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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

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Dieser stellte ihn nach einiger Zeit nicht nur von der Raserei völlig wieder her, sondern hatte ihn auch so weit gebracht, daß er sich, außer einzelnen kurzen Perioden, worin er sich närrisch zeigte, wie ein völlig vernünftiger Mensch betrug.

Seine Eltern glaubten nun, es werde sich nach grade von selbst schon ganz mit ihm bessern, und nahmen ihn wieder zu sich.

Die gehofte völlige Besserung aber erfolgte nicht, sein Vater starb bald darauf, und seine Mutter verkaufte das Meierguth, und zog zu ihrer Tochter, welche nach N.... verheirathet war.

Sie verkaufte das Guth, aber auf die Art, daß der Käufer desselben diesen unglücklichen Menschen gleichsam als ein auf diesem Guthe haftendes Onus mit übernehmen mußte, und mit dem Beding, daß er ihn entweder selbst ernähren, und so viel wie er könnte, mit zu seiner Arbeit brauchen oder ihm jährlich ein Gewisses zu seiner Erhaltung auszahlen solle.

Jhm war dies nun äußerst kränkend, und er beklagte sich auf das Bitterste und Rührendste über diese Härte und Lieblosigkeit seiner Mutter. Welches auch ganz natürlich war, da er von Natur viel Stolz besaß, und nun so tief gesunken war, daß er wie eine Sache mit verkauft wurde.

Anfänglich ließ er es sich jedoch gefallen, daß er bei seinem Besitzer mit an den Tisch gieng und ihm getreulich arbeiten half. Bald aber trug er


Dieser stellte ihn nach einiger Zeit nicht nur von der Raserei voͤllig wieder her, sondern hatte ihn auch so weit gebracht, daß er sich, außer einzelnen kurzen Perioden, worin er sich naͤrrisch zeigte, wie ein voͤllig vernuͤnftiger Mensch betrug.

Seine Eltern glaubten nun, es werde sich nach grade von selbst schon ganz mit ihm bessern, und nahmen ihn wieder zu sich.

Die gehofte voͤllige Besserung aber erfolgte nicht, sein Vater starb bald darauf, und seine Mutter verkaufte das Meierguth, und zog zu ihrer Tochter, welche nach N.... verheirathet war.

Sie verkaufte das Guth, aber auf die Art, daß der Kaͤufer desselben diesen ungluͤcklichen Menschen gleichsam als ein auf diesem Guthe haftendes Onus mit uͤbernehmen mußte, und mit dem Beding, daß er ihn entweder selbst ernaͤhren, und so viel wie er koͤnnte, mit zu seiner Arbeit brauchen oder ihm jaͤhrlich ein Gewisses zu seiner Erhaltung auszahlen solle.

Jhm war dies nun aͤußerst kraͤnkend, und er beklagte sich auf das Bitterste und Ruͤhrendste uͤber diese Haͤrte und Lieblosigkeit seiner Mutter. Welches auch ganz natuͤrlich war, da er von Natur viel Stolz besaß, und nun so tief gesunken war, daß er wie eine Sache mit verkauft wurde.

Anfaͤnglich ließ er es sich jedoch gefallen, daß er bei seinem Besitzer mit an den Tisch gieng und ihm getreulich arbeiten half. Bald aber trug er

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[14/0016] Dieser stellte ihn nach einiger Zeit nicht nur von der Raserei voͤllig wieder her, sondern hatte ihn auch so weit gebracht, daß er sich, außer einzelnen kurzen Perioden, worin er sich naͤrrisch zeigte, wie ein voͤllig vernuͤnftiger Mensch betrug. Seine Eltern glaubten nun, es werde sich nach grade von selbst schon ganz mit ihm bessern, und nahmen ihn wieder zu sich. Die gehofte voͤllige Besserung aber erfolgte nicht, sein Vater starb bald darauf, und seine Mutter verkaufte das Meierguth, und zog zu ihrer Tochter, welche nach N.... verheirathet war. Sie verkaufte das Guth, aber auf die Art, daß der Kaͤufer desselben diesen ungluͤcklichen Menschen gleichsam als ein auf diesem Guthe haftendes Onus mit uͤbernehmen mußte, und mit dem Beding, daß er ihn entweder selbst ernaͤhren, und so viel wie er koͤnnte, mit zu seiner Arbeit brauchen oder ihm jaͤhrlich ein Gewisses zu seiner Erhaltung auszahlen solle. Jhm war dies nun aͤußerst kraͤnkend, und er beklagte sich auf das Bitterste und Ruͤhrendste uͤber diese Haͤrte und Lieblosigkeit seiner Mutter. Welches auch ganz natuͤrlich war, da er von Natur viel Stolz besaß, und nun so tief gesunken war, daß er wie eine Sache mit verkauft wurde. Anfaͤnglich ließ er es sich jedoch gefallen, daß er bei seinem Besitzer mit an den Tisch gieng und ihm getreulich arbeiten half. Bald aber trug er

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/16>, abgerufen am 25.04.2024.