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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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wie Theile in einem Ganzen enthalten sind, vertilgen wollte; ja ich konnte mir gar nicht einmal vorstellen, wie eine solche Vertilgung möglich sey. Jch kam dabei zugleich auf den Gedanken, daß die Gottheit, wenn sie etwas Denkendes geschaffen habe, dasselbe zu nächst um ihrer selbst willen hervorgebracht, und als Nebenzwecke die Glückseligkeit des denkenden Jndividuums betrachtet habe, weil die höchste denkende Kraft ihr eigenes Jnteresse auch immer als das erste und höchste bei jeder ihrer Modificationen betrachten müsse. Diese Gründe hatten mich auf einige Zeit beruhigt; ob wohl nicht überzeugt, weil der erste zum Grunde liegende Begriff vom Daseyn Gottes selbst noch einigen Zweifeln unterworfen seyn konnte; -- aber auch diese Beruhigung verschwand beinahe, als mir einst ein aufgeklärter Freund gegen meine Hypothese den Einwurf machte: daß es doch auch vielleicht das Jnteresse der Gottheit erfodern könne, anstatt der ausgetilgten Kräfte des Denkens in einzelnen Jndividuen, neue hervorzubringen, und daß eine immer neue Schöpfung denkender Wesen vielleicht der Gottheit ein höheres Vergnügen gewähre, als die Erhaltung einer immer dieselbe bleibenden denkenden Summe von Wesen. Jch gerieth in jene neue Unruh, die mich in einsamen Stunden und Mitternächten schon so oft bei den Gedanken an Unsterblichkeit ergriffen und gemartert hatte.



wie Theile in einem Ganzen enthalten sind, vertilgen wollte; ja ich konnte mir gar nicht einmal vorstellen, wie eine solche Vertilgung moͤglich sey. Jch kam dabei zugleich auf den Gedanken, daß die Gottheit, wenn sie etwas Denkendes geschaffen habe, dasselbe zu naͤchst um ihrer selbst willen hervorgebracht, und als Nebenzwecke die Gluͤckseligkeit des denkenden Jndividuums betrachtet habe, weil die hoͤchste denkende Kraft ihr eigenes Jnteresse auch immer als das erste und hoͤchste bei jeder ihrer Modificationen betrachten muͤsse. Diese Gruͤnde hatten mich auf einige Zeit beruhigt; ob wohl nicht uͤberzeugt, weil der erste zum Grunde liegende Begriff vom Daseyn Gottes selbst noch einigen Zweifeln unterworfen seyn konnte; — aber auch diese Beruhigung verschwand beinahe, als mir einst ein aufgeklaͤrter Freund gegen meine Hypothese den Einwurf machte: daß es doch auch vielleicht das Jnteresse der Gottheit erfodern koͤnne, anstatt der ausgetilgten Kraͤfte des Denkens in einzelnen Jndividuen, neue hervorzubringen, und daß eine immer neue Schoͤpfung denkender Wesen vielleicht der Gottheit ein hoͤheres Vergnuͤgen gewaͤhre, als die Erhaltung einer immer dieselbe bleibenden denkenden Summe von Wesen. Jch gerieth in jene neue Unruh, die mich in einsamen Stunden und Mitternaͤchten schon so oft bei den Gedanken an Unsterblichkeit ergriffen und gemartert hatte.


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[124/0124] wie Theile in einem Ganzen enthalten sind, vertilgen wollte; ja ich konnte mir gar nicht einmal vorstellen, wie eine solche Vertilgung moͤglich sey. Jch kam dabei zugleich auf den Gedanken, daß die Gottheit, wenn sie etwas Denkendes geschaffen habe, dasselbe zu naͤchst um ihrer selbst willen hervorgebracht, und als Nebenzwecke die Gluͤckseligkeit des denkenden Jndividuums betrachtet habe, weil die hoͤchste denkende Kraft ihr eigenes Jnteresse auch immer als das erste und hoͤchste bei jeder ihrer Modificationen betrachten muͤsse. Diese Gruͤnde hatten mich auf einige Zeit beruhigt; ob wohl nicht uͤberzeugt, weil der erste zum Grunde liegende Begriff vom Daseyn Gottes selbst noch einigen Zweifeln unterworfen seyn konnte; — aber auch diese Beruhigung verschwand beinahe, als mir einst ein aufgeklaͤrter Freund gegen meine Hypothese den Einwurf machte: daß es doch auch vielleicht das Jnteresse der Gottheit erfodern koͤnne, anstatt der ausgetilgten Kraͤfte des Denkens in einzelnen Jndividuen, neue hervorzubringen, und daß eine immer neue Schoͤpfung denkender Wesen vielleicht der Gottheit ein hoͤheres Vergnuͤgen gewaͤhre, als die Erhaltung einer immer dieselbe bleibenden denkenden Summe von Wesen. Jch gerieth in jene neue Unruh, die mich in einsamen Stunden und Mitternaͤchten schon so oft bei den Gedanken an Unsterblichkeit ergriffen und gemartert hatte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/124>, abgerufen am 05.12.2024.