Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


vielleicht, durch den jetzigen Zustand der Seele in Verbindung mit dem Körper erklärbar wäre.

Jch kann nicht umhin, hier eine Bemerkung anzuschliessen; wozu ein mir jüngst in die Hände gerathner Plan einer abzuhandelnden Seelenlehre den Anlaß gab.

Die beste Behandlung einer Seelenlehre, glaub ich, wird diese seyn: wenn man Körperlehre, insbesondere die des menschlichen Körpers vorausschickt, welche beide die Menschenlehre heissen. Nur ein solches System, wo von einem Rücksicht auf das andere genommen, und mit dem andern verbunden untersucht wird, kann eine deutliche und gründliche Seelenlehre, kann unverfälschte Menschen- und Seelenkenntniß erzeugen, und richtige Jmputationsregeln angeben. So läßt sich leichter auf die Existenz eines Wesens kommen, das wir Seele nennen; nähmlich: durch das Geistige unserer Vorstellungen erster und anderer Classe, und ihre Jnkompatibilität mit der Materie, dann kann man auch desto sicherer zu der Untersuchung ihrer Natur, ihres eigenthümlichen und selbstständigen Wesens schreiten.

Jst ja der Körper unserer Seele das nächste, muß ich nicht von der Aeuserungsart auf die äußernde Kraft schließen? und würkt unser Geist nicht durch die Sinne, welche auch zugleich seine Würkungsart bestimmen, da sie den Grund derselben in sich fassen? Unsere Psychologen vergessen


vielleicht, durch den jetzigen Zustand der Seele in Verbindung mit dem Koͤrper erklaͤrbar waͤre.

Jch kann nicht umhin, hier eine Bemerkung anzuschliessen; wozu ein mir juͤngst in die Haͤnde gerathner Plan einer abzuhandelnden Seelenlehre den Anlaß gab.

Die beste Behandlung einer Seelenlehre, glaub ich, wird diese seyn: wenn man Koͤrperlehre, insbesondere die des menschlichen Koͤrpers vorausschickt, welche beide die Menschenlehre heissen. Nur ein solches System, wo von einem Ruͤcksicht auf das andere genommen, und mit dem andern verbunden untersucht wird, kann eine deutliche und gruͤndliche Seelenlehre, kann unverfaͤlschte Menschen- und Seelenkenntniß erzeugen, und richtige Jmputationsregeln angeben. So laͤßt sich leichter auf die Existenz eines Wesens kommen, das wir Seele nennen; naͤhmlich: durch das Geistige unserer Vorstellungen erster und anderer Classe, und ihre Jnkompatibilitaͤt mit der Materie, dann kann man auch desto sicherer zu der Untersuchung ihrer Natur, ihres eigenthuͤmlichen und selbststaͤndigen Wesens schreiten.

Jst ja der Koͤrper unserer Seele das naͤchste, muß ich nicht von der Aeuserungsart auf die aͤußernde Kraft schließen? und wuͤrkt unser Geist nicht durch die Sinne, welche auch zugleich seine Wuͤrkungsart bestimmen, da sie den Grund derselben in sich fassen? Unsere Psychologen vergessen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0095" n="95"/><lb/>
vielleicht,                         durch den jetzigen Zustand der Seele in Verbindung mit dem Ko&#x0364;rper erkla&#x0364;rbar                         wa&#x0364;re.</p>
            <p>Jch kann nicht umhin, hier eine Bemerkung anzuschliessen; wozu ein mir ju&#x0364;ngst                         in die Ha&#x0364;nde gerathner Plan einer abzuhandelnden Seelenlehre den Anlaß                         gab.</p>
            <p>Die beste Behandlung einer Seelenlehre, glaub ich, wird diese seyn: wenn man                         Ko&#x0364;rperlehre, insbesondere die des menschlichen Ko&#x0364;rpers vorausschickt, welche                         beide die Menschenlehre heissen. Nur ein solches System, wo von einem                         Ru&#x0364;cksicht auf das andere genommen, und mit dem andern verbunden untersucht                         wird, kann eine deutliche und gru&#x0364;ndliche Seelenlehre, kann unverfa&#x0364;lschte                         Menschen- und Seelenkenntniß erzeugen, und richtige Jmputationsregeln                         angeben. So la&#x0364;ßt sich leichter auf die Existenz eines Wesens kommen, das wir                         Seele nennen; na&#x0364;hmlich: durch das Geistige unserer Vorstellungen erster und                         anderer Classe, und ihre Jnkompatibilita&#x0364;t mit der Materie, dann kann man                         auch desto sicherer zu der Untersuchung ihrer Natur, ihres eigenthu&#x0364;mlichen                         und selbststa&#x0364;ndigen Wesens schreiten.</p>
            <p>Jst ja der Ko&#x0364;rper unserer Seele das na&#x0364;chste, muß ich nicht von der <hi rendition="#b">Aeuserungsart</hi> auf die <hi rendition="#b">a&#x0364;ußernde</hi> Kraft schließen? und wu&#x0364;rkt unser Geist nicht durch die                         Sinne, welche auch zugleich seine Wu&#x0364;rkungsart bestimmen, da sie den Grund                         derselben in sich fassen? Unsere Psychologen vergessen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0095] vielleicht, durch den jetzigen Zustand der Seele in Verbindung mit dem Koͤrper erklaͤrbar waͤre. Jch kann nicht umhin, hier eine Bemerkung anzuschliessen; wozu ein mir juͤngst in die Haͤnde gerathner Plan einer abzuhandelnden Seelenlehre den Anlaß gab. Die beste Behandlung einer Seelenlehre, glaub ich, wird diese seyn: wenn man Koͤrperlehre, insbesondere die des menschlichen Koͤrpers vorausschickt, welche beide die Menschenlehre heissen. Nur ein solches System, wo von einem Ruͤcksicht auf das andere genommen, und mit dem andern verbunden untersucht wird, kann eine deutliche und gruͤndliche Seelenlehre, kann unverfaͤlschte Menschen- und Seelenkenntniß erzeugen, und richtige Jmputationsregeln angeben. So laͤßt sich leichter auf die Existenz eines Wesens kommen, das wir Seele nennen; naͤhmlich: durch das Geistige unserer Vorstellungen erster und anderer Classe, und ihre Jnkompatibilitaͤt mit der Materie, dann kann man auch desto sicherer zu der Untersuchung ihrer Natur, ihres eigenthuͤmlichen und selbststaͤndigen Wesens schreiten. Jst ja der Koͤrper unserer Seele das naͤchste, muß ich nicht von der Aeuserungsart auf die aͤußernde Kraft schließen? und wuͤrkt unser Geist nicht durch die Sinne, welche auch zugleich seine Wuͤrkungsart bestimmen, da sie den Grund derselben in sich fassen? Unsere Psychologen vergessen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/95
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/95>, abgerufen am 05.12.2024.