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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

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Zur Seelennaturkunde.
1. Ueber den Zweck der Thränen.
Aus einer ungedruckten Schrift über den Trost.

"Laß mich ausweinen," sagt der Traurige, und wenn er lange und viel geweint hat, so wird er auch beruhigter; die Vorstellung des verlornen und geliebten Gegenstandes steht nicht mehr so lebhaft in ihm auf, wie vorher.

Wenn dies die Thränen wirklich vermögen, so beschleichen wir hier wieder die Natur auf einem der wohlthätigsten Wege. -- Sie lehrt ja aber auch das Thier im Walde die Pflanze finden, die seine Wunde heilt; und wie sollte sie da den Menschen ganz sich selbst überlassen und nichts für ihn thun? Das thut sie aber auch nicht, sondern zu Wasser und zu Land, wenn ich mich so ausdrücken darf, sucht sie den Traurigen von seinem Hinsehnen nach dem, was er mit Schmerzen verloren hat, abzuwenden.



Zur Seelennaturkunde.
1. Ueber den Zweck der Thraͤnen.
Aus einer ungedruckten Schrift uͤber den Trost.

»Laß mich ausweinen,« sagt der Traurige, und wenn er lange und viel geweint hat, so wird er auch beruhigter; die Vorstellung des verlornen und geliebten Gegenstandes steht nicht mehr so lebhaft in ihm auf, wie vorher.

Wenn dies die Thraͤnen wirklich vermoͤgen, so beschleichen wir hier wieder die Natur auf einem der wohlthaͤtigsten Wege. — Sie lehrt ja aber auch das Thier im Walde die Pflanze finden, die seine Wunde heilt; und wie sollte sie da den Menschen ganz sich selbst uͤberlassen und nichts fuͤr ihn thun? Das thut sie aber auch nicht, sondern zu Wasser und zu Land, wenn ich mich so ausdruͤcken darf, sucht sie den Traurigen von seinem Hinsehnen nach dem, was er mit Schmerzen verloren hat, abzuwenden.


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[19/0021] Zur Seelennaturkunde. 1. Ueber den Zweck der Thraͤnen. Aus einer ungedruckten Schrift uͤber den Trost. »Laß mich ausweinen,« sagt der Traurige, und wenn er lange und viel geweint hat, so wird er auch beruhigter; die Vorstellung des verlornen und geliebten Gegenstandes steht nicht mehr so lebhaft in ihm auf, wie vorher. Wenn dies die Thraͤnen wirklich vermoͤgen, so beschleichen wir hier wieder die Natur auf einem der wohlthaͤtigsten Wege. — Sie lehrt ja aber auch das Thier im Walde die Pflanze finden, die seine Wunde heilt; und wie sollte sie da den Menschen ganz sich selbst uͤberlassen und nichts fuͤr ihn thun? Das thut sie aber auch nicht, sondern zu Wasser und zu Land, wenn ich mich so ausdruͤcken darf, sucht sie den Traurigen von seinem Hinsehnen nach dem, was er mit Schmerzen verloren hat, abzuwenden.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/21>, abgerufen am 19.04.2024.