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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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Beschaffenheit des Körpers zu suchen ist; die Seele wird krank, wenn ihre Begehrungskraft eine üble Richtung oder Hang erhält, wovon der Grund in der vernachlässigten Kultur der Empfindungs- und Erkenntnißkraft der Seele zu suchen ist. Jst die ganze Seele zerrüttet, d.i. die Begehrungskraft durchaus verstimmet, vernachlässiget, mithin ganz lasterhaft, so ist dies Beweis von einer ganz vernachlässigten Kultur der beiden übrigen Seelenkräfte, die nun ihre gehörige Wirkungen nicht mehr äussern können, die dritte Seelenkraft also nothwendig in Unordnung gerathen muß. Kein Wunder wenn die durchaus lasterhafte Seele ihre beste Kraft zu guter Thätigkeit verlohren hat, kein Wunder wenn der Lasterhafte schlecht handeln muß, und nicht anders handeln kann, weil eine zu große Veränderung mit ihm vorgehen muß, und seine übrigen Seelenkräfte neu angebauet werden müssen, wenn er besser handeln soll, als er nun kann. Daher die Seltenheit einer gebesserten Lasterseele und die anscheinende Unmöglichkeit, manchen Lasterhaften zu bessern. Die lezten Lebensstunden eines solchen Menschen reichen zu seiner völligen Besserung nicht zu, wenigstens nicht ohne ein anzunehmendes W. W. Der Weg zur Besserung ist ein natürlicher Weg, und die Mittel der Natur der Seele ganz gemäß. Die Kultur der Empfindungs- und die Richtung der Erkenntnißkraft macht den Menschen, entweder tugend- oder lasterhaft, je nachdem beide


Beschaffenheit des Koͤrpers zu suchen ist; die Seele wird krank, wenn ihre Begehrungskraft eine uͤble Richtung oder Hang erhaͤlt, wovon der Grund in der vernachlaͤssigten Kultur der Empfindungs- und Erkenntnißkraft der Seele zu suchen ist. Jst die ganze Seele zerruͤttet, d.i. die Begehrungskraft durchaus verstimmet, vernachlaͤssiget, mithin ganz lasterhaft, so ist dies Beweis von einer ganz vernachlaͤssigten Kultur der beiden uͤbrigen Seelenkraͤfte, die nun ihre gehoͤrige Wirkungen nicht mehr aͤussern koͤnnen, die dritte Seelenkraft also nothwendig in Unordnung gerathen muß. Kein Wunder wenn die durchaus lasterhafte Seele ihre beste Kraft zu guter Thaͤtigkeit verlohren hat, kein Wunder wenn der Lasterhafte schlecht handeln muß, und nicht anders handeln kann, weil eine zu große Veraͤnderung mit ihm vorgehen muß, und seine uͤbrigen Seelenkraͤfte neu angebauet werden muͤssen, wenn er besser handeln soll, als er nun kann. Daher die Seltenheit einer gebesserten Lasterseele und die anscheinende Unmoͤglichkeit, manchen Lasterhaften zu bessern. Die lezten Lebensstunden eines solchen Menschen reichen zu seiner voͤlligen Besserung nicht zu, wenigstens nicht ohne ein anzunehmendes W. W. Der Weg zur Besserung ist ein natuͤrlicher Weg, und die Mittel der Natur der Seele ganz gemaͤß. Die Kultur der Empfindungs- und die Richtung der Erkenntnißkraft macht den Menschen, entweder tugend- oder lasterhaft, je nachdem beide

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[31/0031] Beschaffenheit des Koͤrpers zu suchen ist; die Seele wird krank, wenn ihre Begehrungskraft eine uͤble Richtung oder Hang erhaͤlt, wovon der Grund in der vernachlaͤssigten Kultur der Empfindungs- und Erkenntnißkraft der Seele zu suchen ist. Jst die ganze Seele zerruͤttet, d.i. die Begehrungskraft durchaus verstimmet, vernachlaͤssiget, mithin ganz lasterhaft, so ist dies Beweis von einer ganz vernachlaͤssigten Kultur der beiden uͤbrigen Seelenkraͤfte, die nun ihre gehoͤrige Wirkungen nicht mehr aͤussern koͤnnen, die dritte Seelenkraft also nothwendig in Unordnung gerathen muß. Kein Wunder wenn die durchaus lasterhafte Seele ihre beste Kraft zu guter Thaͤtigkeit verlohren hat, kein Wunder wenn der Lasterhafte schlecht handeln muß, und nicht anders handeln kann, weil eine zu große Veraͤnderung mit ihm vorgehen muß, und seine uͤbrigen Seelenkraͤfte neu angebauet werden muͤssen, wenn er besser handeln soll, als er nun kann. Daher die Seltenheit einer gebesserten Lasterseele und die anscheinende Unmoͤglichkeit, manchen Lasterhaften zu bessern. Die lezten Lebensstunden eines solchen Menschen reichen zu seiner voͤlligen Besserung nicht zu, wenigstens nicht ohne ein anzunehmendes W. W. Der Weg zur Besserung ist ein natuͤrlicher Weg, und die Mittel der Natur der Seele ganz gemaͤß. Die Kultur der Empfindungs- und die Richtung der Erkenntnißkraft macht den Menschen, entweder tugend- oder lasterhaft, je nachdem beide

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/31>, abgerufen am 26.04.2024.