><lb/>
uns das ho&#x0364;chste Gut seyn; und alles                         Erwu&#x0364;nschte und Angenehme, was nicht mit ihr bestehen kann, in unsern                         Gedanken u&#x0364;berwiegen. </p>
          <p>Um nun aber das Ziel der Wahrheitsforschung sich nicht zu voreilig                         aufzustecken, ist der Weg der Erfahrung der sicherste, welcher freilich die                         Entstehung der Lehrgeba&#x0364;ude hindert, aber dafu&#x0364;r eine desto festere Grundlage                         macht, worauf man sicher fußen kann, ehe man weiter geht. </p>
          <p>Die Erforschung unsers eigenen innersten Wesens ist nun dasjenige, was                         freilich na&#x0364;her als alles andere liegt: denn zu allem u&#x0364;brigen noch so weit                         Umfassenden mu&#x0364;ssen wir doch immer von diesem Punkt ausgehen, und immer zu                         diesem Punkte wieder zuru&#x0364;ckkehren. </p>
          <p>Ob nun diese Erforschung unsers Wesens, dieser Ru&#x0364;ckblick auf uns selber, mit                         zu unsrer Bestimmung geho&#x0364;ren oder nicht? kann bei denkenden Wesen wohl                         schwerlich noch eine Frage seyn: Denn wu&#x0364;rden wir uns diesen Ru&#x0364;ckblick                         verbieten ko&#x0364;nnen, wenn wir es auch selber wollten? </p>
          <p>Und gesetzt auch, daß aus diesen Betrachtungen sich fu&#x0364;r das eigentliche Leben                         kein unmittelbarer Nutzen zeigte, so wu&#x0364;rde doch dieser Gesichtspunkt immer                         dazu dienen, den Kreis des menschlichen Denkens u&#x0364;berhaupt zu veredeln, und                         zu verscho&#x0364;nern, und allen u&#x0364;brigen Dingen im Leben mehr Jnteresse, und Wu&#x0364;rde                         zu geben &#x2014; allein der Nutzen davon, daß wir der Quelle aller Tha&#x0364;tigkeit                         selber uns zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0004] uns das hoͤchste Gut seyn; und alles Erwuͤnschte und Angenehme, was nicht mit ihr bestehen kann, in unsern Gedanken uͤberwiegen. Um nun aber das Ziel der Wahrheitsforschung sich nicht zu voreilig aufzustecken, ist der Weg der Erfahrung der sicherste, welcher freilich die Entstehung der Lehrgebaͤude hindert, aber dafuͤr eine desto festere Grundlage macht, worauf man sicher fußen kann, ehe man weiter geht. Die Erforschung unsers eigenen innersten Wesens ist nun dasjenige, was freilich naͤher als alles andere liegt: denn zu allem uͤbrigen noch so weit Umfassenden muͤssen wir doch immer von diesem Punkt ausgehen, und immer zu diesem Punkte wieder zuruͤckkehren. Ob nun diese Erforschung unsers Wesens, dieser Ruͤckblick auf uns selber, mit zu unsrer Bestimmung gehoͤren oder nicht? kann bei denkenden Wesen wohl schwerlich noch eine Frage seyn: Denn wuͤrden wir uns diesen Ruͤckblick verbieten koͤnnen, wenn wir es auch selber wollten? Und gesetzt auch, daß aus diesen Betrachtungen sich fuͤr das eigentliche Leben kein unmittelbarer Nutzen zeigte, so wuͤrde doch dieser Gesichtspunkt immer dazu dienen, den Kreis des menschlichen Denkens uͤberhaupt zu veredeln, und zu verschoͤnern, und allen uͤbrigen Dingen im Leben mehr Jnteresse, und Wuͤrde zu geben — allein der Nutzen davon, daß wir der Quelle aller Thaͤtigkeit selber uns zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/4
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/4>, abgerufen am 18.04.2024.