Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


ohne sich zu erschrecken, oder in mindesten aufgebracht zu werden, befahl dem Wahnwitzigen, sein Messer wieder aufzuheben, und sich sogleich in seine Kammer zu verfügen. Eine ähnliche Begebenheit trug sich auch einst mit einem Pistolet zu; -- aber er beherrscht sie bei allen ihren wüthenden Anfällen auf die nehmliche Art. Jeder hat seinen eigenen Wächter bei sich. Wenn die Anfälle zu heftig werden, so nimmt er seine Zuflucht zu einem sehr engen Rocke (Strait waits-coat) welcher ihre Arme zusammenschnürt, und den ganzen Körper fesselt. Das Schrecken vor diesem Zwangkleide dient ihm zu einem Zaum, seine Patienten zu regieren. Die gewöhnlichen Aerzte des Königs konnten mit ihm nicht fertig werden; Willis aber behandelt seinen hohen Kranken, wie die andern. Er hat sogar seinen gebietherischen Ton gegen ihn noch erhöht. Sein Sohn und seine eigenen Leute, die an dergleichen Art von Dienst gewöhnt sind, haben die Stellen der gewöhnlichen Dienerschaft des Königs eingenommen, welcher seinem Oberaufseher Willis das herablassendste Zutrauen schenkt. Gewöhnlicher Weise ist der Kranke sanft und nachgebend. Aber wenn ihn seine Unruh beherrscht; so fließen ihm seine Worte wie ein Strom aus dem Munde. Er hat dabei ein ungeheures Gedächtniß, und sprach einst (dies ist ein ausgemachtes Factum) 19 Stunden hintereinander. Neulich verstattete man der Königin einen Besuch bei ihrem Gemahl, indem man


ohne sich zu erschrecken, oder in mindesten aufgebracht zu werden, befahl dem Wahnwitzigen, sein Messer wieder aufzuheben, und sich sogleich in seine Kammer zu verfuͤgen. Eine aͤhnliche Begebenheit trug sich auch einst mit einem Pistolet zu; — aber er beherrscht sie bei allen ihren wuͤthenden Anfaͤllen auf die nehmliche Art. Jeder hat seinen eigenen Waͤchter bei sich. Wenn die Anfaͤlle zu heftig werden, so nimmt er seine Zuflucht zu einem sehr engen Rocke (Strait waits-coat) welcher ihre Arme zusammenschnuͤrt, und den ganzen Koͤrper fesselt. Das Schrecken vor diesem Zwangkleide dient ihm zu einem Zaum, seine Patienten zu regieren. Die gewoͤhnlichen Aerzte des Koͤnigs konnten mit ihm nicht fertig werden; Willis aber behandelt seinen hohen Kranken, wie die andern. Er hat sogar seinen gebietherischen Ton gegen ihn noch erhoͤht. Sein Sohn und seine eigenen Leute, die an dergleichen Art von Dienst gewoͤhnt sind, haben die Stellen der gewoͤhnlichen Dienerschaft des Koͤnigs eingenommen, welcher seinem Oberaufseher Willis das herablassendste Zutrauen schenkt. Gewoͤhnlicher Weise ist der Kranke sanft und nachgebend. Aber wenn ihn seine Unruh beherrscht; so fließen ihm seine Worte wie ein Strom aus dem Munde. Er hat dabei ein ungeheures Gedaͤchtniß, und sprach einst (dies ist ein ausgemachtes Factum) 19 Stunden hintereinander. Neulich verstattete man der Koͤnigin einen Besuch bei ihrem Gemahl, indem man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0022" n="22"/><lb/>
ohne sich zu erschrecken, oder in mindesten                         aufgebracht zu werden, befahl dem Wahnwitzigen, sein Messer wieder                         aufzuheben, und sich sogleich in seine Kammer zu verfu&#x0364;gen. Eine a&#x0364;hnliche                         Begebenheit trug sich auch einst mit einem Pistolet zu; &#x2014; aber er beherrscht                         sie bei allen ihren wu&#x0364;thenden Anfa&#x0364;llen auf die nehmliche Art. Jeder hat                         seinen eigenen Wa&#x0364;chter bei sich. Wenn die Anfa&#x0364;lle zu heftig werden, so nimmt                         er seine Zuflucht zu einem sehr engen Rocke <hi rendition="#aq">(Strait                             waits-coat)</hi> welcher ihre Arme zusammenschnu&#x0364;rt, und den ganzen                         Ko&#x0364;rper fesselt. Das Schrecken vor diesem Zwangkleide dient ihm zu einem                         Zaum, seine Patienten zu regieren. Die gewo&#x0364;hnlichen Aerzte des Ko&#x0364;nigs                         konnten mit ihm nicht fertig werden; <hi rendition="#b">Willis</hi> aber                         behandelt seinen hohen Kranken, wie die andern. Er hat sogar seinen                         gebietherischen Ton gegen ihn noch erho&#x0364;ht. Sein Sohn und seine eigenen                         Leute, die an dergleichen Art von Dienst gewo&#x0364;hnt sind, haben die Stellen der                         gewo&#x0364;hnlichen Dienerschaft des Ko&#x0364;nigs eingenommen, welcher seinem                         Oberaufseher <hi rendition="#b">Willis</hi> das herablassendste Zutrauen                         schenkt. Gewo&#x0364;hnlicher Weise ist der Kranke sanft und nachgebend. Aber wenn                         ihn seine Unruh beherrscht; so fließen ihm seine Worte wie ein Strom aus dem                         Munde. <hi rendition="#b">Er hat dabei ein ungeheures Geda&#x0364;chtniß, und sprach                             einst (dies ist ein ausgemachtes Factum) 19 Stunden                             hintereinander.</hi> Neulich verstattete man der Ko&#x0364;nigin einen Besuch                         bei ihrem Gemahl, indem man<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0022] ohne sich zu erschrecken, oder in mindesten aufgebracht zu werden, befahl dem Wahnwitzigen, sein Messer wieder aufzuheben, und sich sogleich in seine Kammer zu verfuͤgen. Eine aͤhnliche Begebenheit trug sich auch einst mit einem Pistolet zu; — aber er beherrscht sie bei allen ihren wuͤthenden Anfaͤllen auf die nehmliche Art. Jeder hat seinen eigenen Waͤchter bei sich. Wenn die Anfaͤlle zu heftig werden, so nimmt er seine Zuflucht zu einem sehr engen Rocke (Strait waits-coat) welcher ihre Arme zusammenschnuͤrt, und den ganzen Koͤrper fesselt. Das Schrecken vor diesem Zwangkleide dient ihm zu einem Zaum, seine Patienten zu regieren. Die gewoͤhnlichen Aerzte des Koͤnigs konnten mit ihm nicht fertig werden; Willis aber behandelt seinen hohen Kranken, wie die andern. Er hat sogar seinen gebietherischen Ton gegen ihn noch erhoͤht. Sein Sohn und seine eigenen Leute, die an dergleichen Art von Dienst gewoͤhnt sind, haben die Stellen der gewoͤhnlichen Dienerschaft des Koͤnigs eingenommen, welcher seinem Oberaufseher Willis das herablassendste Zutrauen schenkt. Gewoͤhnlicher Weise ist der Kranke sanft und nachgebend. Aber wenn ihn seine Unruh beherrscht; so fließen ihm seine Worte wie ein Strom aus dem Munde. Er hat dabei ein ungeheures Gedaͤchtniß, und sprach einst (dies ist ein ausgemachtes Factum) 19 Stunden hintereinander. Neulich verstattete man der Koͤnigin einen Besuch bei ihrem Gemahl, indem man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/22
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/22>, abgerufen am 23.11.2024.