Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


weil das Gute, was ein Geck thut, etwas Ekelhaftes an sich hat, das ich nicht beschreiben kann. Freundschaft, Liebe, Religiosität, Mitleiden, Barmherzigkeit, Gerechtigkeitsliebe, Großmuth --alles scheint bei ihm die Tochter seines verschrobenen Egoismus zu seyn, woran die wahre Ehre keinen Antheil nimmt, und den keine Vernunft heilen kann, weil der Eitle in gewissem Betracht mit unter die Wahnsinnigen gezählt werden kann. Jch würde mich für den unglüklichsten Menschen halten, wenn ich mit einem solchen Geschöpf in einer sehr engen Verbindung leben müßte, und das böseste Weib würde mir dagegen noch wie ein Engel vorkommen. --

So einen unauslöschlich übeln Eindruck von meiner frühesten Jugend eitle Männer auf mich gemacht haben; so gern habe ich immer dem andern Geschlecht seine Eitelkeit verziehen; ja ich habe sie oft an demselben geliebt. Jn der That scheint auch ein eitles Frauenzimmer lang noch nicht ein so lächerliches und absurdes Geschöpf zu seyn, als ein eitler Mann. Wir verzeihen ihm eine selbst übertriebene Aufmerksamkeit auf seinen Körper, weil Schönheit für etwas Eigenthümliches des andern Geschlechts gehalten wird, und weil überhaupt das andre Geschlecht nicht an so ernsthafte Geschäfte des Lebens gebunden zu seyn scheint, als das unsrige; -- ich gehe noch weiter und behaupte, daß ein Frauenzimmer ohne alle Eitelkeit keinem vernünftigen Mann


weil das Gute, was ein Geck thut, etwas Ekelhaftes an sich hat, das ich nicht beschreiben kann. Freundschaft, Liebe, Religiositaͤt, Mitleiden, Barmherzigkeit, Gerechtigkeitsliebe, Großmuth —alles scheint bei ihm die Tochter seines verschrobenen Egoismus zu seyn, woran die wahre Ehre keinen Antheil nimmt, und den keine Vernunft heilen kann, weil der Eitle in gewissem Betracht mit unter die Wahnsinnigen gezaͤhlt werden kann. Jch wuͤrde mich fuͤr den ungluͤklichsten Menschen halten, wenn ich mit einem solchen Geschoͤpf in einer sehr engen Verbindung leben muͤßte, und das boͤseste Weib wuͤrde mir dagegen noch wie ein Engel vorkommen. —

So einen unausloͤschlich uͤbeln Eindruck von meiner fruͤhesten Jugend eitle Maͤnner auf mich gemacht haben; so gern habe ich immer dem andern Geschlecht seine Eitelkeit verziehen; ja ich habe sie oft an demselben geliebt. Jn der That scheint auch ein eitles Frauenzimmer lang noch nicht ein so laͤcherliches und absurdes Geschoͤpf zu seyn, als ein eitler Mann. Wir verzeihen ihm eine selbst uͤbertriebene Aufmerksamkeit auf seinen Koͤrper, weil Schoͤnheit fuͤr etwas Eigenthuͤmliches des andern Geschlechts gehalten wird, und weil uͤberhaupt das andre Geschlecht nicht an so ernsthafte Geschaͤfte des Lebens gebunden zu seyn scheint, als das unsrige; — ich gehe noch weiter und behaupte, daß ein Frauenzimmer ohne alle Eitelkeit keinem vernuͤnftigen Mann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0115" n="115"/><lb/>
weil das Gute, was ein Geck thut, etwas Ekelhaftes an sich hat, das ich                         nicht beschreiben kann. Freundschaft, Liebe, Religiosita&#x0364;t, Mitleiden,                         Barmherzigkeit, Gerechtigkeitsliebe, Großmuth &#x2014;alles scheint bei ihm die                         Tochter seines verschrobenen Egoismus zu seyn, woran die <hi rendition="#b">wahre</hi> Ehre keinen Antheil nimmt, und den keine Vernunft heilen                         kann, weil der Eitle in gewissem Betracht mit unter die Wahnsinnigen geza&#x0364;hlt                         werden kann. Jch wu&#x0364;rde mich fu&#x0364;r den unglu&#x0364;klichsten Menschen halten, wenn ich                         mit einem solchen Gescho&#x0364;pf in einer sehr engen Verbindung leben mu&#x0364;ßte, und                         das bo&#x0364;seste Weib wu&#x0364;rde mir dagegen noch wie ein Engel vorkommen. &#x2014;</p>
            <p>So einen unauslo&#x0364;schlich u&#x0364;beln Eindruck von meiner fru&#x0364;hesten Jugend eitle                         Ma&#x0364;nner auf mich gemacht haben; so gern habe ich immer dem andern Geschlecht                         seine Eitelkeit verziehen; ja ich habe sie oft an demselben geliebt. Jn der                         That scheint auch ein eitles Frauenzimmer lang noch nicht ein so                         la&#x0364;cherliches und absurdes Gescho&#x0364;pf zu seyn, als ein eitler Mann. Wir                         verzeihen ihm eine selbst u&#x0364;bertriebene Aufmerksamkeit auf seinen Ko&#x0364;rper,                         weil Scho&#x0364;nheit fu&#x0364;r etwas Eigenthu&#x0364;mliches des andern Geschlechts gehalten                         wird, und weil u&#x0364;berhaupt das andre Geschlecht nicht an so ernsthafte                         Gescha&#x0364;fte des Lebens gebunden zu seyn scheint, als das unsrige; &#x2014; ich gehe                         noch weiter und behaupte, daß ein Frauenzimmer ohne alle Eitelkeit keinem                         vernu&#x0364;nftigen Mann<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0115] weil das Gute, was ein Geck thut, etwas Ekelhaftes an sich hat, das ich nicht beschreiben kann. Freundschaft, Liebe, Religiositaͤt, Mitleiden, Barmherzigkeit, Gerechtigkeitsliebe, Großmuth —alles scheint bei ihm die Tochter seines verschrobenen Egoismus zu seyn, woran die wahre Ehre keinen Antheil nimmt, und den keine Vernunft heilen kann, weil der Eitle in gewissem Betracht mit unter die Wahnsinnigen gezaͤhlt werden kann. Jch wuͤrde mich fuͤr den ungluͤklichsten Menschen halten, wenn ich mit einem solchen Geschoͤpf in einer sehr engen Verbindung leben muͤßte, und das boͤseste Weib wuͤrde mir dagegen noch wie ein Engel vorkommen. — So einen unausloͤschlich uͤbeln Eindruck von meiner fruͤhesten Jugend eitle Maͤnner auf mich gemacht haben; so gern habe ich immer dem andern Geschlecht seine Eitelkeit verziehen; ja ich habe sie oft an demselben geliebt. Jn der That scheint auch ein eitles Frauenzimmer lang noch nicht ein so laͤcherliches und absurdes Geschoͤpf zu seyn, als ein eitler Mann. Wir verzeihen ihm eine selbst uͤbertriebene Aufmerksamkeit auf seinen Koͤrper, weil Schoͤnheit fuͤr etwas Eigenthuͤmliches des andern Geschlechts gehalten wird, und weil uͤberhaupt das andre Geschlecht nicht an so ernsthafte Geschaͤfte des Lebens gebunden zu seyn scheint, als das unsrige; — ich gehe noch weiter und behaupte, daß ein Frauenzimmer ohne alle Eitelkeit keinem vernuͤnftigen Mann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/115
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/115>, abgerufen am 05.05.2024.