Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.Sonntag den 14. März. Heute vor acht Tagen faßte ich einen Vorsatz, den ich für unüberwindlich hielt, wenigstens eine einzige Woche so hinzubringen, daß ich am Ende derselben zu mir sagen könnte, du hast acht Tage so gut genutzt, wie du konntest; da aber unvermuthete Widerwärtigkeiten, und wenig versprochene Freuden sich einfanden, wo blieb da mein Vorsatz, und diese Standhaftigkeit der Seele, die ich mir zu besitzen einbildete. Gott! wie schrecklich, wenn diese Woche ein Bild meines Lebens wäre, wenn alle Bemühungen, mein Leben angenehmer, und meinen Zustand vollkommner zu machen, vergeblich, wenn die künftige Hälfte meines Lebens um nichts besser und wünschenswürdiger als die vergangene wäre! -- Doch ich will es diese Woche noch einmal versuchen, will mir die Erfüllung keines einzigen meiner kleinen Wünsche gerade in dieser Woche versprechen, sondern mache mich jetzt auf alle das Unangenehme gefaßt, wovor ich noch nicht völlig sicher bin; und nehme mir fest vor, daß eine anhaltende Thätigkeit, jeden aufsteigenden Kummer, und jeden traurigen Gedanken, den ich nicht vermeiden kann, unterdrücken soll, und so bald wie ich merke, daß die Traurigkeit sich sonst nicht will verdrängen lassen, so will ich eins meiner Lieblingsgeschäfte vornehmen -- ich will auch zu meiner Belehrung die Ge- Sonntag den 14. Maͤrz. Heute vor acht Tagen faßte ich einen Vorsatz, den ich fuͤr unuͤberwindlich hielt, wenigstens eine einzige Woche so hinzubringen, daß ich am Ende derselben zu mir sagen koͤnnte, du hast acht Tage so gut genutzt, wie du konntest; da aber unvermuthete Widerwaͤrtigkeiten, und wenig versprochene Freuden sich einfanden, wo blieb da mein Vorsatz, und diese Standhaftigkeit der Seele, die ich mir zu besitzen einbildete. Gott! wie schrecklich, wenn diese Woche ein Bild meines Lebens waͤre, wenn alle Bemuͤhungen, mein Leben angenehmer, und meinen Zustand vollkommner zu machen, vergeblich, wenn die kuͤnftige Haͤlfte meines Lebens um nichts besser und wuͤnschenswuͤrdiger als die vergangene waͤre! — Doch ich will es diese Woche noch einmal versuchen, will mir die Erfuͤllung keines einzigen meiner kleinen Wuͤnsche gerade in dieser Woche versprechen, sondern mache mich jetzt auf alle das Unangenehme gefaßt, wovor ich noch nicht voͤllig sicher bin; und nehme mir fest vor, daß eine anhaltende Thaͤtigkeit, jeden aufsteigenden Kummer, und jeden traurigen Gedanken, den ich nicht vermeiden kann, unterdruͤcken soll, und so bald wie ich merke, daß die Traurigkeit sich sonst nicht will verdraͤngen lassen, so will ich eins meiner Lieblingsgeschaͤfte vornehmen — ich will auch zu meiner Belehrung die Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0029" n="29"/><lb/> <div n="4"> <opener> <dateline> <hi rendition="#c">Sonntag den 14. Maͤrz. </hi> </dateline> </opener> <p>Heute vor acht Tagen faßte ich einen Vorsatz, den ich fuͤr unuͤberwindlich hielt, wenigstens eine einzige Woche so hinzubringen, daß ich am Ende derselben zu mir sagen koͤnnte, du hast acht Tage so gut genutzt, wie du konntest; da aber unvermuthete Widerwaͤrtigkeiten, und wenig versprochene Freuden sich einfanden, wo blieb da mein Vorsatz, und diese Standhaftigkeit der Seele, die ich mir zu besitzen einbildete.</p> <p>Gott! wie schrecklich, wenn diese Woche ein Bild meines Lebens waͤre, wenn alle Bemuͤhungen, mein Leben angenehmer, und meinen Zustand vollkommner zu machen, vergeblich, wenn die kuͤnftige Haͤlfte meines Lebens um nichts besser und wuͤnschenswuͤrdiger als die vergangene waͤre! —</p> <p>Doch ich will es diese Woche noch einmal versuchen, will mir die Erfuͤllung keines einzigen meiner kleinen Wuͤnsche gerade in dieser Woche versprechen, sondern mache mich jetzt auf alle das Unangenehme gefaßt, wovor ich noch nicht voͤllig sicher bin; <choice><corr>und</corr><sic>nnd</sic></choice> nehme mir fest vor, daß eine anhaltende Thaͤtigkeit, jeden aufsteigenden Kummer, und jeden traurigen Gedanken, den ich nicht vermeiden kann, unterdruͤcken soll, und so bald wie ich merke, daß die Traurigkeit sich sonst nicht will verdraͤngen lassen, so will ich eins meiner Lieblingsgeschaͤfte vornehmen — ich will auch zu meiner Belehrung die Ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0029]
Sonntag den 14. Maͤrz. Heute vor acht Tagen faßte ich einen Vorsatz, den ich fuͤr unuͤberwindlich hielt, wenigstens eine einzige Woche so hinzubringen, daß ich am Ende derselben zu mir sagen koͤnnte, du hast acht Tage so gut genutzt, wie du konntest; da aber unvermuthete Widerwaͤrtigkeiten, und wenig versprochene Freuden sich einfanden, wo blieb da mein Vorsatz, und diese Standhaftigkeit der Seele, die ich mir zu besitzen einbildete.
Gott! wie schrecklich, wenn diese Woche ein Bild meines Lebens waͤre, wenn alle Bemuͤhungen, mein Leben angenehmer, und meinen Zustand vollkommner zu machen, vergeblich, wenn die kuͤnftige Haͤlfte meines Lebens um nichts besser und wuͤnschenswuͤrdiger als die vergangene waͤre! —
Doch ich will es diese Woche noch einmal versuchen, will mir die Erfuͤllung keines einzigen meiner kleinen Wuͤnsche gerade in dieser Woche versprechen, sondern mache mich jetzt auf alle das Unangenehme gefaßt, wovor ich noch nicht voͤllig sicher bin; und nehme mir fest vor, daß eine anhaltende Thaͤtigkeit, jeden aufsteigenden Kummer, und jeden traurigen Gedanken, den ich nicht vermeiden kann, unterdruͤcken soll, und so bald wie ich merke, daß die Traurigkeit sich sonst nicht will verdraͤngen lassen, so will ich eins meiner Lieblingsgeschaͤfte vornehmen — ich will auch zu meiner Belehrung die Ge-
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