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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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perliche Umstände verhindern die Seele so oft sie leidet in ihren Wirkungen und zerrütten ihren natürlichen Zustand der Selbstthätigkeit. Verletzung oder Druck des Nervensystems, die durch vielerlei Veränderungen im Körper und durch äussere Umstände verursacht werden kann; durch verdicktes, schweres Geblüt, durch schlechte Beschaffenheit des Magens, durch Würmer, durch Kontusionen des Kopfs, durch Schreck, Furcht, Freude, mithin durch tausendfältige Umstände, wodurch die thierische Maschine, der sich die Seele zu ihren Wirkungen bedient, ihr eigenthümliches Vermögen und Kraft, zum freien Wirken verlieret, ist allemal Ursach der Verstandlosigkeit und der unregelmässigen Handlungen (Aeusserungen) der Seele. Verwirrung, Raserey und all' die sonderbaren Erscheinungen, die uns eine aus ihrem Wirkungskreise versezte Seele sehen läßt, wär also kein kranker Seelenzustand, wohl aber zeigte ein solcher Umstand eine Verhinderung der Seele an, die durch Schuld ihrer beschädigten Maschine nicht regelmässig wirken kann. Die körperliche Krankheit, woher wir den Begriff Seelenkrankheit ableiten, giebt uns die Jdee an, was Krankheit, (Schwächlichkeit, Ungesundheit) sey, nemlich; wir nennen Krankheit denjenigen Zustand des Körpers, in welchen der Mensch untüchtig ist, sein natürliches (angebohrnes) Vermögen zu wirken oder handeln, anzuwenden; ist dieses Vermögen zum Wirken irgend wodurch gehemmt


perliche Umstaͤnde verhindern die Seele so oft sie leidet in ihren Wirkungen und zerruͤtten ihren natuͤrlichen Zustand der Selbstthaͤtigkeit. Verletzung oder Druck des Nervensystems, die durch vielerlei Veraͤnderungen im Koͤrper und durch aͤussere Umstaͤnde verursacht werden kann; durch verdicktes, schweres Gebluͤt, durch schlechte Beschaffenheit des Magens, durch Wuͤrmer, durch Kontusionen des Kopfs, durch Schreck, Furcht, Freude, mithin durch tausendfaͤltige Umstaͤnde, wodurch die thierische Maschine, der sich die Seele zu ihren Wirkungen bedient, ihr eigenthuͤmliches Vermoͤgen und Kraft, zum freien Wirken verlieret, ist allemal Ursach der Verstandlosigkeit und der unregelmaͤssigen Handlungen (Aeusserungen) der Seele. Verwirrung, Raserey und all' die sonderbaren Erscheinungen, die uns eine aus ihrem Wirkungskreise versezte Seele sehen laͤßt, waͤr also kein kranker Seelenzustand, wohl aber zeigte ein solcher Umstand eine Verhinderung der Seele an, die durch Schuld ihrer beschaͤdigten Maschine nicht regelmaͤssig wirken kann. Die koͤrperliche Krankheit, woher wir den Begriff Seelenkrankheit ableiten, giebt uns die Jdee an, was Krankheit, (Schwaͤchlichkeit, Ungesundheit) sey, nemlich; wir nennen Krankheit denjenigen Zustand des Koͤrpers, in welchen der Mensch untuͤchtig ist, sein natuͤrliches (angebohrnes) Vermoͤgen zu wirken oder handeln, anzuwenden; ist dieses Vermoͤgen zum Wirken irgend wodurch gehemmt

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[27/0027] perliche Umstaͤnde verhindern die Seele so oft sie leidet in ihren Wirkungen und zerruͤtten ihren natuͤrlichen Zustand der Selbstthaͤtigkeit. Verletzung oder Druck des Nervensystems, die durch vielerlei Veraͤnderungen im Koͤrper und durch aͤussere Umstaͤnde verursacht werden kann; durch verdicktes, schweres Gebluͤt, durch schlechte Beschaffenheit des Magens, durch Wuͤrmer, durch Kontusionen des Kopfs, durch Schreck, Furcht, Freude, mithin durch tausendfaͤltige Umstaͤnde, wodurch die thierische Maschine, der sich die Seele zu ihren Wirkungen bedient, ihr eigenthuͤmliches Vermoͤgen und Kraft, zum freien Wirken verlieret, ist allemal Ursach der Verstandlosigkeit und der unregelmaͤssigen Handlungen (Aeusserungen) der Seele. Verwirrung, Raserey und all' die sonderbaren Erscheinungen, die uns eine aus ihrem Wirkungskreise versezte Seele sehen laͤßt, waͤr also kein kranker Seelenzustand, wohl aber zeigte ein solcher Umstand eine Verhinderung der Seele an, die durch Schuld ihrer beschaͤdigten Maschine nicht regelmaͤssig wirken kann. Die koͤrperliche Krankheit, woher wir den Begriff Seelenkrankheit ableiten, giebt uns die Jdee an, was Krankheit, (Schwaͤchlichkeit, Ungesundheit) sey, nemlich; wir nennen Krankheit denjenigen Zustand des Koͤrpers, in welchen der Mensch untuͤchtig ist, sein natuͤrliches (angebohrnes) Vermoͤgen zu wirken oder handeln, anzuwenden; ist dieses Vermoͤgen zum Wirken irgend wodurch gehemmt

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/27>, abgerufen am 29.03.2024.