Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


es schwer, sich zu Gott zu halten: allein man muß hier Gewalt brauchen, die Natur überwinden, und sich dennoch in der Gegenwart Gottes halten. Taulerus sagt: Es sind noch wohl Menschen, die Gott ums Lohn dienen, wann er uns Trost und Süßigkeit innerlich giebt, aber Gott ohne Sold, in der Blöße, Trockenheit und innern Leiden dienen, das wollen wenige. Und ein anderer Heiliger sagte: Wann wir bei Gott aushalten in der Trockenheit, Blöße, Creuz und Leiden; damit beweisen wir Gott unsere Liebe und Treue: wann aber Gott uns Trost und Süßigkeit mittheilet, so ist es Gott, der uns seine Treue und Liebe erweiset, welches geschiehet um unserer Schwachheit willen. Jn dem Stande von Jnnen, worin Sie sich befinden, erfähret man zweierlei, innern Druck und Peinlichkeit. Das eine wird verursachet durch unsre Untreue, welches wir bald merken können, und den Fehler sogleich verbessern müssen. Das andre Leiden ist der Hunger der Seele nach dem lebendigen Gott. Wir hungern, verlangen und sehnen uns nach Gott, weil wir aber noch unsere Satisfaktion, Trost, Geschmack, Süßigkeit dabei suchen und darnach hungern, und dieses letztere wohl der hauptsächlichste Gegenstand unsers Verlangens ist, und wir um die Reinigkeit der Liebe zu Gott, und um Gottes eigenes Jnteresse und Ehre weniger bekümmert sind; so ist dieser Hunger und Verlangen der Seele noch viel zu unrein, als daß Gott diesen Hunger mit sich


es schwer, sich zu Gott zu halten: allein man muß hier Gewalt brauchen, die Natur uͤberwinden, und sich dennoch in der Gegenwart Gottes halten. Taulerus sagt: Es sind noch wohl Menschen, die Gott ums Lohn dienen, wann er uns Trost und Suͤßigkeit innerlich giebt, aber Gott ohne Sold, in der Bloͤße, Trockenheit und innern Leiden dienen, das wollen wenige. Und ein anderer Heiliger sagte: Wann wir bei Gott aushalten in der Trockenheit, Bloͤße, Creuz und Leiden; damit beweisen wir Gott unsere Liebe und Treue: wann aber Gott uns Trost und Suͤßigkeit mittheilet, so ist es Gott, der uns seine Treue und Liebe erweiset, welches geschiehet um unserer Schwachheit willen. Jn dem Stande von Jnnen, worin Sie sich befinden, erfaͤhret man zweierlei, innern Druck und Peinlichkeit. Das eine wird verursachet durch unsre Untreue, welches wir bald merken koͤnnen, und den Fehler sogleich verbessern muͤssen. Das andre Leiden ist der Hunger der Seele nach dem lebendigen Gott. Wir hungern, verlangen und sehnen uns nach Gott, weil wir aber noch unsere Satisfaktion, Trost, Geschmack, Suͤßigkeit dabei suchen und darnach hungern, und dieses letztere wohl der hauptsaͤchlichste Gegenstand unsers Verlangens ist, und wir um die Reinigkeit der Liebe zu Gott, und um Gottes eigenes Jnteresse und Ehre weniger bekuͤmmert sind; so ist dieser Hunger und Verlangen der Seele noch viel zu unrein, als daß Gott diesen Hunger mit sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0067" n="67"/><lb/>
es schwer, sich zu Gott zu halten: allein man muß hier Gewalt                         brauchen, die Natur u&#x0364;berwinden, und sich dennoch in der Gegenwart Gottes                         halten. <hi rendition="#b">Taulerus</hi> sagt: Es sind noch wohl Menschen,                         die Gott ums Lohn dienen, wann er uns Trost und Su&#x0364;ßigkeit innerlich giebt,                         aber Gott ohne Sold, in der Blo&#x0364;ße, Trockenheit und innern Leiden dienen, das                         wollen wenige. Und ein anderer Heiliger sagte: Wann wir bei Gott aushalten                         in der Trockenheit, Blo&#x0364;ße, Creuz und Leiden; damit beweisen wir Gott unsere                         Liebe und Treue: wann aber Gott uns Trost und Su&#x0364;ßigkeit mittheilet, so ist                         es Gott, der uns seine Treue und Liebe erweiset, welches geschiehet um                         unserer Schwachheit willen. Jn dem Stande von Jnnen, worin Sie sich                         befinden, erfa&#x0364;hret man zweierlei, innern Druck und Peinlichkeit. Das eine                         wird verursachet durch unsre Untreue, welches wir bald merken ko&#x0364;nnen, und                         den Fehler sogleich verbessern mu&#x0364;ssen. Das andre Leiden ist der Hunger der                         Seele nach dem lebendigen Gott. Wir hungern, verlangen und sehnen uns nach                         Gott, weil wir aber noch unsere Satisfaktion, Trost, Geschmack, Su&#x0364;ßigkeit                         dabei suchen und darnach hungern, und dieses letztere wohl der                         hauptsa&#x0364;chlichste Gegenstand unsers Verlangens ist, und wir um die Reinigkeit                         der Liebe zu Gott, und um Gottes eigenes Jnteresse und Ehre weniger                         beku&#x0364;mmert sind; so ist dieser Hunger und Verlangen der Seele noch viel zu                         unrein, als daß Gott diesen Hunger mit sich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0067] es schwer, sich zu Gott zu halten: allein man muß hier Gewalt brauchen, die Natur uͤberwinden, und sich dennoch in der Gegenwart Gottes halten. Taulerus sagt: Es sind noch wohl Menschen, die Gott ums Lohn dienen, wann er uns Trost und Suͤßigkeit innerlich giebt, aber Gott ohne Sold, in der Bloͤße, Trockenheit und innern Leiden dienen, das wollen wenige. Und ein anderer Heiliger sagte: Wann wir bei Gott aushalten in der Trockenheit, Bloͤße, Creuz und Leiden; damit beweisen wir Gott unsere Liebe und Treue: wann aber Gott uns Trost und Suͤßigkeit mittheilet, so ist es Gott, der uns seine Treue und Liebe erweiset, welches geschiehet um unserer Schwachheit willen. Jn dem Stande von Jnnen, worin Sie sich befinden, erfaͤhret man zweierlei, innern Druck und Peinlichkeit. Das eine wird verursachet durch unsre Untreue, welches wir bald merken koͤnnen, und den Fehler sogleich verbessern muͤssen. Das andre Leiden ist der Hunger der Seele nach dem lebendigen Gott. Wir hungern, verlangen und sehnen uns nach Gott, weil wir aber noch unsere Satisfaktion, Trost, Geschmack, Suͤßigkeit dabei suchen und darnach hungern, und dieses letztere wohl der hauptsaͤchlichste Gegenstand unsers Verlangens ist, und wir um die Reinigkeit der Liebe zu Gott, und um Gottes eigenes Jnteresse und Ehre weniger bekuͤmmert sind; so ist dieser Hunger und Verlangen der Seele noch viel zu unrein, als daß Gott diesen Hunger mit sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/67
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/67>, abgerufen am 22.11.2024.