Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


auf den Beobachtungen der Alten, mit Hinwegräumung einiges Schuttes, fortbauen sollen, und die Seelenlehre würde nicht bis zu den neuern Zeiten eine so armselige Wissenschaft geblieben seyn, wenn sie noch anders diesen Nahmen vor ihrer Bearbeitung von Spinoza verdient.

Ehe ich zur Darstellung der sonderbaren Phänomene des Nachtwandelns selbst komme, wollen wir nur ganz kurz hören, wie sich diese und jene Gelehrten das Ding zu erklären gesucht haben.

Einige, z.E. Paracelsus, meinten, der Geist des Menschen habe seine Krankheiten, wie unser Körper; so wie nun dieser, vermöge seiner materiellen Einrichtung, den Tag über den Meister über den Menschen spiele, so thue es der Geist während der Nacht, und wenn derselbe eben nicht guter Laune sey, führe er den Leib mit sich herum. Daß aber der Nachtwandrer in einem solchen Zustande keinen äußern Schaden nähme, rühre daher, weil der gute Dämon, den ein jeder Mensch bei sich habe, seinen bösen Dämon abhielte, dem Nachtwandrer Schaden zuzufügen. Man sollte beinahe glauben, daß diese Erklärung des Nachtwandelns mehr aus Scherz, als zu einer befriedigenden Antwort der Sache ersonnen sey. Jndeß scheint sie sich doch lange, bald mit etwas mehr Vernunft, bald mit noch etwas mehr Unsinn vermischt, erhalten zu haben, zumal da sie aus einer Zeit herrührt,


auf den Beobachtungen der Alten, mit Hinwegraͤumung einiges Schuttes, fortbauen sollen, und die Seelenlehre wuͤrde nicht bis zu den neuern Zeiten eine so armselige Wissenschaft geblieben seyn, wenn sie noch anders diesen Nahmen vor ihrer Bearbeitung von Spinoza verdient.

Ehe ich zur Darstellung der sonderbaren Phaͤnomene des Nachtwandelns selbst komme, wollen wir nur ganz kurz hoͤren, wie sich diese und jene Gelehrten das Ding zu erklaͤren gesucht haben.

Einige, z.E. Paracelsus, meinten, der Geist des Menschen habe seine Krankheiten, wie unser Koͤrper; so wie nun dieser, vermoͤge seiner materiellen Einrichtung, den Tag uͤber den Meister uͤber den Menschen spiele, so thue es der Geist waͤhrend der Nacht, und wenn derselbe eben nicht guter Laune sey, fuͤhre er den Leib mit sich herum. Daß aber der Nachtwandrer in einem solchen Zustande keinen aͤußern Schaden naͤhme, ruͤhre daher, weil der gute Daͤmon, den ein jeder Mensch bei sich habe, seinen boͤsen Daͤmon abhielte, dem Nachtwandrer Schaden zuzufuͤgen. Man sollte beinahe glauben, daß diese Erklaͤrung des Nachtwandelns mehr aus Scherz, als zu einer befriedigenden Antwort der Sache ersonnen sey. Jndeß scheint sie sich doch lange, bald mit etwas mehr Vernunft, bald mit noch etwas mehr Unsinn vermischt, erhalten zu haben, zumal da sie aus einer Zeit herruͤhrt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0079" n="77"/><lb/>
auf den                         Beobachtungen der Alten, mit Hinwegra&#x0364;umung einiges Schuttes, fortbauen                         sollen, und die Seelenlehre wu&#x0364;rde nicht bis zu den neuern Zeiten eine so                         armselige Wissenschaft geblieben seyn, wenn sie noch anders diesen Nahmen                         vor ihrer Bearbeitung von <hi rendition="#b">Spinoza</hi> verdient.</p>
            <p>Ehe ich zur Darstellung der sonderbaren <choice><corr>Pha&#x0364;nomene</corr><sic>Pho&#x0364;nomene</sic></choice> des Nachtwandelns selbst komme, wollen wir nur ganz kurz ho&#x0364;ren, wie                         sich diese und jene Gelehrten das Ding zu erkla&#x0364;ren gesucht haben.</p>
            <p>Einige, z.E. Paracelsus, meinten, der Geist des Menschen habe seine                         Krankheiten, wie unser Ko&#x0364;rper; so wie nun dieser, vermo&#x0364;ge seiner materiellen                         Einrichtung, den Tag u&#x0364;ber den Meister u&#x0364;ber den Menschen spiele, so thue es                         der Geist wa&#x0364;hrend der Nacht, und wenn derselbe eben nicht guter Laune sey,                         fu&#x0364;hre er den Leib mit sich herum. Daß aber der Nachtwandrer in einem solchen                         Zustande keinen a&#x0364;ußern Schaden na&#x0364;hme, ru&#x0364;hre daher, weil der gute Da&#x0364;mon, den                         ein jeder Mensch bei sich habe, seinen bo&#x0364;sen Da&#x0364;mon abhielte, dem                         Nachtwandrer Schaden zuzufu&#x0364;gen. Man sollte beinahe glauben, daß diese                         Erkla&#x0364;rung des Nachtwandelns mehr aus Scherz, als zu einer befriedigenden                         Antwort der Sache ersonnen sey. Jndeß scheint sie sich doch lange, bald mit                         etwas mehr Vernunft, bald mit noch etwas mehr Unsinn vermischt, erhalten zu                         haben, zumal da sie aus einer Zeit herru&#x0364;hrt,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0079] auf den Beobachtungen der Alten, mit Hinwegraͤumung einiges Schuttes, fortbauen sollen, und die Seelenlehre wuͤrde nicht bis zu den neuern Zeiten eine so armselige Wissenschaft geblieben seyn, wenn sie noch anders diesen Nahmen vor ihrer Bearbeitung von Spinoza verdient. Ehe ich zur Darstellung der sonderbaren Phaͤnomene des Nachtwandelns selbst komme, wollen wir nur ganz kurz hoͤren, wie sich diese und jene Gelehrten das Ding zu erklaͤren gesucht haben. Einige, z.E. Paracelsus, meinten, der Geist des Menschen habe seine Krankheiten, wie unser Koͤrper; so wie nun dieser, vermoͤge seiner materiellen Einrichtung, den Tag uͤber den Meister uͤber den Menschen spiele, so thue es der Geist waͤhrend der Nacht, und wenn derselbe eben nicht guter Laune sey, fuͤhre er den Leib mit sich herum. Daß aber der Nachtwandrer in einem solchen Zustande keinen aͤußern Schaden naͤhme, ruͤhre daher, weil der gute Daͤmon, den ein jeder Mensch bei sich habe, seinen boͤsen Daͤmon abhielte, dem Nachtwandrer Schaden zuzufuͤgen. Man sollte beinahe glauben, daß diese Erklaͤrung des Nachtwandelns mehr aus Scherz, als zu einer befriedigenden Antwort der Sache ersonnen sey. Jndeß scheint sie sich doch lange, bald mit etwas mehr Vernunft, bald mit noch etwas mehr Unsinn vermischt, erhalten zu haben, zumal da sie aus einer Zeit herruͤhrt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/79
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/79>, abgerufen am 05.05.2024.