Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


Es sind die nehmlichen, als der Nachtwandler sehen würde, wenn ihm die Augen geöfnet würden. Sie existiren vor ihm grade so, wie er sie sich denkt, das Bewustseyn, das er durch die Zwischenzeit der Sinne erhielt, würde nicht verschieden davon seyn. c) Die größten Beweise, welche der Philosoph über die Existenz der Körper geben kann, gründen sich auf die Eindrücke, die jene in uns hervorbringen. Diese Beweise verliehren nothwendig viel von ihrer Stärke, wenn wir die nehmlichen Wirkungen, ohne daß die Körper wirklich auf uns influiren, empfinden. Dies ist gerade der Fall beim Nachtwandler, welcher friert und schaudert, ohne daß er sich im gefrornen Wasser befunden hat, was er sich nur lebhaft einbildete. (Würde er sich aber dies haben einbilden können, ohne vorher jemals eine Empfindung an Eiß und Kälte gehabt zu haben? Wie unphilosophisch ist also nicht das Raisonnement des Encyclopedisten, daß die Beweise von der Existenz der Körper ihre meiste Stärke dadurch verlohren, daß wir uns Wirkungen ohne ihre Ursachen vorstellen könnten. Beim Nachtwandler thut die Seele ja nichts, als daß sie ehemalige wirkliche Empfindungen, von wirklichen Körpern entweder repetirt, oder auch im Traum, wie oben gezeigt worden, wenigstens dunkle Empfindungen von aussen her bekommt.) Daraus erhellet, daß bloße idealische Jmpressionen bisweilen eben solche Wirkungen auf den Körper als wirkliche äußern,


Es sind die nehmlichen, als der Nachtwandler sehen wuͤrde, wenn ihm die Augen geoͤfnet wuͤrden. Sie existiren vor ihm grade so, wie er sie sich denkt, das Bewustseyn, das er durch die Zwischenzeit der Sinne erhielt, wuͤrde nicht verschieden davon seyn. c) Die groͤßten Beweise, welche der Philosoph uͤber die Existenz der Koͤrper geben kann, gruͤnden sich auf die Eindruͤcke, die jene in uns hervorbringen. Diese Beweise verliehren nothwendig viel von ihrer Staͤrke, wenn wir die nehmlichen Wirkungen, ohne daß die Koͤrper wirklich auf uns influiren, empfinden. Dies ist gerade der Fall beim Nachtwandler, welcher friert und schaudert, ohne daß er sich im gefrornen Wasser befunden hat, was er sich nur lebhaft einbildete. (Wuͤrde er sich aber dies haben einbilden koͤnnen, ohne vorher jemals eine Empfindung an Eiß und Kaͤlte gehabt zu haben? Wie unphilosophisch ist also nicht das Raisonnement des Encyclopedisten, daß die Beweise von der Existenz der Koͤrper ihre meiste Staͤrke dadurch verlohren, daß wir uns Wirkungen ohne ihre Ursachen vorstellen koͤnnten. Beim Nachtwandler thut die Seele ja nichts, als daß sie ehemalige wirkliche Empfindungen, von wirklichen Koͤrpern entweder repetirt, oder auch im Traum, wie oben gezeigt worden, wenigstens dunkle Empfindungen von aussen her bekommt.) Daraus erhellet, daß bloße idealische Jmpressionen bisweilen eben solche Wirkungen auf den Koͤrper als wirkliche aͤußern,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0067" n="67"/><lb/>
Es sind die                         nehmlichen, als der Nachtwandler sehen wu&#x0364;rde, wenn ihm die Augen geo&#x0364;fnet                         wu&#x0364;rden. Sie existiren vor ihm grade so, wie er sie sich denkt, das                         Bewustseyn, das er durch die Zwischenzeit der Sinne erhielt, wu&#x0364;rde nicht                         verschieden davon seyn. <hi rendition="#aq">c)</hi> Die gro&#x0364;ßten Beweise,                         welche der Philosoph u&#x0364;ber die Existenz der Ko&#x0364;rper geben kann, gru&#x0364;nden sich                         auf die Eindru&#x0364;cke, die jene in uns hervorbringen. Diese Beweise verliehren                         nothwendig viel von ihrer Sta&#x0364;rke, wenn wir die nehmlichen Wirkungen, ohne                         daß die Ko&#x0364;rper wirklich auf uns influiren, empfinden. Dies ist gerade der                         Fall beim Nachtwandler, welcher friert und schaudert, ohne daß er sich im                         gefrornen Wasser befunden hat, was er sich nur lebhaft einbildete. (Wu&#x0364;rde er                         sich aber dies haben einbilden ko&#x0364;nnen, ohne vorher jemals eine Empfindung an                         Eiß und Ka&#x0364;lte gehabt zu haben? Wie unphilosophisch ist also nicht das                         Raisonnement des Encyclopedisten, daß die Beweise von der Existenz der                         Ko&#x0364;rper ihre meiste Sta&#x0364;rke dadurch verlohren, daß wir uns Wirkungen ohne ihre                         Ursachen vorstellen ko&#x0364;nnten. Beim Nachtwandler thut die Seele ja nichts, als                         daß sie ehemalige <hi rendition="#b">wirkliche</hi> Empfindungen, von                         wirklichen Ko&#x0364;rpern entweder <hi rendition="#b">repetirt,</hi> oder auch im                         Traum, wie oben gezeigt worden, wenigstens dunkle Empfindungen von aussen                         her bekommt.) Daraus erhellet, daß bloße <hi rendition="#b">idealische</hi> Jmpressionen bisweilen eben solche Wirkungen auf den Ko&#x0364;rper als wirkliche                         a&#x0364;ußern,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0067] Es sind die nehmlichen, als der Nachtwandler sehen wuͤrde, wenn ihm die Augen geoͤfnet wuͤrden. Sie existiren vor ihm grade so, wie er sie sich denkt, das Bewustseyn, das er durch die Zwischenzeit der Sinne erhielt, wuͤrde nicht verschieden davon seyn. c) Die groͤßten Beweise, welche der Philosoph uͤber die Existenz der Koͤrper geben kann, gruͤnden sich auf die Eindruͤcke, die jene in uns hervorbringen. Diese Beweise verliehren nothwendig viel von ihrer Staͤrke, wenn wir die nehmlichen Wirkungen, ohne daß die Koͤrper wirklich auf uns influiren, empfinden. Dies ist gerade der Fall beim Nachtwandler, welcher friert und schaudert, ohne daß er sich im gefrornen Wasser befunden hat, was er sich nur lebhaft einbildete. (Wuͤrde er sich aber dies haben einbilden koͤnnen, ohne vorher jemals eine Empfindung an Eiß und Kaͤlte gehabt zu haben? Wie unphilosophisch ist also nicht das Raisonnement des Encyclopedisten, daß die Beweise von der Existenz der Koͤrper ihre meiste Staͤrke dadurch verlohren, daß wir uns Wirkungen ohne ihre Ursachen vorstellen koͤnnten. Beim Nachtwandler thut die Seele ja nichts, als daß sie ehemalige wirkliche Empfindungen, von wirklichen Koͤrpern entweder repetirt, oder auch im Traum, wie oben gezeigt worden, wenigstens dunkle Empfindungen von aussen her bekommt.) Daraus erhellet, daß bloße idealische Jmpressionen bisweilen eben solche Wirkungen auf den Koͤrper als wirkliche aͤußern,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/67
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/67>, abgerufen am 05.12.2024.