Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


schon dazu an, er kann nicht anders, es ist ihm nothwendig; er findet sich gleichsam wie ein Uhrwerk aufgezogen, wenn von einem Stücke in der Musik nur der erste Takt angegeben worden, daß es ihm fast nicht möglich ist, geschwinder oder langsamer zu singen oder zu spielen, als es einmal angefangen.

Der Verstand aber bemerkt die Ordnung, die dadurch in der Musik liegt, und abstrahirt sie von dieser.

Da er nun hierin dasselbe Verhältniß der Theile zum Ganzen findet, welches er in dem Größenmaaß und Gewichte antrift, so setzt er es mit diesem in eine Klasse, ohne den Unterschied zu machen, daß das Maaß der Größe und Schwere in sichtbaren bleibenden Dingen besteht, und der Takt hingegen weder sichtbar noch bleibend ist, sondern sein Wesen in etwas andern haben muß, welches denn wohl nichts anders als die Empfindung seyn kann.

Das Verhältniß der Töne in Ansehung ihrer Höhe und Tiefe aber selbst kann er nicht von der Musik abstrahiren, und macht nun einen Unterschied in diesem Verhältniß und dem in Ansehung ihrer Dauer, und eignet die Bemerkung des ersten der Empfindung und des letzten dem Verstande zu, da doch das letztere nicht weniger die Empfindung angeht als das erstere, sondern sich nur abstrahiren und daher mit dem Verstande begreifen läßt.



schon dazu an, er kann nicht anders, es ist ihm nothwendig; er findet sich gleichsam wie ein Uhrwerk aufgezogen, wenn von einem Stuͤcke in der Musik nur der erste Takt angegeben worden, daß es ihm fast nicht moͤglich ist, geschwinder oder langsamer zu singen oder zu spielen, als es einmal angefangen.

Der Verstand aber bemerkt die Ordnung, die dadurch in der Musik liegt, und abstrahirt sie von dieser.

Da er nun hierin dasselbe Verhaͤltniß der Theile zum Ganzen findet, welches er in dem Groͤßenmaaß und Gewichte antrift, so setzt er es mit diesem in eine Klasse, ohne den Unterschied zu machen, daß das Maaß der Groͤße und Schwere in sichtbaren bleibenden Dingen besteht, und der Takt hingegen weder sichtbar noch bleibend ist, sondern sein Wesen in etwas andern haben muß, welches denn wohl nichts anders als die Empfindung seyn kann.

Das Verhaͤltniß der Toͤne in Ansehung ihrer Hoͤhe und Tiefe aber selbst kann er nicht von der Musik abstrahiren, und macht nun einen Unterschied in diesem Verhaͤltniß und dem in Ansehung ihrer Dauer, und eignet die Bemerkung des ersten der Empfindung und des letzten dem Verstande zu, da doch das letztere nicht weniger die Empfindung angeht als das erstere, sondern sich nur abstrahiren und daher mit dem Verstande begreifen laͤßt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0104" n="102"/><lb/>
schon dazu an, er kann nicht anders, es ist ihm nothwendig;                         er findet sich gleichsam wie ein Uhrwerk aufgezogen, wenn von einem Stu&#x0364;cke                         in der Musik nur der erste Takt angegeben worden, daß es ihm fast nicht                         mo&#x0364;glich ist, geschwinder oder langsamer zu singen oder zu spielen, als es                         einmal angefangen. </p>
            <p>Der Verstand aber bemerkt die Ordnung, die dadurch in der Musik liegt, und                         abstrahirt sie von dieser. </p>
            <p>Da er nun hierin dasselbe Verha&#x0364;ltniß der Theile zum Ganzen findet, welches er                         in dem Gro&#x0364;ßenmaaß und Gewichte antrift, so setzt er es mit diesem in eine                         Klasse, ohne den Unterschied zu machen, daß das Maaß der Gro&#x0364;ße und Schwere                         in sichtbaren bleibenden Dingen besteht, und der Takt hingegen weder                         sichtbar noch bleibend ist, sondern sein Wesen in etwas andern haben muß,                         welches denn wohl nichts anders als die Empfindung seyn kann. </p>
            <p>Das Verha&#x0364;ltniß der To&#x0364;ne in Ansehung ihrer Ho&#x0364;he und Tiefe aber selbst kann er                         nicht von der Musik abstrahiren, und macht nun einen Unterschied in diesem                         Verha&#x0364;ltniß und dem in Ansehung ihrer Dauer, und eignet die Bemerkung des                         ersten der Empfindung und des letzten dem Verstande zu, da doch das letztere                         nicht weniger die Empfindung angeht als das erstere, sondern sich nur                         abstrahiren und daher mit dem Verstande begreifen la&#x0364;ßt. </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0104] schon dazu an, er kann nicht anders, es ist ihm nothwendig; er findet sich gleichsam wie ein Uhrwerk aufgezogen, wenn von einem Stuͤcke in der Musik nur der erste Takt angegeben worden, daß es ihm fast nicht moͤglich ist, geschwinder oder langsamer zu singen oder zu spielen, als es einmal angefangen. Der Verstand aber bemerkt die Ordnung, die dadurch in der Musik liegt, und abstrahirt sie von dieser. Da er nun hierin dasselbe Verhaͤltniß der Theile zum Ganzen findet, welches er in dem Groͤßenmaaß und Gewichte antrift, so setzt er es mit diesem in eine Klasse, ohne den Unterschied zu machen, daß das Maaß der Groͤße und Schwere in sichtbaren bleibenden Dingen besteht, und der Takt hingegen weder sichtbar noch bleibend ist, sondern sein Wesen in etwas andern haben muß, welches denn wohl nichts anders als die Empfindung seyn kann. Das Verhaͤltniß der Toͤne in Ansehung ihrer Hoͤhe und Tiefe aber selbst kann er nicht von der Musik abstrahiren, und macht nun einen Unterschied in diesem Verhaͤltniß und dem in Ansehung ihrer Dauer, und eignet die Bemerkung des ersten der Empfindung und des letzten dem Verstande zu, da doch das letztere nicht weniger die Empfindung angeht als das erstere, sondern sich nur abstrahiren und daher mit dem Verstande begreifen laͤßt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/104
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/104>, abgerufen am 21.11.2024.