Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.H... hingegen redet in einem ganz oberflächigen Tone -- oder er berührt mit seinem Tone gleichsam nur die Oberfläche der Jdeen, die er ausdrücken will. -- Die heraushebende Kraft, das konzentrirte Licht auf dem Hauptgedanken fehlt ihm. Diese Oberflächigkeit zeichnet sich in seinem ganzen übrigen Wesen, und auch in seiner Bildung aus, wo die markirten Züge gleichsam wegfallen und schwinden, die Lippen beim Reden scheinen sich maschinenmäßig zu bewegen, und überhaupt kein rechter innerer Kern vorhanden zu seyn, der eine feste Gewalt über den Körper ausübte. -- Er kann in eine fürchterliche Erbitterung gerathen, die ihn aber auch ganz außer Thätigkeit setzt, und seine Glieder konvulsivisch bewegt. Sein Auge ist klein und matt. F... giebt auch zwar im Reden immer dem Hauptgedanken das meiste Gewicht, aber er eilet nicht, sondern schreitet bedächtig hinzu -- dieß nimmt ihm zu viele Zeit im Denken weg, um über vieles in seinem Leben nachdenken zu können. Es scheint, als wenn er einmal richtig und vernünftig handeln, aber aus dem eigentlichen Denken nie ein Hauptgeschäft machen werde. Die gemeinsten Köpfe scheinen, wenn es nicht eine besondre Angewohnheit ist, sich vorzüglich dadurch mit auszuzeichnen, daß sie im Reden auf den Hülfswörtern, fast eben so lange, wie auf den Hauptwörtern verweilen; die Hülfswörter haben, H... hingegen redet in einem ganz oberflaͤchigen Tone — oder er beruͤhrt mit seinem Tone gleichsam nur die Oberflaͤche der Jdeen, die er ausdruͤcken will. — Die heraushebende Kraft, das konzentrirte Licht auf dem Hauptgedanken fehlt ihm. Diese Oberflaͤchigkeit zeichnet sich in seinem ganzen uͤbrigen Wesen, und auch in seiner Bildung aus, wo die markirten Zuͤge gleichsam wegfallen und schwinden, die Lippen beim Reden scheinen sich maschinenmaͤßig zu bewegen, und uͤberhaupt kein rechter innerer Kern vorhanden zu seyn, der eine feste Gewalt uͤber den Koͤrper ausuͤbte. — Er kann in eine fuͤrchterliche Erbitterung gerathen, die ihn aber auch ganz außer Thaͤtigkeit setzt, und seine Glieder konvulsivisch bewegt. Sein Auge ist klein und matt. F... giebt auch zwar im Reden immer dem Hauptgedanken das meiste Gewicht, aber er eilet nicht, sondern schreitet bedaͤchtig hinzu — dieß nimmt ihm zu viele Zeit im Denken weg, um uͤber vieles in seinem Leben nachdenken zu koͤnnen. Es scheint, als wenn er einmal richtig und vernuͤnftig handeln, aber aus dem eigentlichen Denken nie ein Hauptgeschaͤft machen werde. Die gemeinsten Koͤpfe scheinen, wenn es nicht eine besondre Angewohnheit ist, sich vorzuͤglich dadurch mit auszuzeichnen, daß sie im Reden auf den Huͤlfswoͤrtern, fast eben so lange, wie auf den Hauptwoͤrtern verweilen; die Huͤlfswoͤrter haben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0112" n="110"/><lb/> <p>H... hingegen redet in einem ganz oberflaͤchigen Tone — oder er beruͤhrt mit seinem Tone gleichsam nur die Oberflaͤche der Jdeen, die er ausdruͤcken will. — Die heraushebende Kraft, das konzentrirte Licht auf dem Hauptgedanken fehlt ihm. </p> <p>Diese Oberflaͤchigkeit zeichnet sich in seinem ganzen uͤbrigen Wesen, und auch in seiner Bildung aus, wo die markirten Zuͤge gleichsam wegfallen und schwinden, die Lippen beim Reden scheinen sich maschinenmaͤßig zu bewegen, und uͤberhaupt kein rechter innerer Kern vorhanden zu seyn, der eine feste Gewalt uͤber den Koͤrper ausuͤbte. — </p> <p>Er kann in eine fuͤrchterliche Erbitterung gerathen, die ihn aber auch ganz außer Thaͤtigkeit setzt, und seine Glieder konvulsivisch bewegt. Sein Auge ist klein und matt.</p> <p>F... giebt auch zwar im Reden immer dem Hauptgedanken das meiste Gewicht, aber er eilet nicht, sondern schreitet bedaͤchtig hinzu — dieß nimmt ihm zu viele Zeit im Denken weg, um uͤber vieles in seinem Leben nachdenken zu koͤnnen. </p> <p>Es scheint, als wenn er einmal richtig <choice><corr>und</corr><sic>nnd</sic></choice> vernuͤnftig handeln, aber aus dem eigentlichen Denken nie ein Hauptgeschaͤft machen werde. </p> <p>Die gemeinsten Koͤpfe scheinen, wenn es nicht eine besondre Angewohnheit ist, sich vorzuͤglich dadurch mit auszuzeichnen, daß sie im Reden auf den Huͤlfswoͤrtern, fast eben so lange, wie auf den Hauptwoͤrtern verweilen; die Huͤlfswoͤrter <hi rendition="#b">haben,<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0112]
H... hingegen redet in einem ganz oberflaͤchigen Tone — oder er beruͤhrt mit seinem Tone gleichsam nur die Oberflaͤche der Jdeen, die er ausdruͤcken will. — Die heraushebende Kraft, das konzentrirte Licht auf dem Hauptgedanken fehlt ihm.
Diese Oberflaͤchigkeit zeichnet sich in seinem ganzen uͤbrigen Wesen, und auch in seiner Bildung aus, wo die markirten Zuͤge gleichsam wegfallen und schwinden, die Lippen beim Reden scheinen sich maschinenmaͤßig zu bewegen, und uͤberhaupt kein rechter innerer Kern vorhanden zu seyn, der eine feste Gewalt uͤber den Koͤrper ausuͤbte. —
Er kann in eine fuͤrchterliche Erbitterung gerathen, die ihn aber auch ganz außer Thaͤtigkeit setzt, und seine Glieder konvulsivisch bewegt. Sein Auge ist klein und matt.
F... giebt auch zwar im Reden immer dem Hauptgedanken das meiste Gewicht, aber er eilet nicht, sondern schreitet bedaͤchtig hinzu — dieß nimmt ihm zu viele Zeit im Denken weg, um uͤber vieles in seinem Leben nachdenken zu koͤnnen.
Es scheint, als wenn er einmal richtig und vernuͤnftig handeln, aber aus dem eigentlichen Denken nie ein Hauptgeschaͤft machen werde.
Die gemeinsten Koͤpfe scheinen, wenn es nicht eine besondre Angewohnheit ist, sich vorzuͤglich dadurch mit auszuzeichnen, daß sie im Reden auf den Huͤlfswoͤrtern, fast eben so lange, wie auf den Hauptwoͤrtern verweilen; die Huͤlfswoͤrter haben,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/112>, abgerufen am 16.02.2025. |